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Ein grosszügiges Entgegenkommen

Edith Hollenstein

Aussergewöhnliche Zeiten erfordern aussergewöhnliche Entscheide. Dass die Chefs der TX Group sowie der vier Sub-Unternehmen Tamedia, Goldbach, 20 Minuten und TX Markets auf Boni verzichten, ist ein ermutigendes Zeichen in Richtung des Personals und ein Beispiel, wie andere Verlage diese Krise angehen können. Vor allem von Seiten der Tamedia-Belegschaft, dem TX-Unternehmen, das alle Bezahlmedien umfasst, war in den letzten Tagen starker Unmut zu vernehmen. In einem offenen Brief zeigten sich die Mitarbeitenden sehr unzufrieden mit der angekündigten Kurzarbeit und der drohenden Lohnkürzung um 10 Prozent – «trotz gleichem oder noch höherem Arbeitsaufwand», wie sie beklagten. Das muss nun nicht mehr so schwer wiegen: TX Group teilt am Freitag, exakt eine Woche nach dem Bekanntwerden der Kurzarbeit, mit, dass sie die Löhne der Angestellten auf 100 Prozent ausgleichen wird und das Personal somit trotz Kurzarbeit den gewohnten Lohn ausbezahlt bekommt.

Das ist sehr fair, wenn nicht sogar grosszügig, zumal viele Arbeitnehmende anderer Schweizer Firmen in den nächsten Wochen Lohneinbussen hinnehmen müssen. Man darf nicht vergessen: Viele andere Verlagshäuser haben den finanziellen Spielraum von Tamedia nicht. Es gibt dort in guten Zeiten keine so grossen Gewinne und auch keine Erfolgsbeteiligungen für Mitarbeitende. Für TX-Mitarbeitende ändert sich nun also vererst wenig, bis Juli jedenfalls, denn bis dann gelten diese kurzarbeitsbedingten Lohnausgleichszahlungen.

Auch die Forderung der Tamedia-Personalkommissionen wonach auch die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat einen substantiellen Sparbeitrag leisten sollen, erfüllt TX Group. Zwar wird sie nicht bereits auf die Generalversammlung vom 3. April hin auf die Boni des Geschäftsjahrs 2019 verzichten, wie etwa von der Gewerkschaft Syndicom gefordert. Sondern auf allfällige Boni im laufenden Geschäftsjahr 2020 werden die Geschäftsleitung von TX Group sowie die Geschäftsleiter von Tamedia, Goldbach, 20 Minuten und TX Markets verzichten.

Diese Boni dürften aufgrund des drastischen Werbeeinbruchs zwar ohnehin dünner ausfallen als in den Vorjahren. Dies schmälert die Tatsache wenig, dass mit diesen am Freitag mitgeteilten Massnahmen TX Group ein wesentliches Zeichen der Wertschätzung des Mitarbeiterengagements zeigt. 

Tamedia, oder TX Group als grösstes privates Schweizer Medienhaus, hat bei vielem Signalcharakter für die ganze Branche. So auch bei diesem Schritt, denn es ist anzunehmen, dass in punkto Kurzarbeit und der konkreten Ausgestaltung viele grosse und kleine Schweizer Verlage ähnliche Pläne ausarbeiten.


Edith Hollenstein ist Redaktionsleiterin von persoenlich.com

 

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Kommentare

  • Niklaus Herzog, 30.03.2020 17:29 Uhr
    "Ein grosszügiges Entgegenkommen" ?? Da habe ich meine liebe Mühe, Frau Hollenstein. Zunächst einmal befremdet es sehr, dass ausgerechnet der am besten verdienende Medienkonzern in der Schweiz als erster Kurzarbeit anmeldet. Vor allem aber: Wenn die TX Group trotz Kurzarbeit weiterhin den vollen Lohn zahlen will, bedeutet dies, dass dieses Unternehmen offensichtlich noch sehr liquide ist, also per se eigentlich keinen Grund hätte zur Einführung der Kurzarbeit. Und Kurzarbeit heisst, dass der Staat meines Wissens 80 Prozent jenes Lohnanteils übernimmt, den das Unternehmen selbst nicht mehr auszahlt - eben weil von der Kurzarbeit betroffen. Im Klartext: TX Group zahlt weiterhin den vollen Lohn, lässt diesen aber vom Staat bzw. Steuerzahler berappen. Da ist das Amt für Arbeit und Wirtschaft gefordert (Stichwort: "Verdacht auf Rechtsmissbrauch").
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