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Die «Bestatter» sind wieder unterwegs

Am Dienstag war wieder soweit, die mit einigen Millionen Franken von den Verlegern finanzierten Bestatter haben die neuesten Halbjahreswerte, bzw. sinkende Leserschaft ihrer Printmedien den staunenden Journalisten und Werbeauftraggebern vermittelt. Fehlt nur noch der Hinweis: «Liebe Werbeauftraggeber, investiert ja keine Werbegelder mehr in unsere gedruckten Zeitungen, viele liegen schon auf der Intensivstation und mit der aktuellen Entwicklung müssen wir wohl bald den ersten Sarg bereitstellen.»

Es ist eine Absurdität der besonderen Art, dass die Verleger sich alle sechs Monate in die eigenen Knie schiessen und die Vollstrecker samt Munition mit einigen Millionen aus den Erträgen und Rückstellungen ihrer totgeschriebenen Zeitungen finanzieren - denn andere Ertragsquellen sind noch in weiter Ferne. Journalisten wie Daniel Binswanger, sehen vor allem die Zeitungen, die ein rechtsliberales Gedankengut vertreten, bereits auf dem Weg zum Friedhof.

Für ihn sind natürlich die «Weltwoche» und die «Basler Zeitung» des Teufels und die beiden Chefredaktoren Roger Köppel und Markus Somm mit ihren Redaktionskollegen die grössten Leservernichter ihrer Titel, was er sinngemäss so via Staats-TV in einer «Club-Diskussionsrunde» zum Besten gab. Er hätte das besser nicht gesagt, denn die Leadfeder vom «Magazin» verantwortet selber mit seiner «Linksstimme» einen viel grösseren Leserrückgang als seine Hassfiguren Köppel und Somm mit ihren Titeln.

Es gibt nämlich immer weniger Menschen, die sein Gratisblatt lesen wollen - ab der Einführung der neuen Erhebungsmethode durch die Wemf, der Mach Basic 2013-2 bis zur Mach Basic 2016-1, hat er mit seinem «Magazin» in absoluten Zahlen 94'000 Leser vernichtet (13,74 Prozent) Die «Basler Zeitung» hat in der gleichen Periode lediglich 9000 Leser (7,32 Prozent) und die Weltwoche 7000 Leser (2,78 Prozent) verloren.

Eine aussagekräftige Entwicklung der exklusiven Printleserschaft sieht man nur in einem 3-Jahresvergleich, was jetzt, basierend auf der neuen Erhebungsmethode 2013 - 2016 von der Wemf zum ersten Mal darstellbar wäre – und, was zu wünschen ist, von den Medienjournalisten so auch aufgenommen wird. Halbjährliche Momentaufnahmen von Print-Leserzahlen sind genauso richtig und falsch wie die jeweiligen Abstimmungsprognosen, von dem mit einer Fliege seriös getarnten Märchenerzähler Longchamp, der sich seine Würfelspiele mit unseren Gebührengeldern finanzieren lässt.

Anstatt halbjährlich die Inquisition der gedruckten Zeitungen zu zelebrieren, soll die Wemf mit dem Geld der Verleger endlich in Total-Audience-Studien investieren, damit mindestens eine gleichzeitige Veröffentlichung des Transformations-Prozesses Print-Digitalleser gewährleistet ist. Dann würden nämlich auch die Langsamdenker schneller merken, dass fast alle Medienmarken, ob Zeitungen oder Zeitschriften, in der Summe gar keine Leser/User/Nutzer - oder was auch immer für Begriffe herumgeistern - verloren haben, zumindest keine Gratisnutzer.

Im Übrigen schreibe ich diese Empfehlungen nicht etwa aus der Position der Schwäche heraus, wie es einige Journalisten wohl bei einem BaZ-Verantwortlichen vermuten könnten. Zum Leidwesen dieser Herrschaften befindet sich die «Basler Zeitung» nämlich nicht auf der Intensivstation, sie steht wirtschaftlich auf gesunden Beinen und hat im oben erwähnten 3-Jahresvergleich zwar viele Printleser verloren, aber bedeutend weniger als andere abonnierte Qualitätszeitungen oder solche die sich dafür halten.

Und was wohl noch schlimmer ist für viele Linksdenker: die «Weltwoche» hat in dieser 3-Jahresspanne am wenigsten verloren, absolut und relativ. Redaktionelle Inhalte unter der Medienmarke «Basler Zeitung» wurden vor zehn Jahren von zirka 180‘000 Menschen gelesen, im Jahr 2016 lesen immer noch zirka 180‘000 Menschen Inhalte der Medienmarke «Basler Zeitung». Früher nur aus der gedruckten Zeitung und heute in gedruckter und digitaler Form.

Das Nutzungsverhalten der Menschen hat sich logischerweise den neuen Möglichkeiten angepasst, vor allem die der jüngeren Generationen. Die Herausforderung für alle Verleger ist es, die Transformation ihrer Leserschaft wirtschaftlich aufzufangen und Lösungen zur Monetarisierung der gesamten Leserschaft ihrer Zeitungsmarken zu erarbeiten, sowohl für den Werbe-, als auch für den Leser- und Nutzermarkt. Diesen Weg zu analysieren und Antworten zur Umsetzung zu finden, ist nach meiner Auffassung die Aufgabe der Wemf AG. Und es ist ganz sicher nicht die Aufgabe dieses Instituts, halbjährlich den Schwanengesang auf die gedruckten Zeitungen anzustimmen.

Rolf Bollmann war Mitgründer von «20 Minuten», später gehörte er der Unternehmensleitung der Tamedia an und seit 2012 ist er CEO der «Basler Zeitung».

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KOMMENTARE

André Hofer
13.04.2016 17:26 Uhr
quel plaisir de lire cet article qui reflète, oh combien !, une réalité qui nécessiterait une analyse en profondeur !
René Lüchinger
13.04.2016 11:08 Uhr
Da hast Du recht lieber Rolf. Ich finde schon lange, dass die Wempf Total-Audience-Zahlen zu veröffentlichen hat und wenn sie das nicht kann oder will, gehört sie abgeschafft.
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