18.02.2018

Postauto-Skandal

«Wir entscheiden von Fall zu Fall»

Der «Blick» berichtet an vorderster Front über die Post-Affäre. Anders als in den Fällen Fricker und Buttet stützt das Boulevardblatt die Post-Chefin Susanne Ruoff. Warum, erklärt Chefredaktor Christian Dorer.
Postauto-Skandal: «Wir entscheiden von Fall zu Fall»
Seit einem Jahr im Amt: «Blick»-Chefredaktor Christian Dorer. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Herr Dorer, wird Susanne Ruoff das überleben?
Ja. Aber nur, wenn nun nicht neue Fakten an Licht kommen, die Ruoff zusätzlich belasten. Wenn sie also zum Beispiel mehr gewusst hätte als sie bisher eingeräumt hat. 

Das schrieb am Freitag auch Ihr Wirtschaftschef. Er forderte eine zweite Chance für Ruoff, denn das Problem sei «schlechte Kommunikation».
Diesen Kommentar von Guido Schätti stütze ich voll und ganz. Das ist die Haltung, die wir redaktionsintern festgelegt haben. Ich bin dagegen, dass immer als erstes ein Kopf gefordert wird. Man macht es sich damit zu einfach. Beim «Blick» werden solche Kommentare – also die Haltung des «Blick» bestimmten aktuellen Themen gegenüber – intern immer intensiv diskutiert. Ich bin der Ansicht, dass man dabei jeweils ganz genau abwägen muss, ob es tatsächlich gerechtfertigt ist, eine bestimmte Person abschliessend verantwortlich zu machen.

Das erstaunt, denn der «Blick» gilt generell eher als unzimperlich. Von den Nationalräten Jonas Fricker mit seinem Auschwitz-Vergleich und CVP-Politiker Yannick Buttet wegen sexueller Belästigung forderten Sie sehr rasch den Rücktritt. Sind Sie mit Politikern strenger als mit Wirtschaftsführern?
Nein, wir entscheiden von Fall zu Fall. Dabei wägen wir jeweils ausführlich ab, ob die Forderung nach einem Rücktritt verhältnismässig ist. Dass wir von Jonas Fricker den Rücktritt gefordert haben, stimmt nicht. Das hat die «NZZ» zwar geschrieben, doch wir intervenierten und sie hat das korrigiert.

Und bei Buttet?
Im Fall Buttet stimmt es, dass wir seinen Rücktritt gefordert hatten. Dort war klar, dass ein zu grosses Missverhältnis vorlag zwischen dem, was er als Nationarat vertrat, und dem Vorfall. Buttet hatte moralisch widersprüchlich gehandelt, das war nicht mehr zu retten.

Wie wägen Sie jeweils ab?
Wir versuchen auch miteinzubeziehen, welche Verantwortung eine Person trägt. Da spielen Faktoren wie: Wie viele Mitarbeiter führt diese Person? Muss die Führungsperson sich auf diese Mitarbeiter verlassen könne? Wie transparent ist die Kommunikation bei den Fehlern? 

Der «Subventionsbeschiss bei der Post», wie Sie titeln, wurde Anfang letzter Woche bekannt. Wie gelangte die Information vom Bundesamt für Verkehr an die Medien?
Die Post lud am Dienstag zu einer Medienkonferenz, bei der Susanne Ruoff darüber informierte, dass Postauto von 2007 bis 2016 Gewinne verschleierte, dadurch überhöhte Subventionen bezogen hat und nun 78,3 Millionen Franken zurückzahlen muss. Ich habe den Eindruck, dass die Post dort versuchte, den Ball tief zu halten und möglichst wenig Details zu erwähnen. Erst wegen unseren Recherchen gab die Post, dass zum Beispiel über Jahre fiktiv Diesel und Pneus verrechnet, die Kosten einer subventionierten Linie belastet und das Geld einer anderen Kasse als Einnahmen zugefügt wurde.

Und der «Blick» deckte auf, dass die Post-Chefs und somit natürlich auch Susanne Ruoff bereits seit 2013 von den unrechtmässigen Buchungen gewusst hatten. Woher hatten Sie diese Informationen?
Zwei unserer Journalisten, Pascal Tischhauser und Sven Zaugg, erhielten von zwei unterschiedlichen Quellen Dokumente zugespielt, einige von 2013, in denen beschrieben war, dass es ein Problem gab und Verwaltungsrat und Geschäftsleitung von Problemen wussten. 

Und die «Blick»-Berichte haben dazu geführt, dass es am Mittwoch eine Verwaltungsratssitzung, eine weitere Medienkonferenz und nun einen Boni-Stopp gegeben hat bei der Post. Was folgt noch?
Dass der «Blick» Auslöser dafür war, ist nicht Selbstlob von uns, sondern das sagt Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller. Aber ich glaube schon, dass das nicht passiert wäre, wenn wir nicht hätten aufdecken können, dass die Chefs schon früher von diesen Unregelmässigkeiten gewusst hatten.

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