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Hat Steve Jobs beim iPhone einen Fehler gemacht?

Ferdinand Dudenhöffer

Was wäre, wenn Steve Jobs das erste iPhone am 9. Januar 2007 auf der Macworld Conference in San Francisco nicht nur mit Touchscreen-Technik, sondern zusätzlich mit Tasten angeboten hätte? Hätte er dann nicht den doppelten Verkaufserfolg erzielt? Für Touchscreen-Liebhaber und die Tasten-Freunde? Über diese Fragen scheinen die BMW-Ingenieure bei der Entwicklung des neuen Flaggschiffs, dem Siebener, lange nachgedacht zu haben. Das Resultat haben die Münchner Mitte April vorgestellt: Touchscreen plus Tasten – eine Lösung, die jeden Verkäufer glücklich macht und vielleicht beim ein oder anderen Markenstrategen Stirnrunzeln auslöst.

Die Autowelt ändert sich fundamental. Null-CO2 und Elektroantrieb heisst das neue Paradigma. Weg vom Diesel, der mit vielen negativen Nachrichten und Skandalen belastet ist. Weg vom Plug-in-Hybrid, der oftmals als Mogelpackung angesehen wird. Und was macht BMW mit seinem Flaggschiff für die nächsten acht Jahre? Von allem ein bisschen, weder Fisch noch Fleisch, alles für jeden – also Diesel, Plug-in, Benziner in den USA oder China und ein bisschen auch mit Stecker, also vollelektrisch. Das Flaggschiff kommt als Kompromiss daher. Damit kann es nicht die Vorteile der sogenannten Skateboard-Plattformen bieten, wie etwa die kompaktere Raumausnutzung, das bessere Gewicht, sondern hat eine Kombinationsplattform, bei der man beliebige Motoren einsetzen kann. Ist das «Freude am Fahren»?  

Wer im Markengeschäft erfolgreich sein will, braucht eine glasklare Positionierung. Die hatte BMW lange mit dem «etwas enger geschnittenen Massanzug». Ein Flaggschiff soll Innovationsfähigkeit zum Ausdruck bringen und bündig mit der neuen Welt zu 100 Prozent assoziiert werden. Jetzt hat man einen Mix aus der «alten Welt», sprich dem Diesel, und der «neuen Welt». Ist das glaubhaft? Könnte es sein, dass Tesla mit seiner präzisen, schnörkellosen Ausrichtung besser überzeugt? Oder Mercedes mit seinen neuen «electric only» Flaggschiffen, dem EQS und EQS SUV? Oder Porsche mit dem Taycan oder Polestar oder die jungen wilden Chinesen wie NIO, XPeng. «Electric only» lautet dort die Strategie. Das ist alles andere als «weder Fisch noch Fleisch». Wir sollten nicht die Verkäufer glücklich machen, sondern den Käufer in den Mittelpunkt stellen, und das bedeutet, dass man auch seinen Werten die höchste Bedeutung beimisst. Moderner Luxus ist Nachhaltigkeit und Komfort zum Quadrat – Hochwertigkeit im wahrsten Sinne des Wortes. Unsere gesellschaftlichen Werte liegen abseits von Diesel-Emissionen.  

Mächtig soll der neue Siebener daherkommen. Der Spiegel titelte – «Filigran wie ein Backstein». Mächtigkeit betont BMW mit einem übergrossen Grill, einem klassischen Merkmal aus der «alten Welt» der Verbrenner. Dort brauchte man den grossen Kühler und damit den Grill, um den Verbrennungsmotor nicht zu überhitzen. Beim Elektroauto ist er Attrappe. Eine wuchtige Attrappe, die Stadtbewohnern, Kindern, Radfahrern und Fussgängern Angst einflössen kann. Eine Attrappe, die eher Aggressionen schürt, statt Assoziationen mit modernem Luxus zu wecken. Die neue Welt der Mobilität ist emotional, aber auf eine leisere Art, so wie das Tesla, Polestar und andere zum Ausdruck bringen. Dynamik ist Emotion und die bringt Tesla etwa mit seinem Model 3 Performance in leiser Form zum Ausdruck. 

Besonders stolz ist man in München auf einen ausklappbaren Bildschirm, der die hinteren Sitze in eine Art Kino verwandelt. Tönt gut, aber wie praktikabel ist das für eine fahrerorientierte Oberklasse-Limousine? Und, wie viel kommuniziert man heute auf Smartphones statt etwa auf grossen TV-Bildschirmen? Geblieben ist der berüchtigte und betagte Druck-Drehknopf, der erstmals im Jahr 2001 beim 7er BMW zum Einsatz kam und anfangs bei manchem Fahrer für Verwirrung sorgte. Auch im neuen 7er BMW bleibt es beim Druck-Drehknopf: Touchscreen- und Tasten-Technik gleichzeitig. Hoch spannend wären Ankündigungen zum autonomen Fahren gewesen. In China und USA lösen solche Innovationen grosse Aha-Effekte aus. Dazu ist in den Presseberichten zum neuen BMW-Flaggschiff wenig zu finden.

Elon Musk und Steve Jobs scheint viel zu verbinden. Beide wollten Innovationen und Emotionen pur und eben nicht die Verkäufer dieser Welt glücklich machen.   


Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research in Duisburg: www.car-future.com.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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