27.07.2022

Kulturelle Aneignung

Grosses Medienecho nach Konzertabbruch

Auch ausländische Medien berichten über eine Dreadlock-Debatte, die in Bern entstanden ist. «Dieser Aktivismus ist brandgefährlich», heisst es etwa in einem Kommentar in der deutschen Bild-Zeitung.

Der Abbruch eines Konzerts einer Mundart-Reggae-Band in Bern schlägt hohe Wellen. Grund für den Konzertabbruch waren Bedenken im Publikum, dass die weissen Bandmitglieder Dreadlocks und afrikanische Kleidung trugen und Reggae-Musik spielten. Das sei kulturelle Aneignung.

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Die Brasserie Lorraine als Veranstalterin musste harsche Kritik einstecken. Am Dienstagabend schaltete sie eine Mitteilung in den sozialen Medien auf und zeigte sich überrascht von den hohen Wellen, die der Vorfall vom 18. Juli geworfen hatte.

«Wir behaupten nicht, dass wir mit dem Abbruch des Konzertes das Richtige getan haben. Es jedoch einfach weiterlaufen zu lassen, hat sich auch falsch angefühlt. Wir könnten es auch Überforderung nennen», ist darin zu lesen.

Das Thema sei hochkomplex und sollte sich nicht in vereinfachenden Fragen wie wer darf welche Kleider und Frisuren tragen erschöpfen, so die Verantwortlichen. Sie wünschen sich eine Diskussion zu führen, «die eine saubere Analyse hervorbringt und wollen tiefer gehen und auch die einhergehenden Folgen, die der Kolonialismus hinterlassen hat in die Diskussion mit einbeziehen».

Kritiker sollen aus der Deckung kommen

Für sie sei der Konzertabbruch «ganz klar nicht angenehm» gewesen, sagte eines der Bandmitglieder dem Blick. Vor allem seien jene Leute, die Kritik geübt hätten, nicht auf die Band zugekommen. Die Band werde weitermachen wie gehabt. «Wir sind überzeugt von dem was wir machen und haben Freude daran.»

Die Band hofft, «dass wir einander respektieren» und nicht jeder nur seine Kultur vertritt. Schliesslich lebe man in einer multikulturellen Welt, was bereichernd sei.

Auch andere Künstler, etwa Soulsänger Seven, Host der TV-Sendung «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzern», äusserten sich zum Vorfall. Er bitte die Personen, die den Konzertabbruch gefordert haben, sich zu melden. «Wer bist Du? Was hat Dich gestört? Es wäre wichtig, weil vielleicht muss ich aufhören mit Soul und jeder weisse Rapper ebenfalls», postete der Schweizer Sänger auf Twitter.


Berner Tageszeitung: Etwas grotesk

Die Debatte um kulturelle Aneignung ist nicht neu, wird aber derzeit vielerorts heftig geführt. Die Debatte aus den USA sei nun auch in Bern angekommen und werde so schnell nicht verschwinden, auch wenn sie im hiesigen Umfeld etwas grotesk wirke, schrieb die neue Chefredaktorin der Tageszeitung Der Bund, Isabelle Jacobi, in einer Analyse. Zu einfach lasse sie sich aufblasen und für politische Zwecke instrumentalisieren.

Auch ausländische Medien, namentlich deutsche wie der Spiegel oder Focus berichteten über den Vorfall in Bern. «Dieser Aktivismus ist brandgefährlich», heisst es in einem Kommentar in der Bild-Zeitung. Und weiter: «Ein Konzert abbrechen, weil weisse Musiker Reggae spielen und Rasta-Frisuren tragen? Das ist nicht kultursensibel und tolerant – sondern gaga und radikal!» Wohin die Fahrt «mit solchen Rassen-Fanatikern» gehe, sei klar: «zurück ins dunkle Mittelalter».

Erst vor wenigen Monaten gab es in Deutschland einen ähnlichen Fall, als die weisse Musikerin Ronja Maltzahn von Fridays for Future ausgeladen wurde von einem Konzert, das im Rahmen einer Demonstration hätte stattfinden sollen.

Die Aktivisten begründeten die Absage mit der Frisur von Maltzahn. Dreadlocks seien in den USA ein Widerstandssymbol der Bürgerrechtsbewegung schwarzer Menschen geworden. «Wenn eine weisse Person also Dreadlocks trägt, dann handelt es sich um kulturelle Aneignung, da wir als weisse Menschen uns aufgrund unserer Privilegien nicht mit der Geschichte oder dem kollektiven Trauma der Unterdrückung auseinandersetzen müssen», schrieben die Klimaschützer. (sda/cbe)



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