16.10.2008

Studie

So müssen Geschäftsberichte in der Zukunft aussehen

Ein Fitnessprogramm von Trimedia.

Das wichtigste Instrument in der Finanzkommunikation ist überfordert -- aber nicht hoffnungslos. Um den steigenden Anforderungen auch in Zukunft gerecht zu werden, muss sich der Geschäftsbericht der multimedialen Informationsgesellschaft anpassen und die Bedürfnisse der Zielgruppen individueller bedienen. Zu diesem Fazit kommen die Autoren der Studie zur "Zukunft des Geschäftsberichtes“; für das Forschungsprojekt der PR-Agentur Trimedia Communications in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen wurden 113 Unternehmen in der Schweiz, Deutschland und Österreich befragt.

Nach wie vor gilt der jährliche Geschäftsbericht als das bedeutendste Instrument in der Finanzkommunikation. Doch zunehmend gerät er von allen Seiten unter Druck. Die Unternehmen möchten mit ihm einerseits ihren Publikationspflichten nachkommen sowie zusätzlich ihre Strategien, Visionen, Unternehmenswerte und die Corporate Identity vermitteln. Die Nutzer hingegen verlangen nach einem übersichtlichen Nachschlagewerk, das genau ihren Bedürfnissen entspricht, seien sie Investoren, Portfolio-Manager, Analysten, Finanz- oder Wirtschaftsjournalisten oder anderweitig am Unternehmen, dessen Produkten oder Dienstleistungen Interessierte.

Insbesondere PR-Fachleute kämpfen immer mehr mit den steigenden Ansprüchen der Auftraggeber an ihre Jahrespublikation, die sich mit denjenigen der Zielgruppen immer schwieriger in Einklang bringen lassen. Mit der Verschärfung der Anforderungen -- beispielsweise durch zusätzliche regulatorische Auflagen – wächst auch bei ihnen der Bedarf nach Aufklärung und Neuorientierung. Mit der Studie zur „Zukunft des Geschäftsberichtes“ wurden nun erstmals die Erwartungen und Bedürfnisse auf beiden Seiten wissenschaftlich erhoben -- bei den Auftraggebern von Geschäftsberichten als auch bei den Nutzern.

Neue Nüchternheit statt l’art pour l’art

Grundsätzlich bestätigt die Studie den Eindruck, dass sich die Wünsche und Vorstellungen der Macher und die Ansprüche und Erwartungen der Zielgruppen voneinander entfernen. Der Kern der Problematik liegt in der Tatsache, dass der Geschäftsbericht immer mehr zum Multifunktionsinstrument wird, das allen möglichen Zielgruppen mit allen denkbaren Informationsbedürfnissen auf einen Schlag gerecht werden soll. Bildlich gesprochen hat der Geschäftsbericht Speck angesetzt und ist zu unbeweglich geworden, um die wachsenden Anforderungen noch optimal erfüllen zu können. Höchste Zeit also für eine Fitness-Analyse.

Gerade in den letzten Jahren ist aus der einst staubtrockenen Pflichtpublikation immer mehr ein Kürprogramm geworden, bei dem sich die Geschäftsberichte gegenseitig an inhaltlicher Originalität und formalen Verspieltheiten zu überbieten versuchen, um trotz sprachlicher Bleiwüste wenigstens eine gewisse optische Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch die Erkenntnisse aus der Studie legen ein Umdenken nahe; in erster Linie ist eine Rückkehr zu gepflegter Nüchternheit gefragt. Im Vordergrund steht eine sachliche und realistische Analyse der Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens und seiner spezifischen Zielgruppen. Um dem Geschäftsbericht wieder zu seiner ursprünglichen Stärke, Relevanz und Effizienz zu verhelfen, muss er entschlackt und vom Ballast überrissener Erwartungen befreit werden.

Bei der Umfrage wurden denn auch der erste visuelle Eindruck (4,08), die Ästhetik (3,90) sowie die Vermittlung der Corporate Identity (3,89) als wichtigste Faktoren bewertet. Aus inhaltlicher Sicht wurden sprachliche Verständlichkeit (4,22), Übersichtlichkeit (4,20) und Lesbarkeit (4,18) bevorzugt. Als eindeutig weniger relevant erwiesen sich demgegenüber formale Aspekte wie aussergewöhnliche Gestaltungselemente (2,28), Umfang und Gewicht (2,96) oder das Format (3,11). Das heisst nun keineswegs, dass der Geschäftsbericht zum langweiligen Telefonbuch verkommen muss. Unterhaltende Elemente sind nicht grundsätzlich tabu, sie sollen jedoch immer in einem nachvollziehbaren Zusammenhang mit der Aufgabenstellung stehen und nicht als l’art pour l’art eingesetzt werden. Oder in den Worten eines befragten Finanzjournalisten: "Wie das Ganze so daherkommt, z.B. in der Bildsprache, das interessiert mich schon auch, um einen Eindruck vom Unternehmen zu bekommen."

Andere Zielgruppen -- andere Ansprüche

Die Studie zeigt weiter, dass Geschäftberichte von den Zielgruppen mehrheitlich als Nachschlagewerk eingesetzt werden, welches sie immer dann zur Hand nehmen, wenn sie Informationsbedarf haben. Daraus ist abzuleiten, dass die Jahrespublikation eine möglichst grosse Funktionalität und Übersichtlichkeit gewährleisten muss. Die Optimierung der Nutzerfreundlichkeit mit inhaltlichen und gestalterischen Schwerpunkten soll es dem Leser ermöglichen, sich schnell und einfach durch die Inhalte zu navigieren und seine gewünschten Informationen so rasch wie möglich aufzufinden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass viele Nutzer ein durchaus inniges Verhältnis zum Geschäftsbericht pflegen, indem sie ihn etwa mit handschriftlichen Notizen und Hervorhebungen ergänzen oder Post-its anbringen.

Bei der Differenzierung der Zielgruppen lassen sich grob zwei verschiedene Typen eruieren. Einerseits die Financial Community, also Finanzspezialisten und -journalisten, die sich professionell und häufig mit einem Unternehmen auseinandersetzen, dieses also bereits bestens kennen; und auf der anderen Seite die weniger homogene Gruppe von Nutzern, die sporadisch oder auch nur ein einziges Mal nach Informationen suchen. Für erstere Adressaten steht die Vermittlung signifikanter Zahlen und harter Fakten im Vordergrund, während sich letztere tendenziell stärker für Strategien, Werte und Visionen des Unternehmens interessieren. Daraus lässt sich folgern, dass Unternehmen, die im permanenten Radar der Öffentlichkeit stehen -- u.a. börsennotierte Firmen -- eher Wert auf die Vermittlung von Facts & Figures legen, während es bei weniger bekannten Unternehmen in stärkerem Mass um weichere Faktoren wie Imagepflege oder Wertevermittlung geht.

Gute Prognosen dank Multimedialität

Wie aus der Umfrage hervorging, hat die Zukunft längst begonnen: Mehr als die Hälfte der Befragten, nämlich 52,9 %, gaben an, dass der elektronische und der gedruckte Geschäftsbericht in Zukunft von gleicher Bedeutung sein werden. 28,7 % glauben sogar, dass die elektronische Version wichtiger als die gedruckte sein wird. Zudem erweisen sich die Zielgruppen als durchaus in der Lage, gezielt die benötigten Informationen abzurufen, wobei sie die verschiedensten verfügbaren Medien und Kanäle nutzen.

Genau in der technischen Entwicklung und in der zunehmenden medialen Vielfalt liegen positive Ansätze für eine differenzierte und zielgruppenspezifische Weiterentwicklung des Geschäftsberichtes. Von Downloads, Podcasts bis hin zu Videobotschaften oder interaktiven Infografiken reicht die Palette der Möglichkeiten. Zudem gewinnt mit XBRL (Extensible Business Reporting Language) eine neue Internet-Programmiersprache immer mehr an Bedeutung. Sie macht es möglich, die Zahlen eines Unternehmens online direkt mit denjenigen von Konkurrenten zu vergleichen. In den USA bereits weit verbreitet, wird XBRL früher oder später auch bei uns zum Standard werden.

Als Fazit der Studie kann festgehalten werden, dass die Geschäftsberichterstattung immer mehr zu einer multimedialen Aufgabe wird mit dem Ziel, individuelle Informationsbedürfnisse schnell, umfassend und situationsgerecht zu befriedigen. Das sind gute Aussichten für den Geschäftsbericht, der auf diese Weise entschlackt wieder zu dem werden kann, was er eigentlich sein muss: die glaubwürdigste und auf das Wesentliche reduzierte Jahrespublikation eines erfolgreichen Unternehmens.

(Text: Martin Zahner und Prof. Dr. Miriam Meckel)



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