05.07.2020

Neutral Zürich

«Ai Weiweis Aktionen haben Poesie und Ästhetik»

Neutral Zürich hat zusammen mit Heimat Berlin für ihre Hornbach-Kampagne zwei ADC-Goldwürfel gewonnen. Michelle Nicol und Rudolf Schürmann über ihren Erfolg, die Arbeit an der Kampagne und die aktuelle Situation auf dem Werbemarkt.
Neutral Zürich: «Ai Weiweis Aktionen haben Poesie und Ästhetik»
Ai Weiwei gemeinsam mit Michelle Nicol und Rudolf Schürmann. (Bild: Instagram/Ai Weiwei)
von Matthias Ackeret

Frau Nicol, Herr Schürmann, herzliche Gratulation Ihrer Agentur zu den beiden ADC-Gold-Würfel für die Ai-Weiwei-Kampagne. Wie haben Sie von Ihrem Erfolg erfahren?
Michelle Nicol: Danke! Zwei bronzene gab es noch als Dreingabe. Wir haben die Frohbotschaften live vom ADC-Präsidenten Frank Bodin am Donnerstagabend auf dem Camping Platz Fischer’s Fritz erfahren, als der ADC seinen traditionellen Sommerlunch abhielt.

Haben Sie Ai Weiwei bereits über den Gewinn der beiden Goldwürfel informiert?
Nicol: Noch nicht! Das wird bei einem Facetime Call am Wochenende gemacht. 

Wie kamen Sie überhaupt dazu, den berühmtesten chinesischen Dissidenten als Testimonial für Hornbach zu engagieren?
Rudolf Schürmann: Er und seine Arbeit haben sich am besten für die Kampagne Kunst für alle geeignet – er ist relevant, er behandelt die Themen unserer Zeit und er hatte auch Lust auf diese Zusammenarbeit. Seine Arbeiten und Aktionen schaffen hohe Aufmerksamkeit. Weil sie eine Poesie, Selbstähnlichkeit und Ästhetik haben, die auch die Menschen ausserhalb der Art-Bubbles interessiert. Weiwei geht selten in Museen und Ausstellungen, er liebt Do-it-yourself Centers und Buchläden. Er ist auch ausgebildeter Schreiner. Vielleicht nahm er das Hornbach-Projekt deshalb so wichtig wie seine freien Arbeiten. Ausserdem hat er auf der ganzen Welt Fans und Followers. Eine Grundvoraussetzung für positive mediale Ausstrahlung.

«Weiwei hat klar gemacht, dass er jede Aussage nur einmal macht»

Ai Weiwei propagiert ein Kunstwerk für die Leute. Konnte dieses – aufgrund der Coronakrise – überhaupt in den Baumärkten verkauft werden?
Nicol: Ja. Der Verkauf ist gut angelaufen, das Material schon bald ausverkauft. Jetzt - nach der Öffnung der Baumärkte - ist das Material zum Bau des Kunstwerks wieder für alle verfügbar.

Sie haben die Kampagne für Hornbach zusammen mit deren Agentur Heimat Berlin hergestellt. Wie verlief die Zusammenarbeit, wie war die Aufgabenteilung?
Schürmann: Die Zusammenarbeit mit Künstlern ist unsere Kernkompetenz und wir haben die Idee mit Ai Weiwei und seinem Studio entwickelt. Die Testimonial-Kampagne entstand gemeinsam mit Heimat und wurde in Berlin produziert.  Für die Video Testimonials und die Fotos für TV-Spots, Social Media, Banners, Print, Aussenwerbung, hatten wir einen halben Drehtag. Weiwei hat klar gemacht, dass er jede Aussage nur einmal macht. Die Fragen an Weiwei kamen von Neutral, Michelle stellte sie. Rudolf war bei Heimat zum Schnitt. Der Launch mit internationalen Top-Medien fand im fantastischen unterirdischen Ai Weiwei Studio in Berlin statt. 

«Wir müssen uns nur bewegen»

Ai Weiwei hat die chinesische Regierung in der Vergangenheit stark kritisiert. Wie beurteilt er momentan die ganze Coronakrise?
Nicol: Der Aktivist hat eine Serie von Gesichtsmasken kreiert, eine davon mit ausgestrecktem Mittelfinger. In Kollaboration mit eBay kamen innert eines Monats  1,432,700 USD zusammen. Das war seine Antwort auf die Pandemie. Das Geld bekamen Menschrechtsorganisationen. Die Blanko-Masken wurden übrigens bei Hornbach eingekauft. 

Wie beurteilen Sie als Zürcher Kreativagentur den aktuellen Werbemarkt?
Schürmann: Die Schweiz ist in den Innovations-Rankings zuverlässig in der Spitzengruppe. Auch in den kreativen Disziplinen Architektur, Design, Kunst spielen wir oben mit. Ecal und ZHdK sind international attraktiv. Marketing, Werbung, Identität, Branding hingegen stagnieren. Aktuell scheint der Trend hin zu Marketing- und Kommunikationsstrategien, die nachhaltiger, diverser, disruptiver, eigenständiger, emotionaler – und deshalb kreativer sind – , zu steigen. Wenn eine traditionsreiche Schweizer Privatbank sich hinter Rethink everything stellt und als COO Marketing eine Haute Couture Spezialistin von Chanel einstellt, illustriert das diesen positiven Trend. Unternehmen und Marketingverantwortliche auf Kundenseite setzen wieder vermehrt auf totale Differenzierung und Involvierung. Die Zukunft unserer Branche ist nicht in Gefahr. Wir müssen uns nur bewegen.

Gerade beim ADC ist Kreativität das Schlüsselwort. Wird dies in Zukunft überhaupt noch gefragt sein?
Nicol: Creativity matters.

Wo stellen Sie die beiden Würfel hin?
Nicol: Gute Frage.



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