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Was sich rund um Politkampagnen verändert hat

Louis Perron

In keinem Land wird so viel gewählt und vor allem abgestimmt wie in der Schweiz. Oft werden intensive Kampagnen lanciert und es wird dabei zuweilen eifrig debattiert. Seit mehr als zehn Jahren unterrichte ich am Institut für Politikwissenschaften an der Universität Zürich einen Blockkurs in politischem Marketing. Es ist ein guter Anlass, darüber zu reflektieren, wie sich Kampagnen während der zehn Jahre verändert haben.

Ich nehme es gleich vorweg: die strategischen Grundprämissen für erfolgreiche Kampagnen haben sich nicht verändert. Was Joseph Napolitan vor einem halben Jahrhundert über erfolgreiche Kampagnen gesagt hat, stimmt nach wie vor:

Es gibt drei einfache Schritte, jede Kampagne zu gewinnen: 1) entscheiden, was man sagen will, 2) entscheiden, wem und wie man es sagen will, 3) sagen, was man sagen will.

Der Kontext, in welchem Kampagnen stattfinden, hat sich hingegen sehr wohl verändert. Ich habe ganze Fokusgruppen lang damit verbracht, dass Wählerinnen und Wähler ihren Medientag beschrieben haben. Fazit: Das Medienkonsumverhalten ist sehr viel diversifizierter geworden. Die Leute konsumieren News zunehmend non-Stopp und aus diversen (lokalen, nationalen und internationalen) Quellen. Vorzugsweise entsprechend der eigenen politischen Denkweise gefärbt. Kampagnenteams müssen sich anpassen und auf der ganzen medialen Klaviatur spielen.

Die öffentliche Meinung ist volatiler geworden. Selbst Abstimmungen gewinnt zunehmend diejenige Seite, welche ihr Lager besser erreicht und mobilisiert. So resultiert ein Volksmehr für die linke Konzernverantwortungsinitiative und wenig später fällt das CO2-Gesetz durch. Keine Partei kann auf loyale, treue Wähler zählen – schon gar nicht auf solche, die jünger als 40 Jahre alt sind.

Der Begriff Fake News wird zuweilen falsch und als Schlagwort verwendet, für die Auseinandersetzung in der Demokratie ist die Entwicklung aber eine echte Herausforderung. Wir diskutieren zunehmend nicht mehr Meinungen, sondern streiten über die Richtigkeit von Fakten.

Das Vertrauen in die Demokratie, die Medien und in die Institutionen hat abgenommen – noch viel stärker in den USA und in Lateinamerika, aber auch bei uns. Es ist heute einfacher, sich über die sozialen Medien Gehör zu verschaffen oder sich zu einem politischen Akteur aufzubauen. Und die Instrumente für eine professionelle politische Kommunikation sind heute leichter zugänglich denn je (oder wären es zumindest).


 

Louis Perron ist Politologe und Politberater. Er unterrichtet politisches Marketing an der Universität Zürich.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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