08.02.2022

JJS

«Wir legen den Finger auf die Wunden der Branche»

In einem Manifest kritisieren die Jungen Journalistinnen und Journalisten Schweiz die Arbeitsbedingungen der Branche. Co-Präsident Pascal Scheiber spricht über das Nachwuchsproblem und Alles-nur-Gejammer-Vorwürfe. Zudem sagt er, wo ein Ja zum Medienpaket helfen könnte.
JJS: «Wir legen den Finger auf die Wunden der Branche»
«Die Zukunft des Journalismus liegt uns am Herzen»: Pascal Scheiber ist Co-Präsident der Jungen Journalistinnen und Journalisten Schweiz. (Bild: Thomas Meier)
von Michèle Widmer

Herr Scheiber, wie geht es den jungen Journalistinnen und Journalisten in der Schweiz?
Wir spüren, dass unsere Arbeit und der Journalismus wichtig sind – gerade in dieser Pandemie. Der Job ist für viele unserer Mitglieder ein grosses Privileg. Wir merken aber auch, dass die Arbeitsbedingungen in diesem Job schwierig sind. Es ist ein Frust, nicht genügend Zeit und finanzielle Ressourcen für die nötige Arbeit zu haben. Die jungen Journalistinnen und Journalisten leiden darunter und verlassen die Branche schneller als noch vor ein paar Jahren.

In einer Kampagne haben Sie letztes Jahr die mentale Gesundheit junger Journalistinnen und Journalisten thematisiert (persoenlich.com berichtete). Was für Reaktionen haben Sie erhalten?
Wir haben viele Feedbacks von jungen Journalistinnen und Journalisten erhalten, die froh sind, dass wir auf das Problem aufmerksam machen. Eine Führungsperson hat sich gemeldet und ihre Fehler von früher aufgrund unserer Kampagne bereut. Bei den Verlagen mussten wir das Feedback aktiv einfordern. In einer Umfrage haben wir sie gefragt, was sie zugunsten der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unternehmen wollen. Die Antworten zeigen: Die einen machen mehr, die anderen weniger und nochmals andere gar nichts. Kurz: Alle haben noch grossen Aufholbedarf.

«Wir machen auf Probleme aufmerksam, die die Branche den Nachwuchs kosten»

Wo konkret könnten die Verlage ansetzen?
Klarere Regeln punkto Arbeitszeiten würden helfen. Wenn eine Volontärin auf der Redaktion abends immer zwei, drei Überstunden gratis leistet und dafür nur gelobt wird, ist die Botschaft klar. Hier bräuchte es bessere Kompensationsmöglichkeiten. Auch punkto Feedbackkultur gibt es viel Verbesserungspotenzial auf den Redaktionen.

Nun haben Sie im Vorstand ein Manifest dazu erarbeitet. Was soll dieses bewirken?
Wir wollen den Finger auf die Wunden der Branche legen. Die Zukunft des Journalismus liegt uns am Herzen. Wir sind die Zukunft der Branche. Darum wollen wir mit anpacken, dass wir auch in 30 Jahren noch in dem Beruf arbeiten können.

Was verlangen Sie von den Verlegern und Chefinnen der Branche?
Wir haben kein Forderungspapier erstellt. Wir machen nur auf Probleme aufmerksam, die die Branche den Nachwuchs kosten. Das sind zum Beispiel fehlende oder zu teure Ausbildungsplätze. Viele Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger können sich die Ausbildung nicht mehr leisten. Darunter leidet am Schluss auch die Diversität in den Redaktionen. Volontariate sollten angemessen bezahlt sein. Und Sexismus am Arbeitsplatz ist ein No-Go.

Wie gross ist denn das Nachwuchsproblem der Branche wirklich?
Für konkrete Angaben müssten Sie beim MAZ oder der ZHAW nachfragen – aber wir hören von immer weniger Anmeldungen bei den Ausbildungsstätten. Von den Redaktionen hört man, dass es schwierig ist, eine Praktikumsstelle mit geeigneten Personen zu besetzen. Die Attraktivität des Journalismus hat in den letzten Jahren stark gelitten. Zudem haben viele Verlage Praktikum- oder Volontariatsstellen weggespart. Gerade Praktika sind für den Einstieg in den Journalismus aber besonders wichtig.

«Die Vorlage unterstützt die Aus- und Weiterbildungsbereich in unserer Branche massiv»

Die Mental-Health-Kampagne hat auch kritische Reaktionen ausgelöst.
Das Gejammer der Snowflake-Generation, ich weiss. Ich kann solche Stimmen nicht mehr hören. Solche Leute sollten besser offen sein und richtig zuhören. Wir liefern konstruktive Vorschläge und helfen mit, die Probleme der Branche anzupacken.

Ihr Verein setzt sich für ein Ja zum Medienpaket ein. Die Vorlage ist auch unter Journalistinnen und Journalisten umstritten. Wie war die interne Diskussion dazu?
Für uns war das Ja glasklar, denn letztlich kommt es dem journalistischen Nachwuchs zugute. Die Vorlage unterstützt den Aus- und Weiterbildungsbereich in unserer Branche massiv. Lassen Sie mich ein Beispiel machen: Der MAZ-Diplomlehrgang kostet heute rund 28’000 Franken. Danach müssten Verlage und Volontäre wohl nur noch für etwa ein Viertel davon aufkommen. Das würde vielen Jungen den Einstieg in die Branche ermöglichen – auch ohne dickes Portemonnaie. Und Medienhäuser – gerade kleinere in den Regionen – könnten sich die Ausbildungsplätze leisten. Eine qualitativ hochstehende Grundausbildung im Journalismus ist unerlässlich.

Für die Zukunft wünschen Sie sich laut Manifest «innovative Geschäftsmodelle» und «unabhängigen Journalismus». Subventionen würden Innovationsgeist lähmen und abhängig vom Staat machen, so die Gegner vom Medienpaket.
Diese besagte Abhängigkeit vom Staat sehen wir als absoluten Humbug an. Der Journalismus hat in den letzten Jahrzehnten unabhängig funktioniert, trotz indirekter Förderung. Gerade in der Pandemie haben die Medien bewiesen, dass sie deshalb nicht zu Staatsmedien werden. Aber ganz generell erhoffe ich mir, dass der Spardruck auf den Redaktionen durch das Ja zurückgeht.

«Leider sind die Arbeitsbedingungen im Mediengesetz nicht erwähnt»

Sie denken, aufgrund der Medienförderung nimmt der Druck auf den Redaktionen ab?
Ich hoffe sehr fest, dass das Auswirkungen darauf haben wird und den Redaktionen mehr Luft gibt. Leider sind die Arbeitsbedingungen im Mediengesetz nicht erwähnt.

Wie sieht es bei Ihnen im Verein aus: Kämpfen auch Sie mit Nachwuchsproblemen?
In den letzten Jahren sind wir tendenziell eher gewachsen, obschon wir pandemiebedingt eine Stagnation feststellten. Das hat aber auch mit dem maximalen Mitgliedsalter von 30 Jahren zu tun. Wir zählen zurzeit rund 400 Mitglieder – dazu zählt der 15-jährige Redaktor einer Schülerzeitung genauso wie die SRF-Korrespondentin. Der Grund für das steigende Interesse an unserem Verein ist wohl unser Veranstaltungsangebot und unsere Datenbank mit offenen Praktika und Volontariaten. Auch unser Presseausweis ist sehr gefragt.



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Kommentare

  • Jean-Pierre James Elsener, 09.02.2022 11:50 Uhr
    Ziemlich vermessen von Herrn Scheiber zu behaupten, dass die Medien keine Staatsmedien seien und dies gerade in der Pandemie bewiesen hätten. Die Medien sind die grossen Mitschuldigen am Schlamassel, welches die Politik sekundiert von den meisten Publikationen (on- wie offline) angerichtet hat. Wenn ich mir die Anweisungen von Marc Walder von Ringier anhöre, ist es an der Zeit die gesamte Medienbranche dem harten Wind des wirklichen Wettbewerbs auszusetzen und jede Form von Subvention ersatzlos zu streichen. Die horrenden Beitrage, welche den Jungen abverlangt werden, um eine Journalisten-Ausbildung zu absolvieren, sind noch einmal Beweis, dass es den Medien in der Schweiz wegen der Staatshätschelei viel zu gut geht. Denn sonst müssten die Verlage in die Hosen und ihren Nachwuchs wirklich auch ausbilden und es nicht einfach den Jungen überlassen, sich eine Schulausbildung zu finanzieren.
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