04.01.2023

Speed Reading

«Lesen mit dieser Technik ist viel entspannter»

Wer die Techniken des schnellen Lesens beherrscht, kann Texte aller Art in bis zu dreimal so hoher Geschwindigkeit lesen. Trainerin Madlaina Hartmann gibt im Interview einen Einblick in das Speed Reading und dessen Vorteile – zudem sagt sie, weshalb sie nur noch beim Vorlesen langsam liest.
Speed Reading: «Lesen mit dieser Technik ist viel entspannter»
«Mit der erhöhten Lesegeschwindigkeit ist das Gehirn endlich gefordert, man ist auf den Text fokussiert und schweift gedanklich nicht mehr ab», sagt Madlaina Hartmann, Gründerin und Geschäftsführerin von Speed Reading Hartmann. (Bild: zVg)
von Tim Frei

Frau Hartmann*, die Lesezeit längerer persoenlich.com-Interviews – und damit auch von diesem – beträgt durchschnittlich rund vier Minuten. Wie lange hätten Sie dafür mit Speed Reading?
Eine Minute.

Speed Reading, wofür Sie unter dem Namen Speed Reading Hartmann Kurse anbieten, basiert auf elf Lesetechniken. Welche würden Sie für diesen Text beziehungsweise generell journalistische Texte anwenden?
Bei diesem Text lese ich pro Blick eine ganze Zeile. Dies bedeutet anstatt mit einem Blick nur ein Wort, lese ich pro Blick fünf bis acht Wörter gleichzeitig.

Gemeinsam ist den Techniken, dass das visuelle Verständnis «neu konzipiert» werde, wie Sie in einer Podcast-Folge gesagt haben. Können Sie das an einem Beispiel erklären?
Wenn die meisten Menschen auf eine vollgeschriebene A4-Seite schauen, sehen sie oftmals nur einen Durchmesser von circa fünf Zentimeter der geschriebenen Wörter klar und den Rest des Textes sehen sie verschwommen. Dies macht eigentlich keinen Sinn, denn andere Objekte sehen sie klar und deutlich. Da wir beim normalen Lesen darauf konditioniert wurden, immer nur einzelne Wörter anzusehen, hat sich das Gehirn daran gewöhnt, nur einen kleinen Bereich bei einem Text klar zu sehen und der Rest wird nur verschwommen wahrgenommen. In meinem Kurs wird das visuelle Textverständnis Schritt für Schritt wieder neu trainiert, damit die Teilnehmer in Zukunft den ganzen Text auch wieder klar sehen können. Dies ist auch nicht nur auf das Lesen, sondern auch auf das allgemein bewusstere Sehen auszuweiten und bietet den Teilnehmern einen allgemeinen Vorteil im Leben.

«Das menschliche Gehirn kann problemlos über 1000 Wörter pro Minute verarbeiten»

Sie sind nicht die Erfinderin der elf Techniken. Was ist Ihr USP? Wie heben Sie sich von anderen Speed-Reading-Anbietern ab?
Bei meiner Schulungsmethode, welche ich entwickelt habe, geht es darum, dass die Teilnehmer während des Kurses Speed Reading erlernen und auch gleich umsetzen können. Mit einer neuen Konditionierung des visuellen Verständnisses und dem Austricksen des Gehirns haben die Teilnehmer einen sofortigen Erfolg. Das Fachwissen über das menschliche Gehirn und über die visuelle physiologische sowie psychologische Verarbeitung des Sehens ist ein zusätzlicher USP von mir. Etwas möchte ich noch festhalten.

Bitte.
Meine Kurse sind sowohl für Kinder ab neun Jahren als auch für Erwachsene optimal. Deshalb haben Eltern auch die Möglichkeit, den Kurs gemeinsam mit ihren Kindern zu besuchen. Firmenkurse biete ich jeweils vor Ort in der ganzen Schweiz an und passe meinen Kurs individuell an die Bedürfnisse der Teilnehmer beziehungsweise Unternehmen an. Ich hebe mich zusätzlich durch meine jahrelange Erfahrung, meine aufgestellte Persönlichkeit und meinen Humor ab.

Kursteilnehmer sollen innerhalb eines Tages die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit fast verdreifachen können. Damit würde mehr Zeit fürs Wesentliche bleiben. Warum ist es erstrebenswert, Lesetätigkeiten möglichst schnell zu erledigen?
Das menschliche Gehirn kann problemlos über 1000 Wörter pro Minute verarbeiten. Da man sich beim normalen Lesen jedoch mit der inneren Stimme den Text vorliest, hat man ein Sprechtempo während des Lesens von durchschnittlich 200 Wörtern pro Minute. Das Gehirn ist während des Lesens stark unterfordert, da es eine übrige Kapazität von weiteren 800 Wörtern hat. Dies führt dazu, dass man gedanklich abschweift und am Schluss des Textes nicht mehr weiss, was man genau gelesen hat. Mit der erhöhten Lesegeschwindigkeit – dank Speed Reading – ist das Gehirn endlich gefordert, man ist auf den Text fokussiert und schweift gedanklich nicht mehr ab. Somit kann man sich die Inhalte des gelesenen Textes viel besser merken.

«Unstimmigkeiten in einem Text oder auch in Kalkulationen werden viel besser und schneller erkannt»

Ist es in der heutigen schnelllebigen und durch Social Media getriebenen Zeit nicht sinnstiftender, das Lesen ungestresst zu geniessen, um vom Alltagsstress abschalten zu können?
Das Lesen ist mit diesen Techniken viel entspannter. Da man beim Lesen der einzelnen Wörter sogenannte Sakkaden (Blicksprünge) für jedes einzelne Wort machen muss, ist dies für die Augen sehr anstrengend und auch ermüdend. Ebenfalls schweift man gedanklich immer wieder ab, weshalb man sich nicht gut auf den Text konzentrieren kann. Mit den Techniken werden pro Blick gleich mehrere Wörter beziehungsweise Zeilen gelesen, was eine Entlastung für die Augen darstellt. Zusätzlich kommt man in einen angenehmen Flow, wobei das Lesen sehr fliessend und angenehm wird. Bei einem Roman kann man gedanklich viel besser in die Geschichte eintauchen, was zu einem viel schöneren Leseerlebnis führt.

Funktioniert Speed Reading für jede Form der Lektüre – also egal, ob wissenschaftlicher Text, Roman, Zeitung, Korrekturlesen?
Mit den Techniken, welche man in meinem Kurs lernt, kann man diese für alle Lektüren anwenden – egal ob am Laptop, am Handy, beim Lesen eines Buches et cetera. Ebenfalls kann der Leser die Techniken und Geschwindigkeiten immer dem Text sowie der Situation anpassen. 

Können Sie ein Beispiel nennen?
Bei sehr wichtigen Textpassagen verwendet man eine langsamere Technik, damit auch Schreibfehler erkannt werden können. Bei anderen Texten kann man die Geschwindigkeit wieder erhöhen, wenn man einfach nur den ganzen Inhalt wissen muss. 

Ihr Kurs soll zeigen, dass sich die Fehlerquote durch das Speed Reading reduziere. Wie erklären Sie sich das? Eigentlich würde man bei einer erhöhten Geschwindigkeit doch das Gegenteil erwarten …
Da man gedanklich viel weniger abschweift, hat man den Fokus auf den Text, was zu einer höheren Konzentration während des Lesens führt. Ebenfalls hat man den Blick für das Ganze und erkennt Unstimmigkeiten in einem Text oder auch in Kalkulationen viel besser und schneller.

Sie werben auch damit, dass das Speed Reading die Verständlichkeit erhöhe. Es gibt aber Studien, die das Gegenteil nahelegen. Was entgegnen Sie?
Es gibt so viele verschiedene Speed-Reading-Techniken und -Methoden. Ganz klar gibt es viele Techniken, welche das Verständnis reduzieren. Mir ist es jedoch wichtig, dass die Teilnehmer nicht nur schneller lesen, sondern den Text auch besser und effizienter verarbeiten können. Deshalb lernt man bei mir im Kurs Techniken und Methoden, welche die Verständlichkeit erhöhen und nicht reduzieren. 

«Nur wenn ich jemandem etwas vorlesen muss, lese ich langsam»

«Je komplexer der Inhalt oder je umständlicher die Satzstellung, zum Beispiel mit ellenlangen Satzklammern, desto mehr stösst das Speed Reading in Sachen Verständlichkeit an seine Grenzen.» Was halten Sie von dieser These?
Bei solchen Texten ist es wichtig, dass der Leser eine der langsameren Techniken verwendet. Denn mit diesen Techniken ist man zwar langsamer, aber der Fokus auf den Inhalt und die Details ist viel grösser. Die Techniken und die Geschwindigkeit sollten immer an den Text angepasst werden, damit das Textverständnis nicht leidet und damit man auch gedanklich nicht abschweift. 

Sie haben Ihre Masterarbeit dank Speed Reading sieben Monate früher als geplant eingereicht. Welches Schlüsselereignis hat Sie eigentlich zu dieser Technik bewogen?
Durch meine hohe Lesegeschwindigkeit bin ich gedanklich nicht mehr abgeschweift und konnte mir die Inhalte viel besser merken. Dadurch war das Lernen für mich sehr einfach und ich hatte die Möglichkeit, einige der Studienfächer früher abzuschliessen. Somit konnte ich meine Masterarbeit auch früher beginnen. Meine Hypothese lautete: «Die Probanden können innerhalb eines Kurstages ihre jeweiligen Lesegeschwindigkeiten mindestens verdoppeln.» Das Ergebnis war eine knappe Verdreifachung und alle waren so von meinem Kurs begeistert, weswegen ich seit März 2018 meinen Speed-Reading-Kurs auch der Öffentlichkeit anbiete.

Können Sie heute eigentlich noch in «normaler» Geschwindigkeit lesen?
Nein, nur wenn ich jemandem etwas vorlesen muss, lese ich langsam. Aber das «normale» Lesen ist für meine Augen viel anstrengender, die Texte wirken langweilig und es fühlt sich eher mühsam an, da ich mich abgebremst fühle. 

Sie haben es eingangs erwähnt – Sie hätten eine Minute, um dieses Interview zu lesen. Wofür verwenden Sie die wenigen Minuten, die Sie durchs Speed Reading gewonnen haben?
Die Zeit, welche ich dank Speed Reading mehr zur Verfügung habe, nutze ich für meine beiden Hunde (Golden Retriever und Samojede), um mit Freunden und Familie etwas zu unternehmen, Fitness, Sport et cetera.


*Madlaina Hartmann ist Geschäftsführerin und Gründerin von Speed Reading Hartmann. Die Betriebsökonomin und Wirtschaftspsychologin unterstützt Firmen mit Speed-Reading-Kursen in der Schweiz und in Liechtenstein dabei, die Arbeitsqualität und Effizienz zu verbessern sowie die Arbeitszufriedenheit und die Work-Life-Balance der Mitarbeiter zu erhöhen.



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