04.11.2019

Webrepublic

«Das Revolutionäre ist ein Teil unserer DNA»

Vor zehn Jahren gründete Tom Hanan die Digitalmarketingagentur Webrepublic. Mittlerweile ist sie die grösste im deutschsprachigen Raum, die keinem Netzwerk angehört. Ein Gespräch über das erfolgreiche Zusammenspiel von Kreativität und Technologie.
Webrepublic: «Das Revolutionäre ist ein Teil unserer DNA»
«Meine Freunde haben damals den Kopf geschüttelt und mir geraten, bei einer grossen Firma als Chief Digital anzuheuern»: Tom Hanan gründete vor zehn Jahren die Digitalagentur Webrepublic. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Hanan, Sie haben Webrepublic unmittelbar nach der Finanzkrise gegründet. War dies nicht der denkbar schlechteste Zeitpunkt? (Lacht.) Diese Frage ist berechtigt. Meine Freunde haben damals nur den Kopf geschüttelt und mir geraten, bei einer grossen Firma als Chief Digital anzuheuern. Für mich hingegen stimmte das Timing für diesen Schritt. Da ich zum damaligen Zeitpunkt noch keine eigene Familie hatte, konnte ich das Risiko auf mich nehmen. Die Finanzkrise war vielmehr eine zusätzliche Challenge, eine Firma zu gründen. Sollte es uns in einer solch schwierigen Zeit gelingen, Kunden zu gewinnen und ein Geschäft aufzubauen, dann würde das Businessmodell funktionieren.

Was gab den Ausschlag, sich selbstständig zu machen?
Ich war bei Google in Zürich während der Anfangsjahre für das Agency-Business zuständig und habe die grossen Netzwerke betreut. Damals realisierte ich, dass das Verständnis fürs digitale Marketing in der Agenturlandschaft viel zu wenig datengetrieben war. Dies, obwohl die Informationen eigentlich vorhanden gewesen wären. Für viele Kunden stellte aber der effiziente und optimale Gebrauch dieser Daten ein echtes Bedürfnis dar. Dabei reifte die Idee, die Ambition, eine Agentur zu gründen, die eine Passion für Daten hat und diese in effizientere Kampagnen übersetzen kann. Mit einem roten Stern in unserem Logo wollten wir den revolutionären Charakter dieses Ansatzes und Versprechens hervorheben.

«Richtig wahrgenommen wurden wir aber, als wir Migros als Kunden gewonnen hatten»

Inwieweit spielt das Revolutionäre bei Webrepublic heute noch eine Rolle?
Das Revolutionäre ist ein Teil unserer DNA. Damit wollen wir aufzeigen, dass wir nicht den einfachsten Weg wählen, sondern ständig nach neuen Möglichkeiten suchen. Wir verstehen uns als Sparringspartner unserer Kunden. Wir beraten sie in ihren Zielsetzungen und versuchen, ihnen einen neuen Blickwinkel anzubieten. Wer eine Vogelperspektive im digitalen Marketing beansprucht, muss aber wissen, wie die einzelnen Räder ineinander hineinspielen. Da genügt es nicht, eine einzelne Kampagne betreut zu haben.

Webrepublic ist mittlerweile Mitglied von Leading Swiss Agencies. Trotzdem waren nicht alle Mitbewerber von Ihrem Markteintritt begeistert. Wann wurden Sie erstmals ernsthaft als Konkurrent wahrgenommen?
Zu unseren ersten Kunden gehörte Ifolor, ein wenig später auch Tutti. Schon bald kamen Aduno oder UPC dazu. Mit den meisten Kunden von damals arbeiten wir heute noch zusammen. Richtig wahrgenommen wurden wir aber, als wir Migros als Kunden gewonnen hatten. Sobald man als neuer Player in einen Markt drängt, der von grossen Agenturen dominiert wird, ist es entscheidend, dass man über eine klare Vision verfügt. Durch meine jahrelange Google-Erfahrung nahm man mir diese Kompetenz ab.

Spielt die Kreativität noch eine Rolle beim digitalen Marketing?
Ja, aber es ist genauso wichtig, wie und wo die ganze Werbung ausgespielt, analysiert und optimiert wird. Der Kreative muss heute im ständigen Austausch mit den Strategen und dem Analytiker sein, um die Kundenbedürfnisse besser zu verstehen. Anschliessend muss man das Ganze auch noch programmieren. Die Dynamik spielt dabei eine wichtige Rolle, sodass für jede Zielgruppe die auf sie zugeschnittenen Werbemittel ausgespielt werden.

Welchen Stellenwert nimmt dann die Kreativität bei Webrepublic ein?
Ich erinnere mich gut, wie ich damals bei den Cannes Lions die ausgestellten Plakate betrachtete oder im Festivalpalast Filme anschaute und mir dabei die Frage stellte: «So what?» Die Cannes Lions sind zu Recht die «Weltmeisterschaft der Kreativität», die ausgestellten Arbeiten grossartig und originell. Aber dies ist nach meiner Auffassung nur ein Teil von Marketing. Fast wichtiger sind heute die technischen Aspekte. Webrepublic geht das Thema anders an als viele andere Agenturen. Wir haben nicht einen Creative Director mit grossen Ideen, dafür aber eine interdisziplinäre Gilde mit Wissen über die Requirements der unterschiedlichen Plattformen. Das tiefe Verständnis von deren Eigenheiten und der Art und Weise, wie der User auf ihnen interagiert, bestimmt stark das kreative Konzept, das wir mittlerweile auch inhouse entwickeln.

Wie viele Kreative haben Sie eingestellt?
Acht Personen.

Von 170?
Ja, das ist unser Grafik-Team. Es handelt sich um Kreative, gleichzeitig müssen sie aber wissen, wie man Werbung programmiert, und das User-Verhalten kennen und verstehen. Dieses ist auf Facebook ganz anders als bei Blick.ch oder 20min.ch. Was bedeutet, dass man sich immer im Klaren sein muss, welches Format und welche Botschaft für welche Zielgruppe auf der richtigen Plattform geschaltet wird.

«Die Werbung der Zukunft soll nicht nur überraschen, sondern auch Fragen beantworten»

Braucht es dazu überhaupt noch Menschen – oder geschieht dies alles mittlerweile automatisch?
Beides. Selbstverständlich kann man die User-Gruppe, die man erreichen will, in unserem System programmieren. Am wichtigsten aber ist, dass die Botschaft, die vermittelt werden soll, auch relevant ist. Für den Auftraggeber ist entscheidend, dass diejenige Zeit, in der der User mit einer Botschaft konfrontiert wird, sinnvoll genutzt wird, selbst wenn es sich nur um wenige Sekunden handelt. Unser Ziel ist es, für unsere Kunden einen Mehrwert zu schaffen.

Das gilt für alle Medien
Ja. Der Trend bewegt sich bereits dahin, dass klassische Medien programmatisch buchbar sind, beispielsweise Billboard-Kampagnen. Die Kernfrage dabei wird sein: Wie ist das optimale Verhältnis zwischen Kreativität und Technologie?

Haben Sie eine Antwort?
Die Kreativität – und somit die Kreativagenturen – wird stark herausgefordert. Die Werbung der Zukunft soll nicht nur überraschen, sondern auch Fragen beantworten. Mittlerweile haben sich die Touchpoints der User mit den einzelnen Brands stark erhöht. Waren es früher Hunderte, so sind es heute Tausende. Um dabei überhaupt noch aufzufallen, muss eine Kampagne über alle Touchpoints hinweg optimiert werden. Nicht immer spielt dabei die Kreativität die grösste Rolle, oft ist es dann die Technik oder die richtige Analyse.


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Das komplette Interview lesen Sie in der Oktober-Ausgabe vom Magazin «persönlich». Darin spricht Tom Hanan unter anderem über seine Zeit als erster Google-Mitarbeiter in der Schweiz.

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