23.03.2018

Universität Zürich

«Medien werden mit unseren Körpern verschmelzen»

«Kommunikation» statt «Publizistik»: Am Tag der Kommunikation vom Freitag wird die Umbenennung des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung gefeiert. Institutsdirektor Frank Esser über die Geschichte, den Wandel und die Zukunft der Medien.
Universität Zürich: «Medien werden mit unseren Körpern verschmelzen»
«Wir sind im Laufe der Zeit sozialwissenschaftlicher, breiter in unserem Medienbegriff und internationaler in unseren Forschungs- und Lehrthemen geworden, ohne dabei unsere lokale Bodenhaftung verloren zu haben», sagt Frank Esser, IKMZ-Direktor. (Bild: zVg.)

Herr Esser*, Sie haben bei Ihrem Institut «Publizistikwissenschaft» durch «Kommunikationswissenschaft» ersetzt, also IKMZ statt IPMZ. Ist Publizistik Schnee von gestern?
Während mit «Publizistik» vornehmlich die einseitige Aussendung von Massenbotschaften via traditioneller Medien assoziiert wurde, steht «Kommunikationswissenschaft» für ein umfassenderes Verständnis vielfältiger medienbasierter Interaktionsformen, wie sie in der heutigen Multi-Kanalumgebung alltäglich geworden sind. Der alte Name IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung hatte uns 20 Jahre hervorragend gedient, aber sein Haltbarkeitsdatum war erreicht. Der neue Name IKMZ – Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung wird den am Institut bearbeiteten breiten Forschungs- und Lehrgegenständen einfach besser gerecht. Er ist Ausdruck für ein sich gewandeltes fachdisziplinäres Selbstverständnis.

Wie wird die «Umtaufung» gefeiert? Mit einem Kuchen und 115 Kerzen?
Es wird eine maritime Umtaufung geben mit stilechtem Kapitän, prominenter Taufpatin, Sektflasche und Schiffsbug sowie einem unterhaltsamen Spektakel rundherum.

Seit 115 Jahren gibt es das Fach Kommunikationswissenschaft an der Uni Zürich. Wie haben sich die Inhalte verändert?
Es war immer eine grosse Stärke des Instituts, sich beständig mitgewandelt zu haben. 1903 wurden wir als Journalistisches Seminar gegründet, dann erfolgten Umbenennungen in Publizistisches Seminar (1973), Seminar für Publizistikwissenschaft (1983), Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung (1997) und nun zu IKMZ. Wir sind im Laufe der Zeit sozialwissenschaftlicher, breiter in unserem Medienbegriff und internationaler in unseren Forschungs- und Lehrthemen geworden, ohne dabei unsere lokale Bodenhaftung verloren zu haben. Einschlägige Rankings weisen uns in der vorderen Spitzengruppe europäischer Institute für Kommunikation und Medien aus.

Und wie haben sich die Medien in dieser Zeit gewandelt?
Medien haben wir früher meist als soziale Organisationen verstanden, in denen professionell ausgebildete Experten in Journalismus, Werbung oder PR mit der Schaffung und Verbreitung von massenhaft ausgesendeten Botschaften betraut waren – sie bestimmten fast monopolhaft die veröffentlichte Meinung.

Und heute?
Heute zählen zu Medien auch technische Plattformen, die von der Vernetzung organisierter und nichtorganisierter Kommunikatoren leben und in denen Nutzer zunehmend eine machtvolle Ko-Produzentenrolle einnehmen. Diese vermeintliche Demokratisierung geht allerdings auch mit Deprofessionalisierungstendenzen und Grenzverwischungen einher.

An einem Symposium am Freitag geht es um die «Zukunftstrends der Medienentwicklung». Wohin entwickeln sich die Medien?
Wichtige Trends sind die Digitalisierung, Personalisierung, Technisierung und Ökonomisierung der Kommunikation. Allerdings wollen nicht alle die Medienentwicklung alleine dem Markt überlassen, sondern sind an intelligenten Governance-Vorschlägen interessiert. Unsere zehn Professoren befassen sich neben der technischen Entwicklung und der ökonomischen Dynamik daher mit der gesellschaftlichen Verantwortung und dem Regulierungsbedarf, beachten dabei aber auch die zunehmende Vernetzung und internationale Dimension – und klären Medienkonsumenten über potentielle Wirkungen sowie erforderliche Fähigkeiten und Kompetenzen auf. Damit erhalten unsere Studenten eine umfassendere Antwort auf Ihre Frage, als ich sie hier geben kann.

Wagen wir einen weiten Blick in die Zukunft: Wie sehen Medien in 115 Jahren aus?
Sie werden eng mit unseren Körpern verschmolzen sein. Momentan reden wir von Google-Brille und Apple-Watch, aber das ist erst der Anfang der Entwicklung.



* Frank Esser ist Institutsdirektor und Professor für International vergleichende Medienforschung am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich (IKMZ). Der heute 51-Jährige kam vor zwölf Jahren von der University of Missouri-Columbia nach Zürich.

Das Interview wurde schriftlich geführt.


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KOMMENTARE

Peter Eberhard
23.03.2018 09:45 Uhr
Bedeutet die Umbenennung folgerichtig, dass sich das Institut nun auch mit Unternehmenskommunikation/PR (also institutioneller, nicht kommerzieller Kommunikation) befasst? Bei zehn Professoren/innen gehe ich doch davon aus...
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