04.06.2020

Serie zum Coronavirus

«Als sässe man auf einem Pulverfass»

Folge 58: Ariane Sommer, deutsche Autorin, Kolumnistin, Moderatorin und Model, über das Leben in Los Angeles.
Serie zum Coronavirus: «Als sässe man auf einem Pulverfass»
War Ende der 1990er-Jahre als It-Girl wegen ihres wilden Partylebens immer wieder in den Schlagzeilen: die 43-jährige Ariane Sommer. (Bild: Manfred Baumann)
von Matthias Ackeret

Frau Sommer, Sie leben in Beverly Hills, einem Stadtteil von Los Angeles. Wie erleben Sie in der Welthauptstadt des Films die ganze Coronakrise?
Dass eine der grössten, diversesten und lebhaftesten Metropolen der Welt monatelang erstarrt, war für viele ein Schock. Gerade für Menschen, die in der Filmindustrie tätig sind, einem Sektor, der in den meisten Bereichen auf Teamwork vor Ort beruht, auf persönlichem Miteinander, kam das Leben zum Stillstand. Ich habe viele Freunde, die im Entertainment-Bereich arbeiten und die mit grossen Existenzängsten zu kämpfen haben. Wenn man an Los Angeles denkt, bringt man die Stadt natürlich automatisch mit der Filmindustrie in Verbindung. Allerdings trifft die Situation, ebenso, wie im Rest der Welt, alle. Viele Menschen besinnen sich jetzt auf alternative Talente und Ressourcen, die sie haben und sind kreativ, entwerfen einen neuen Lebensplan für diese Zeit. Eine gute Freundin, beispielsweise, die normalerweise in der Gastronomie arbeitet und ihren Beruf momentan nicht ausüben kann, gibt jetzt online Yoga-Kurse. Eine Designerin produziert jetzt Masken, die sie an bedürftige Einwohner verteilt.

Nun werden die USA zusätzlich noch durch Rassenunruhen beeinträchtigt. Wie nehmen Sie dies wahr?
Durch den unfassbar brutalen Tod von George Floyd sind in den USA sehr alte Wunden erneut aufgebrochen. Erst vor einigen Wochen starb Breonna Taylor durch Polizeigewalt, zudem wurde Ahmaud Arbery von Rassisten erschossen. Der systemische Rassismus ist tief im sozialen Geflecht Amerikas verankert. Derzeit protestieren in den Städten Amerikas viele Menschen, die meisten dieser Demonstranten sind friedlich: junge und alte Afroamerikaner, weisse Amerikaner, asiatische Amerikaner, Latinos, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Leider kommt es neben den friedlichen Demos auch zu extremen Gewaltausbrüchen. Es ist hier allerdings wichtig, zwischen den Demonstranten zu unterscheiden, die ihr Grundrecht ausüben und kriminellen Elementen, die von Opportunismus getrieben sind, sowie den gut organisierten Akteuren, die gezielt Chaos verbreiten, um die politischen und gesellschaftliche Lage zu destabilisieren. Es fühlt sich in den USA derzeit wirklich an, als sässe man auf einem Pulverfass.

«Mich bedrücken die vielen Einzelschicksale»

Wie fest beeinträchtigt dies Ihr Leben?
Da ich ein eher introvertierter Mensch bin, belastet mich das Zuhausebleiben nicht so stark, wie andere in meinem Familien- und Freundeskreis. Was mich allerdings sehr bedrückt, sind die vielen Einzelschicksale jener, die körperlich, psychisch, oder ökonomisch durch den derzeitigen Ausnahmezustand zu kämpfen haben.

Sie sind Autorin und Journalistin. Hat dies auch Auswirkung auf Ihren beruflichen Alltag?
Auch vor der Krise habe ich meist von zu Hause aus gearbeitet, in dieser Hinsicht hat sich nicht viel für mich geändert. Lediglich Interviewtermine finden jetzt online statt, ebenso, wie Recherche, die ich normalerweise direkt an einer Location gemacht hätte. Auch gibt mir diese unerwartete Pause die Möglichkeit, Projekte wieder aufzunehmen, die über längere Zeit liegengeblieben waren, wie meine Online-Wellness-Plattform avap.life und einen Roman.

In den USA sind die Menschen meist positiv drauf. Ist dies momentan auch der Fall?
Wir erleben hier jeden Tag das gesamte Spektrum der Gefühle, im eigenen, persönlichen Kreis, sowie in den Medien und auf Social Media: sowohl unglaubliches Leid, Ratlosigkeit und Angst vor der Zukunft, aber auch Stärke, nach vorne schauen, Empathie und Solidarität miteinander und eine ungeheure Kreativität, diese neue Realität positiv anzugehen und zu gestalten. Generell haben Amerikaner eine «can do»-Lebenshaltung und packen an, wenn es schwierig wird, das ist in dieser Situation von Vorteil.

Was war für Sie das berührendste Erlebnis der letzten Tage?
Das war, als ich erfahren habe, dass die kleine Tochter einer Bekannten in den letzten Wochen hunderte von Päckchen mit Mal- und Bastelartikeln an Kinder in finanziell benachteiligten Haushalten geschickt hat. Über eine Spendenaktion hatte sie dazu aufgerufen, weil es ihr wichtig ist, dass alle Kinder sich diese Zeit ein wenig schöner gestalten können. Dass selbst so ein junger Mensch erkennt, dass wir gemeinsam besser und stärker sind und dass jeder etwas tun kann, hat mich sehr bewegt.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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