26.02.2025

SRG

Sparen als Chance für Neuanfang

Nach hundert Tagen als SRG-Generaldirektorin hat Susanne Wille vor führenden Medienvertretern ihre Vision für die Transformation des öffentlichen Medienhauses skizziert. Trotz Einsparungen von 270 Millionen Franken sieht sie Chancen für die Zukunft. «Es ist auch ein Aufbruch», betonte Wille vor den rund 60 Anwesenden.
SRG: Sparen als Chance für Neuanfang
Im Gespräch: SRG-Generaldirektorin Susanne Wille und Matthias Ackeret, Verleger des persönlich-Verlags. (Bilder: SwissMediaForum/Severin Bigler)

Bei einem Event in kleinem Rahmen hat SRG-Generaldirektorin Susanne Wille am Dienstagmorgen einen umfassenden Einblick in den anstehenden Transformationsprozess des öffentlichen Medienhauses gegeben. Sie bezeichnete das sogenannte «SwissMediaForum-Pop-up» bei Swiss Re in Zürich als «erste Begegnung» mit den privaten Medienhäusern seit Amtsantritt und erinnerte daran, dass sie selbst ursprünglich aus den privaten Medien komme – sie moderierte früher beim Aargauer Privatsender Tele M1.

In ihrem Eingangsreferat, das lustigerweise in der Nähe der General-Wille-Strasse stattfand, unterstrich Generaldirektorin Wille (laut eigenen Aussagen nicht mit General Wille verwandt) mit persönlichen Worten ihre Verbundenheit zur SRG: «Die SRG ist das Unternehmen meines Lebens – und ich arbeite gerne hier.» Sie habe sich bewusst entschieden, in dieser herausfordernden Zeit die Führung zu übernehmen, weil sie an die Kraft des unabhängigen Journalismus glaube.

Ihre ersten 100 Tage als Generaldirektorin hätten sich «wie 200 bis 300 Tage» angefühlt, berichtete Wille. Sie habe ihre «Tour de Suisse» durch alle Standorte der SRG kürzlich abgeschlossen und dabei die unterschiedlichen Kulturen und Sprachen der Organisation kennengelernt.

Transformation statt Einzelsparmassnahmen

Nach dem Entscheid des Bundesrats, die Medienabgabe von 335 auf 300 Franken zu senken, muss die SRG 270 Millionen Franken einsparen, was einem Minus von 17 Prozent entspricht. «Das zeigt sehr deutlich, dass wir nicht mehr mit einzelnen Sparprojekten weiterkommen», erklärte Wille. Die Organisation müsse grundlegend transformiert werden.

«Ich kann nicht einfach als neue Generaldirektorin kommen und sagen, das ist unser Budget und jetzt sparen wir. Man braucht auch Perspektiven, gerade auch für alle, die mit so viel Herzblut Inhalte journalistisch herstellen», betonte Wille. Dieser Ansatz spiegelt sich auch im Namen des Transformationsprozesses wider: «Enavant» – rätoromanisch für «nach vorne, los gehts».

Der Prozess sei in dieser Form neu für die SRG. «Der Prozess ist neu wegen der Höhe des Sparvolumens, und er ist neu wegen der Tiefe», erläuterte Wille. Man wolle nicht nur das Angebot anschauen, sondern die gesamte Organisation, Prozesse und Standorte. «Wir wollen kein Tabu haben», betonte sie.

«Kritik und Vertrauen schliessen sich nicht aus»

Im anschliessenden Interview mit Matthias Ackeret, Verleger von persönlich und persoenlich.com, ging Wille ausführlich auf die aktuellen Herausforderungen ein. Zur Frage, ob sie im wichtigsten Medienhaus der Schweiz in einer besonders schwierigen Zeit die Leitung übernommen habe, meinte Wille: «In dieser Aufgabe kommt alles zusammen, wofür ich brenne: Transformation, Medien, Politik, Schweiz.»

Zu den Reaktionen auf erste Sparmassnahmen, wie die Einstellung des Wissenschaftsmagazins oder der Sendung «Gesichter und Geschichten» («G&G»), nahm Wille detailliert Stellung. Eine Demonstration in Basel gegen die SRG sieht sie nicht nur kritisch: «Kritik und Vertrauen schliessen sich nicht gegenseitig aus. Ich werde unruhig, wenn es keine Aktionen gibt auf die Sparmassnahmen. Es zeigt doch auch, dass wir relevant sind.»

Zur Einstellung von «Gesichter und Geschichten» erklärte Wille, dass nur gerade 10 Prozent der Zuschauenden unter 60 Jahre alt sind. «Man geht erst dann ins Programm, wenn es nicht mehr anders geht», sagte sie zu den Sparentscheidungen. Gleichzeitig betonte sie, dass solche Entscheidungen auch eine strategische Komponente hätten: «Man macht einen Shift, um in Zukunft das Publikum zu erreichen, das man heute nicht mehr erreicht.»

Sie betonte ausdrücklich, dass die Entscheidungen «nicht aus politischen, taktischen Kalkülen» getroffen würden, etwa mit Blick auf die Halbierungsinitiative, sondern aus strategischen Überlegungen. Bei den aktuellen Sparmassnahmen handle es sich um acht Millionen Franken – ein vergleichsweise kleiner Betrag angesichts der insgesamt 270 Millionen, die eingespart werden müssen, so die ehemalige SRF-Kulturchefin.

Immer mehr reine Digitalnutzer

Diese Neuausrichtung ist eng verknüpft mit der digitalen Strategie der SRG. Wie Wille zuvor in ihrem Referat anhand konkreter Zahlen aufzeigte, habe sich der Anteil jener Nutzerinnen und Nutzer, die die SRG ausschliesslich online konsumieren, innerhalb eines Jahres von 12 auf 22 Prozent fast verdoppelt. «Das zeigt das Tempo der Veränderung», betonte sie.

Ein weiteres Thema im Interview war der Eurovision Song Contest (ESC), der dieses Jahr in der Schweiz stattfindet. «Wir möchten nicht nur einen Event machen, sondern diese Idee in die Schweiz tragen», sagte Wille. Mit ungewöhnlicher Transparenz gab sie auch Einblick in die Kosten: «Wenn wir allen gehören, wollen wir auch maximal transparent sein. Es ist eigentlich nicht üblich, dass man sagt, was der ESC kostet.» Laut Wille dürfe der ESC für die SRG maximal 20 Millionen Franken kosten. «Im Moment sind wir auf Kurs.»

Aufbruchstimmung im Verhältnis zu privaten Medien

In der anschliessenden Fragerunde wurde auch das Verhältnis zwischen der SRG und den privaten Medien thematisiert. Verlegerpräsident Andrea Masüger fasste die aktuelle Situation positiv zusammen: «20 Jahre ging nichts. Als Susanne Wille kam, gab es eine Aufbruchstimmung.»

Wille selbst sieht mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen zwischen öffentlichen und privaten Medien. Sie betonte, dass sie mit den Verlegern im Gespräch sei und an weiteren Kooperationen arbeite. «70 Prozent der Werbeeinnahmen gehen ins Ausland. Wir haben wirklich Interessen, die wir zusammen schützen müssen.»

Der Event wurde von den SwissMediaForum-Co-Programmleitern Patrik Müller und Arthur Rutishauser eröffnet. Für Wille hatte der Anlass eine persönliche Note: Bis 2019 war sie selbst jahrelang Moderatorin des SwissMediaForum. Am Ende des Events wurde bekannt gegeben, dass Susanne Wille in den Verwaltungsrat des SwissMediaForums eintreten wird. Sie folgt dort auf ihren Vorgänger Gilles Marchand.

Für Wille war der Dienstag eine eigentliche «Tour de Zürich»: Im Anschluss an den Event in kleinem Rahmen traf sie sich mit Kulturverantwortlichen und nahm am Abend am Communication Summit des Zürcher Pressevereins und der Zürcher PR-Gesellschaft teil.


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KOMMENTARE

Victor Brunner
27.02.2025 08:19 Uhr
"Sparen als Chance für Neuanfang", tönt gut aber dokumentiert eher die Hilflosigkeit vom Führungspersonal. Neuanfang ohne durchdachtes Konzept geht nicht, Neuanfang mit altem Führungspersonal geht auch nicht und wenn eine ehemalige Mitarbeiterin von Frau Wappler nun ihre Chefin ist geht Neuanfang auch nicht. "Alte Pferde" wissen wo der Futtertrog ist aber Rennen gewinnen sie nicht mehr!
Kurt Lehmann
26.02.2025 20:36 Uhr
Frau Wille's gut gemeinte Anstrengungen in Ehre. Bevor Nägel mit Köpfen gemacht werden, sollten - der Auftrag an den Service public - alternative (privat finanzierte) Modelle (netflix system) öffentlich diskutiert werden.
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