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Christian Beck

Halbzeit bei «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert». Am Freitagabend wird die vierte Episode auf TV24 ausgestrahlt, diesmal mit Mundart-Sänger Ritschi im Mittelpunkt. Für mich ist jetzt schon klar: Eine zweite Staffel ist absolute Pflicht. Die Gründe.

ritschi

Es geht um Musik. Bei «Sing meinen Song» treffen sieben Sängerinnen und Sänger aus den verschiedensten Genres aufeinander. Die mal mehr oder weniger bekannten Songs der Musiker werden dabei völlig neu interpretiert. Die Zuschauer erfahren viel über die Beweggründe, die ursprünglich zu einem Lied geführt haben, aber auch, welche Überlegungen hinter der neuen Coverversion stecken. Es ist ein Kulturaustausch sondergleichen. Der Rocksänger setzt sich mit Schlager auseinander, der Latinostar singt Schweizerdeutsch und aus einem melancholischen Stück wird plötzlich ein knallharter Rap. Musik kennt eben keine Grenzen. Und ganz nebenbei produziert CH Media so über 40 neue alte Songs. Die dazugehörige Doppel-CD stieg am Mittwoch übrigens bei den offiziellen Schweizer Album-Charts direkt auf Platz 5 ein.

«Sie sind Menschen mit einem Rucksack»

Es geht um Menschen. Seven, Francine Jordi, Stefanie Heinzmann, Steff La Cheffe, Marc Storace, Loco Escrito und Ritschi – sie alle sind uns auf irgendeinem Radio- oder TV-Sender schon mal begegnet. Die sieben Sängerinnen und Sänger lassen in «Sing meinen Song» teils tief blicken und geben viele Details aus ihrem Privatleben preis. Wer sich für andere Menschen interessiert, kommt hier auf seine Kosten. Es ist ein bisschen wie beim «Dschungelcamp», wo vor allem C-Promis am Lagerfeuer ihr Leben Revue passieren lassen. Wie bekannt die Dschungelstars nun tatsächlich sind, tut eigentlich gar nichts zur Sache. Sie sind Menschen mit einem Rucksack. Diesen öffnen sie im Laufe des Formats und lassen andere daran teilhaben. Genauso bei «Sing meinen Song». Dabei entscheidet jeder Künstler selber, wieviel er von seinem Leben preisgeben will.

Es geht um Respekt. Bei «Deutschland sucht den Superstar» steht Effekthascherei im Mittelpunkt. Die Teilnehmer des Castingformats entscheiden oft nicht mehr selber, was von ihnen offenbart wird. Singt eine gut, wird sie hochgelobt. Sieht eine gut aus, wird sie mit schlüpfrigen Sprüchen übersäht. Hat einer Freude am Singen, aber fehlt ihm eigentlich das Talent dazu, kriegt er es in aller Deutlichkeit zu hören. Je peinlicher, desto besser für die Quote. Schadenfreude ist Teil des Konzepts. Nicht so bei «Sing meinen Song». Hier sind die sieben Musikerinnen und Musiker unter ihresgleichen und begegnen dem Schaffen der anderen mit Würde und Respekt. Klar, hin und wieder mal eine kritische Anmerkung würde es schon vertragen. Aber es funktioniert auch ohne. Schliesslich lässt sich über Geschmack ja gar nicht streiten. Jeder hat seinen eigenen. Und entdeckt vielleicht durch die Sendung einen anderen Geschmack, den man so noch gar nicht kannte.

«Nicht selten kullern dabei Tränen»

Es geht um Gefühle. Kann sein, dass die Geschichten, welche die Sängerinnen und Sänger über sich erzählen, manchmal gut vorbereitet sind. Ebenso gut vorbereitet sind die Coverversionen, die am jeweiligen Abend vorgetragen werden. Monatelang haben die sieben Teilnehmer der ersten Staffel im stillen Kämmerlein umgeschrieben, umgetextet, geschliffen. In Gran Canaria tragen sie ihre Version dem jeweiligen Star des Abends zum ersten Mal vor. Nicht selten kullern dabei Tränen. Das ist keine Schauspielerei, das sind echte Gefühle. Lässt man sich auf die Sendung ein, kann es gut sein, dass auch vor dem Bildschirm die Augen feucht werden. Am Freitagabend gibt es gleich mehrere Chancen dazu.

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Kurz: «Sing meinen Song» hat alles, was es für eine gute Unterhaltungsshow braucht. Genau das und nicht mehr. Kein Publikum, keine Jury, nur Sängerinnen, Sänger und ihre Musik. Zudem, und das hätte man dem CH-Media-Sender TV24 vermutlich so gar nicht zugetraut, kommt die Show überhaupt nicht «handglismet» daher. «Sing meinen Song» wurde mit einem riesigen personellen, zeitlichen und technischen Aufwand hochprofessionell produziert. Und das ohne einen einzigen Gebührenfranken, sondern nur mit Sponsorengeldern. Und dem Willen, in die Schweiz ein TV-Format zu importieren, das es verdient hat, gesehen – und vor allem gehört – zu werden. «Sing meinen Song» empfinde ich als eine echte Bereicherung – sowohl für die Zuschauer wie auch für das Schweizer Musikschaffen.



Christian Beck ist Redaktor bei persoenlich.com.

Lesen Sie hier weitere Artikel über «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert», darunter auch die Serie direkt aus Gran Canaria.

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