26.10.2019

Keystone-SDA

«Wir haben gezeigt, dass wir sehr schlagkräftig sind»

Mit Nicole Meier steht künftig eine langjährige SDA-Inlandredaktorin an der Spitze der einzigen, und damit sehr einflussreichen Nachrichtenagentur der Schweiz. Ist dieser Chefredaktionsposten ein Traumjob? Die 47-Jährige spricht über Twitter, Tempo und Transparenz.
Keystone-SDA: «Wir haben gezeigt, dass wir sehr schlagkräftig sind»
Nicole Meier, Leiterin In- und Auslandredaktion, wird per 15. Januar 2020 Chefredaktorin des deutschsprachigen Dienstes von Keystone-SDA. (Bild: Keystone/Alessandro della Valle)
von Edith Hollenstein

Frau Meier*, herzliche Gratulation: Sie werden Chefredaktorin der Nachrichtenagentur und damit zuständig für die deutschsprachige Redaktion. Ist das ein Traumjob?
Die Agentur arbeitet für praktisch alle Medien im Land. Was die Redaktion zu leisten imstande ist, hat sie bei den eidgenössischen Wahlen einmal mehr eindrücklich gezeigt. Wir haben eine wichtige Funktion als Gatekeeper und entscheiden massgeblich: Was ist überhaupt eine News und was nicht? Gerne lasse ich einen Twitter-Nutzer sprechen. Er schrieb: «Gratuliere zu dieser Schlüsselposition in einer Schlüsselinstitution unserer Demokratie.» Voilà.

Sie sind «die Twitter-Fee von der SDA». Hat Ihre grosse Aktivität auf Twitter zu diesem Schritt mitgeholfen?
Twitter wird überbewertet (Zwinker-Smiley). Im Ernst: Intern ist das nicht wichtig. Für diesen Schritt waren meine fachlichen Qualifikationen ausschlaggebend, nicht meine Aktivitäten auf Social Media. Aber für die Bekanntheit in der Branche hat Twitter schon eine Bedeutung. Ein grosser Teil der hiesigen Journalisten-Bubble bewegt sich dort.

Werden Sie weiterhin so aktiv twittern?
Was vielleicht nicht so auffällt: Als Vertreterin der neutralen Agentur äussere ich meine Meinung nicht – weder zum politischen Geschehen noch zu den Umwälzungen in der Medienbranche. Mit der neuen Aufgabe werde ich sicher noch zurückhaltender sein.

«Wir müssen schneller werden und noch klarer definieren, was wir künftig machen und was nicht»

Wo kann eine Keystone-SDA-Chefredaktion Akzente setzen? Oder anders gefragt: Wo, bei welchen Aspekten, spielt es eine Rolle, was für eine Person die Chefredaktion besetzt? Wo haben Sie Spielraum?
Es ist die journalistische und persönliche Haltung, die sich in der Arbeit niederschlägt. Ich bin Journalistin aus Überzeugung – weil ich die Rolle der Medien unglaublich wichtig finde. Das wird sich auch auf das Projekt mit dem Arbeitstitel «Tempo und Qualität» auswirken, das wir demnächst starten und das ich leiten werde. Wir müssen zuverlässig, genau und unabhängig bleiben – aber wir müssen auch schneller werden und noch klarer definieren, was wir künftig machen und was nicht.

Seit zehn Jahren arbeiten Sie bei der SDA. Haben Einfluss und Relevanz der Agentur durch die Digitalisierung und die Medienkonzentration eher zu- oder abgenommen?
Der Einfluss hat zugenommen. Viele Redaktionen haben ebenfalls Sparübungen hinter sich und setzen für die Tagesaktualität verstärkt auf die Agentur, um Kapazitäten für Eigenrecherchen freizuschaufeln.

Können Sie ein Beispiel machen?
Während der Sessionen sind die Bundeshausredaktorinnen und -redaktoren der Agentur die Einzigen, die jede einzelne Debatte verfolgen. Vom Morgen früh bis abends spät, jedes Quote zu jedem Geschäft. Zudem gibt es Medien, die praktisch die gesamte In- und Auslandberichterstattung mit Texten von Keystone-SDA bestreiten.

«Unsere Löhne sind konkurrenzfähig»

Die SDA macht sehr relevanten, aber nicht sehr spektakulären Journalismus. Sie, und Ihre Redaktionskollegen, haben dort nicht besonders viel Lohn und im Vergleich mit anderen Journalisten weniger Prestige: Was für eine Motivation treibt Sie an?
Wir sind einfach wichtig. Und unsere Löhne sind konkurrenzfähig.

In der Diskussion um Nonprofit-Organisation vs. Gewinnorientierung: Was ist Ihrer Meinung nach die Aufgabe von Keystone-SDA?
Wir müssen vor allem inhaltlich von grösstmöglichem Nutzen für die Kunden sein. Wir müssen Orientierung im Nachrichtendschungel liefern und die politische Diskussion im Land begleiten.

Welche Services musste die Redaktion aufgrund der Sparmassnahmen in den letzten Monaten reduzieren?
Es sind vor allem punktuelle Lücken entstanden. Die Redaktion hat aber bei den Wahlen gezeigt, dass sie nach wie vor sehr schlagkräftig ist.

Nach dem grossen Stellenabbau und den Veränderungen durch die neue Eigentümerschaft: Welches sind die brennendsten beiden Themen, bei denen Sie die Redaktion gegenüber der Geschäftsleitung vertreten werden?
Ich übernehme die Chefredaktion auf Januar. In der neuen Funktion ist es mir in erster Linie wichtig, dass wir uns in der Redaktion auf die Inhalte konzentrieren können.

«Unsere Arbeit ist manchmal ein Knochenjob, aber sie ist ungemein spannend»

Nach wie vor gilt bei Keystone-SDA ein Einstellungstopp. Wie viele Mitarbeitende führen Sie aktuell?
Der Stellenstopp ist nicht absolut: Wir konnten erst kürzlich drei neue Mitarbeitende in den Regionalbüros Zürich, Basel und Bellinzona anstellen (persoenlich.com berichtete). Zu Ihrer Frage: Im Moment bin ich direkte Vorgesetzte von 33 Mitarbeitenden.

Und wie viele Mitarbeitende werden Sie ab Mitte Januar 2020 führen, als Chefredaktorin?
Wenn ich richtig zähle, sind es zwölf.

Bei den ganzen Abbau- und Restrukturierungsmassnahmen: Wie wollen Sie eine optimistische, engagierte Arbeitsatmosphäre erreichen?
Mit Offenheit, Transparenz und mit inhaltlichen Diskussionen. Ich erlebe die Redaktion im Alltag oft als überaus engagiert. Unsere Arbeit ist manchmal ein Knochenjob, aber sie ist ungemein spannend und soll auch Spass machen.

Inwiefern sind Sie beim Projekt involviert, das Keystone-SDA «multimedial digitalisieren» soll?
Die Digitalisierung betrifft auch die Redaktion, etwa mit der Open Agenda. Ich bin nicht direkt in das Projekt involviert, stehe aber als Auskunftsperson und Anlaufstelle für redaktionelle Fragen zur Verfügung.

*Nicole Meier hat die Fragen schriftlich beantwortet.



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