11.04.2021

BAG-Kampagne

Diese Botschaft sollte die Jungen zähmen

«Sei kein Arsch!» Die Agentur Rod wollte im letzten Herbst mit einer direkteren Sprache die Jungen dazu anhalten, die Corona-Massnahmen des Bundesrates einzuhalten. Dem BAG war das aber zu heiss. «Ab und zu braucht es eine andere Ansprache», sagt David Schärer von Rod.
BAG-Kampagne: Diese Botschaft sollte die Jungen zähmen
Ein Ausschnitt aus einem Sujet einer BAG-Kampagne, die jedoch nicht realisiert wurde (Bild: SonntagsZeitung)
von Loric Lehmann

Die SonntagsZeitung erhielt, gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz, Einsicht in interne Dokumente zur Kommunikationsstrategie des Bundesamts für Gesundheit, wie die Zeitung am Sonntag berichtete. Dabei zeigte sich: Das BAG ahnte bereits letzten Sommer, dass ein Teil der jungen Bevölkerung irgendwann gegen die Massnahmen zum Schutz vor Covid-19-Infektionen aufbegehren wird.

«Dass junge Menschen statistisch diejenige Bevölkerungsgruppe darstellen, welche die geringsten gesundheitlichen Konsequenzen durch Corona zu befürchten hat, lasse sie die Massnahmen als härter empfinden als andere Bevölkerungssegmente dies tun», zitiert die SonntagsZeitung eine Studie diesbezüglich von BAG-Experten in Zusammenarbeit mit der Agentur Rod. «Die Kampagne müsse auf konkretere Zielgruppen heruntergebrochen werden, zum Beispiel auf die Jungen, und diese bei ihren Argumenten, Triggern und Befindlichkeiten abholen.»

Aus diesem Grund gestaltete die Agentur Rod daraufhin eine Kampagne mit einer direkteren Sprache, um die Jungen zu erreichen. Die Botschaften sind mit «Sei kein Arsch!» und dem Appell «den Joint nicht mehr weiterzugeben» für ein Bundesamt recht gewagt und hätten sicherlich Kontroversen ausgelöst.

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David Schärer von Rod bedauert jedoch nicht, dass das BAG die Kampagne nicht realisieren wollte: «Es ist normal, dass man mit einem Auftraggeber Optionen bespricht, das ist im Kampagnenteam des BAG nicht anders. Wir diskutieren immer sehr sorgfältig, was jetzt notwendig ist, und da muss man in Alternativen denken.»

Angesprochen auf die Veröffentlichung der Dokumente von der SonntagsZeitung sagt Schärer gegenüber persoenlich.com: «Aussergewöhnlich an der Zusammenarbeit mit den BAG ist, dass wegen dem Öffentlichkeitsgesetz Dokumente an die Öffentlichkeit kommen können. Das ist hier passiert. Aber es ist wichtig, dass wir im Kampagnenteam ohne Scheuklappen Szenarien diskutieren können, auch mit dem Risiko, dass die Dokumente später veröffentlicht werden können. Es gab gute Gründe, das erwähnte Konzept nicht zu realisieren, daher bedaure ich dies nicht.»

Die Kampagne richtet sich in einem Sujet explizit an Kiffer. War dies der Grund für die Ablehnung? «Natürlich haben wir diskutiert, ob es opportun ist, gerade weil der Absender das BAG ist. Es war ja der Vorschlag eines Sujets, das sich mit seiner Botschaft in die Lebenswelt einiger Jugendlicher einfügt. Das Konzept dieser Teilkampagne haben wir aber nicht wegen dieses Sujets angepasst, sondern um den Ton etwas weniger rigide anzuschlagen», sagt Schärer.

So entschied sich das BAG im letzten Herbst für eine andere Form der Kampagne. Nämlich jene mit der Botschaft: «Mach’s einfach!». Und laut einer Umfrage der Forschungsanstalt Sotomo kam diese Kampagne gut bei der Bevölkerung an.



Auch Schärer ist diesbezüglich zufrieden: «Es war die Zeit des schönen Sommers und der tiefen Fallzahlen. Die Spezialistinnen und Spezialisten beim BAG waren sehr beunruhigt. Es brauchte einen neuen Appell, der an das Wesentliche erinnert.»

Grundsätzlich kritisierten jedoch Experten, dass die Botschaften zu stark «top down», also von oben herab formuliert sind. David Schärer räumt ein, dass man dies so sehen könne. «Ich bin aber überzeugt davon, dass es diesen Ton zu jener Zeit brauchte. Covid-19 war zu dieser Zeit für viele Menschen weit weg, die Kampagne musste auf eine andere Art und Weise daran erinnern, um was es geht, nämlich um die zentralen Verhaltens- und Hygieneregeln.»

Andere Kritiker argumentierten, dass die BAG-Kampagne mit den Piktogrammen bereits zu bekannt sei, um noch gross aufzufallen. Wird nun also bald der Stil der Kampagne generalüberholt?

Dazu Rod-Schärer: «Die Piktogramme haben nach wie vor ihre Berechtigung und um eben einen Wear-Out-Effekt bei gleichzeitiger Dringlichkeit von Botschaftspräsenz zu verhindern, haben wir im Kampagnenteam das Konzept mit den wechselnden Farben erfunden. Die Werbemittel wurden auf der Landingpage übrigens mehr als drei Millionen Mal heruntergeladen und im ganzen Land verbreitet. Dennoch braucht es ab und an eine andere Ansprache. Dies praktizieren wir seit nunmehr einem Jahr so.»



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