08.08.2012

Adobe

Verlage und Werbeagenturen im Visier

Interview mit Chief Marketing Office Ann Lewnes.
Adobe: Verlage und Werbeagenturen im Visier

Adobe, das kalifornische Softwareunternehmen, welches bislang vor allem Fotografen und Grafiker mit Kreativsoftware ausgerüstet hatte, will zu einem Fullservice-Provider für Verlage und Werbeagenturen werden. Warum diese Neupositionierung? Und macht die zunehmende Fokussierung auf Daten, die Kreativität bald überflüssig? Persoenlich.com hat sich mit Ann Lewnes, Chief Marketing Officer von Adobe, über die Neupositionierung unterhalten. Zum Interview:

Frau Lewnes, Adobe wirbt offensichtlich um die Gunst von Werbern und Marketingverantwortlichen, das Unternehmen war z.B. in diesem Jahr in Cannes äusserst auffällig präsent. Warum?

Ja, das stimmt: Wie andere Technologieunternehmen haben auch wir unsere Präsenz am Werbefilmfestival in Cannes dieses Jahr nochmals verstärkt. Wir nahmen an Panels teil, betreiben einen Infostand, an dem sich Besucher mit dem Adobe-Logo unserer Brand-Kampagne fotografieren lassen konnten. Zudem haben wir ein Social-Media-Programm rund um die Cannes Lions aufgesetzt. Ausserdem beobachtete ich in Cannes, dass die Marketingspezialisten und Werber, neue Technologien nicht mehr so kritisch beäugen, sondern sie quasi umarmen. Denn sie realisieren allmählich, wie sehr Ihnen die Technologie neue Möglichkeiten eröffnet. Aus meiner Sicht ist die Digitalisierung ein grossartiger Wandel in der Art und Weise, wie Marketing funktioniert.

Auch Adobe hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Sie bieten nicht mehr nur Software für Fotografen und Grafiker an, sondern ganze Digital-Fullservice-Pakete.

Ja, Adobe ist daran, sich zu transformieren: Wir sind kein reines Kreativ-Softwareunternehmen mehr, sondern werden zu einem Serviceprovider im Digital-Medien und Digital-Marketingbereich. Unsere Produkte halfen zum Beispiel der britischen Zeitschrift "Vanity Fair" als Digitalausgabe zu erschienen, sprich als Tablet-Version. Wir bieten neu also nicht mehr nur Software an um die Printausgabe zu gestalten, sondern weitere Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Digitalausgabe.

Können Sie das Beispiel "Vanity Fair" etwas genauer erklären?

Früher lieferten wir "Vanity Fair" verschiedene Software-Dienstleistungen. Doch heute haben wir unser Angebot ergänzt. Mit unseren Produkten kann "Vanity Fair" ihre Publikation als iPad- oder Androidversion zugänglich machen. Wir haben diese neue Software mit Analysetools ausgestattet. Man kann neu messen, wie viele Ausgaben herunter geladen werden, wie die Leser mit der Ausgabe interagieren und welche Werbung sie anschauen. Zudem helfen wir "Vanity Fair" bei der Auslieferung und bei der Umsetzung des Bezahlsystems. Ziel ist, dass wir diesen Verlagen einen Vollservice anbieten können.

Welche Angebote haben Sie im Video- und Audiobereich?

Für die Anbieter in diesem Bereich haben wir den Adobe-Media-Server. Mit dem "Adserver-Tool" bieten wir die Möglichkeit Video-Werbung zu plazieren. Zusätzlich bieten wir mit den Lösungen Adobe Primetime eine ganze Palette an Werkzeugen rund um das Thema Videoadvertising.

MTV nutzt Ihre Produkte.

Ja. Aber MTV braucht noch immer unser traditionelles Angebot: Die Kreativsoftware. Zudem messen wir für MTV den Traffic auf ihren hunderten Webseiten und auf den Social-Media-Plattformen. Dabei eruieren wir, wie viele Besucher die Seiten haben. Wir helfen MTV die Webseite zu optimieren und sie benutzerfreundlicher zu machen.

Sie als Marketingchefin von Adobe müssen die neuen Produkte von Adobe nun bekannt machen. Wie gehen Sie dabei vor?

Ja genau, wir müssen einerseits unsere bestehenden Kunden auf unsere neuen Dienstleistungen aufmerksam machen und andererseits neue Kunden gewinnen. Dafür haben wir eine breite Digital-Kampagne lanciert. 75 Prozent unserer diesjährigen Marketingausgaben fallen auf Digital-Marketing, dieser Betrag ist sehr viel höher als bei anderen Unternehmen.

Mit diesen 75 Prozent Onlineanteil will Adobe ein Vorbild sein in Sachen Digitalmarketing.

Ja genau (lacht). Aber wir wissen auch, dass sich diese Investition auszahlt. Grossartig dabei ist, dass wir unseren Impact genau messen können. Das ist doch der Traum jedes Marketingspezialisten!

Welche Zielgruppe haben Sie im Auge?

Traditionellerweise waren dies Fotografen, Grafiker und Designer. Heute, mit unserem veränderten Dienstleistungsangebot, sind es vermehrt Leute mit Führungsfunktion. Diese können in Werbeagenturen arbeiten, in Verlagen oder Marketingabteilungen. Die anvisierten Unternehmen sind die gleichen geblieben, doch heute wollen wir vermehrt Bereichsleiter oder Vorgesetzte ansprechen, die ihr digitales Marketing optimieren wollen.

Wie wichtig ist Europa für Adobe?

Europa ist wichtig, besonders die Länder in Zentraleuropa. Deutschland, Österreich und die Schweiz, also das Segment "Zentraleuropa", wie wir es intern nennen, ist ein sehr sehr grosser Teil in unserem Geschäft. Daher ist dieser Teil natürlich auch wichtig fürs Marketing.

Wie wichtig ist der schweizerische Markt im Speziellen?

Die Börsennotierung verbietet uns leider, länderspezifische Details herauszugeben. Was man sagen kann: Der Schweizer Markt ist innerhalb von Europa auch eines unserer Fokus-Gebiete. Wir haben hier ja die Firma Day Software erworben, deren Produkte rund ums Thema Web-Experience-Management (WEM) eine wichtige Komponente in unserem Portfolio bilden, insbesondere wenn es um die Themen Multichannel und Personalisierung im Zusammenspiel mit Web-Content-Management geht. Am Standort Basel arbeiten weiterhin die Entwickler an diesen Lösungen und wir haben dort auch offene Stellen im Engineering.

Die Werbe- und Mediaagenturen sollen also von Adobe profitieren, wie Sie vorhin sagten. Doch Ihre Dienstleistungen bewirken, dass es die Media- und Werbeagenturen in einigen Jahren gar nicht mehr braucht.

(lacht). Ich würde das natürlich nie behaupten! Aber, dies ist eine gute Frage. Unsere Daten führen dazu, dass Werbung noch gezielter geschaltet werden kann. Doch auch die genauesten Daten werden nie dazu führen, dass nicht doch noch menschliche Urteilskraft und Intuition nötig sind. Dies ist die neue grosse Aufgabe der Media- und Werbeagenturen. Im Grunde haben diese jetzt die grosse Chance, durch die zusätzliche Intelligenz von unseren Werkzeugen ihre Dienstleistung auszuweiten und noch effektiver zu machen.

Inwiefern besteht die Gefahr, dass diese zunehmende Fokussierung auf Daten, die Kreativität überflüssig macht?

Niemand ist der Meinung, dass Daten die Kreativität überflüssig machen. Grossartige Ideen und gute Geschichten werden immer nötig sein, denn so gewinnt man die Aufmerksamkeit der Leute. Doch durch die neuen Werkzeuge sind die Auftraggeber viel besser informiert, wie gut eine Kampagne ankommt. Hierauf kommt es an! Man kann die Wirkung viel genauer messen. Wer will solche Instrumente nicht? Die Kreativen wollen sie, die Marketingverantwortlichen wollen sie. Klar, wichtig ist, dass nicht alles automatisiert ist. Doch Kampagnenverantwortliche und Auftraggeber wollen doch wissen, ob sie mit ihrer Intuition richtig lagen! Nur wenn man die Wirkung misst, kann man sich anpassen.

Doch wenn man Kampagnen zunehmend auf die messbaren Kriterien ausrichtet, dann bedeutet dies durchaus ein Verlust von Kreativität.

Klar, in der ganzen Diskussion um Daten vs. Kreativität muss man schon beachten, dass die Daten nicht die ganze Kampagne bestimmen. Dies zu verhindern, ist die Aufgabe der Marketingexperten und Werbeagenturen. Sie müssen dafür sorgen, dass die Daten exakt und intelligent genutzt werden. Man muss die Daten genau betrachten und sie richtig bewerten.

Interview: Edith Hollenstein



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