09.02.2023

Indiskretionsaffäre

Christian Dorer spricht von einer «schwierigen Zeit»

«Kommunikation und Vertrauen» war das Thema des Communication Summit vom Dienstag. Auch Blick-Superchefredaktor Christian Dorer diskutierte vor 150 Gästen mit. Es entbrannte eine Debatte über die Corona-Leaks, Alain Bersets Ego und den Einfluss von Medien-CEOs.
Indiskretionsaffäre: Christian Dorer spricht von einer «schwierigen Zeit»
«Uns war damals bewusst, dass wir als grosser Medientitel eine Verantwortung tragen»: Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe, am Communication Summit. (Bild: zVg)

Nach zwei Jahren Pandemiepause haben die Zürcher PR Gesellschaft und der Zürcher Presseverein am Dienstagabend zum Communication Summit an der ETH Zürich geladen. SRF-Moderator Reto Lipp führte durch die Podiumsdiskussion, die die Fragen aufgriff: Wem können wir noch glauben? Wie hat die Pandemie das Vertrauen in die Kommunikation verändert? Es diskutierten Monika Bütler, Ökonomin und Task-Force-Mitglied, Michael Hermann, Politikwissenschaftler, Gerd Scheller, Siemens-CEO, und Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.

Vor allem durch den Gast aus dem Hause Ringier hat das Panel in den letzten Wochen nochmals kräftig an Aktualität gewonnen. Dorer trat wegen einer Operation an der Achillessehne mit Krücken vor die rund 150 Leute im Saal. Lipp lenkte die Diskussion ziemlich rasch auf die Indiskretionsaffäre und sorgte mit spitzen Bemerkungen regelmässig für Schmunzeln im Publikum.

Die Vorwürfe hätten die Redaktion schwer getroffen, sagte Dorer und platzierte die Botschaft: «Wir brauchen keinen CEO für Primeurs.» Lipp fragte nach, wie häufig er vor dem Wirbel um die Corona-Leaks als Chefredaktor mit Ringier-CEO Marc Walder in Kontakt gestanden habe. «Wir reden regelmässig miteinander. Aber es entspricht nicht den Tatsachen, dass es eine solche Standleitung gab.» Lipp müsse Marc Walder fragen, was er für Kontakte pflege. Er selbst könne nur für die Redaktion sprechen.

Walder-Video war «schädlicher»

Monika Bütler, die in der Pandemie als Wissenschaftlerin in der Task Force sass, äusserte sich zu den damaligen Medienberichten: «Wir waren immer überrascht, wenn Journalisten etwas schon vor uns gewusst haben», sagt sie. Im Gegenzug sei die Task Force für ihre Kommunikation harsch kritisiert worden.

«Ich war überzeugt, dass das Thema wieder versandet», sagte Politikwissenschaftler Hermann, und erklärte: «Wenn man einen Skandal nicht in zwei Sätzen erklären kann, geht er keine langen Wege.» Er weist auf seine Umfrage in Zusammenarbeit mit der NZZ am Sonntag hin, wonach rund drei Viertel der Bevölkerung finden, Berset müsse nicht zurücktreten (persoenlich.com berichtete).

Lipp brachte ein, dass diese Indiskretionen Sand in die Mühlen von Verschwörungstheoretikern seien. Hermann: «Dafür war das Walder-Video schädlicher.» Der Politikwissenschaftler spricht auf ein Video an, in dem Walder wörtlich sagte: «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung …›»

Hier brachte sich Dorer ein und verteidigte den Kurs der Corona-Berichterstattung: «Uns war damals bewusst, dass wir als grosser Medientitel eine Verantwortung tragen». Medien hätten eher die Tendenz, zu über- und nicht zu untertreiben. In der Pandemie jedoch sei die Realität so verrückt gewesen, dass man keinesfalls einen draufsetzen wollte. Er fügte an: «Wir haben uns deshalb für einen verantwortungsvollen Kurs eingesetzt.» Er gab auch zu: «Natürlich haben wir in den letzten drei Jahren auch Fehler gemacht. Aber nicht jene, die uns jetzt vorgeworfen werden.»

«Es kann sein, das Berset nicht alles wusste»

Lipp ging nochmals auf Berset ein: Warum der Bundesrat und sein Kommunikationschef bei all dem Lob damals meinten, sie müssten die Berichterstattung beeinflussen, fragte er. «Bei Herrn Berset gibt es ein Eitelkeitsproblem», sagte Hermann. Er könne nicht genug schlucken von positiver Berichterstattung.

Nun kam der Siemens-CEO zu Wort. Lipp wollte von ihm wissen, ob es aus seiner Sicht sein könne, dass Berset nichts von den Handlungen seines Kommunikationschefs gewusst habe. Seine Antwort war klar: «Ich glaube, es kann schon sein, dass Alain Berset nicht alles wusste. Bei der Siemens versuchen wir eine Vertrauenskultur zu pflegen, und nicht alles wird abgesegnet.»

Dorer musste auf die Frage antworten, ob Berset in einem Jahr noch Bundesrat ist. «Ich denke eher nicht», sagte er. Berset habe zwar in einem Interview gesagt, dass er wieder antreten werde. Doch er sei jetzt schon zwölf Jahre im selben Departement. Und dass er dieses nun nicht gewechselt habe, sei auffällig. «Ich vermute, Berset plant, nicht mehr anzutreten.»

Zum Schluss bezeichnete Lipp Dorer potenziell als «grossen Gewinner» der Affäre: «Jetzt hast du keine Telefonanrufe mehr von Marc Walder auf die Redaktion.» Dorer sagte: «Intern war es eine schwierige Zeit. Ich denke es hat viele Vorteile, wenn der CEO eines Medienunternehmens ein ehemaliger Journalist ist.» Als Chefredaktor habe er sich überhaupt nicht eingeschränkt gefühlt von Marc Walder, geschweige denn, Aufträge entgegennehmen müssen.

Im Hinblick auf die aktuellen Sexismusvorwürfe der ehemaligen Magazin-Journalistin Anuschka Roshani fügte Politikwissenschaftler Hermann an: «Und die Skandalkarawane ist nun ja schon ein Medienhaus weitergezogen zur TX Group.»


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