20.06.2019

Cannes Lions 2019

Viele Likes für Facebook-Chefin

Sheryl Sandberg, Chief Operating Officer von Facebook, sprach im Palais des Festivals über Stereotypen in der Werbung, Datenschutz und Stolpersteine in der Karriere für Frauen. Am Schluss erzählte sie vom Verlust ihres Mannes und ihren 50. Geburtstag – und erntete Applaus.
Cannes Lions 2019: Viele Likes für Facebook-Chefin
Facebook-COO Sheryl Sandberg im Palais des Festivals am Cannes Lions Festival. (Bild: Cannes Lions)

Die Warteschlange vor dem Lumiere Theatre führte über die Treppe ins nächste Stockwerk hinauf, einmal quer durch das Palais des Festivals. Das Interesse am Auftritt von Facebook-COO Sheryl Sandberg am Mittwoch beim Werbefestival Cannes Lions war riesig. Über 2300 Zuhörerinnen und Zuhörer sassen im Hauptsaal, als Bloomberg-Journalistin Caroline Hyde das Gespräch eröffnete. Die kommenden 45 Minuten sollten informativ und emotional zugleich werden.

Zu Beginn sprach Sandberg über die Macht der Werbebranche. «Die Kreativen dieser Welt entscheiden weitgehend, welche Botschaften die Menschen zu sehen bekommen», sagte sie in Cannes. Im Hinblick auf Stereotypen in Werbespots und Plakaten sagte sie: «Werbung hat die Chance, Menschen als Individuen und nicht als Gruppe sichtbar zu machen.» Buben müssten nicht immer mutig und Mädchen nicht immer herzig sein. Immer wieder sagte sie Sätze wie: «We gonna make this happen», «We can do this» oder «Now we can change this».

Keine Geschäftsessen oder Reisen mit Kolleginnen

Sandberg, die vor sechs Jahren den Karriere-Ratgeber «Lean in» veröffentlicht hat, sprach auch über Stolperfallen für Frauen. In den USA würden 60 Prozent der Firmenchefs zögern, sich mit einer Frau zu einem Geschäftsessen zu treffen oder mit einer Kollegin eine Businessreise anzutreten. Sie fragte in den Saal: «Wer von euch wurde schon einmal von einem Chef befördert, mit dem man noch kein Eins-zu-Eins-Gespräch geführt hat?» Weder Männer noch Frauen sollten sich schlecht fühlen, geschäftlich gemeinsam zu essen oder zu verreisen – es gebe schliesslich öffentliche Restaurants sowie Einzelzimmer. Solange diese Ungleichheit besteht, fordert sie von Chefs: «Führt solche Essen oder Reisen in Gruppen durch, und trefft euch nicht mehr nur mit Männern.»

Als nächstes kam das Thema Datenschutz und Targeted Advertising auf den Tisch. «Die Leute halten zielgerichtete Werbung für «creepy» oder «scary» und glauben nicht, dass man sie anbieten und gleichzeitig den Datenschutz zu respektieren kann», sagte Sandberg. Doch genau das täte Facebook.

Ein Hundehotel als Beispiel

«Wir müssen besser darin werden, unser Geschäftsmodell zu erklären», fügte sie an und nahm sogleich einen Anlauf dazu. Ihr Beispiel: Ein Hundehotel in London. Die Besitzerin hätte sich als Kleinunternehmerin keine teuren Plakate leisten können. Mit Facebook konnte sie alle Hundeliebhaber in London erreichen. Und, so Sandberg: Die Hundehotel-Besitzerin habe keinerlei Daten von ihrer Zielgruppe erhalten.


Mit Blick auf den Skandal um Cambridge Analytica blieb das Interview an dieser Stelle etwas an der Oberfläche. Mehrere Male betonte Sandberg, wie gross die «Verantwortung» von ihr und Facebook-CEO Mark Zuckerberg sei. «Wir versuchen alles, um das Vertrauen zurückzugewinnen», sagte sie.

Interessante Einblicke gab Sandberg hingegen in die interne Unternehmenskultur von Facebook. «Wir haben Fehler gemacht», sagte sie, «aber wir hängen keine Mitarbeiter dafür». Sie sei noch nie an einem internen Meeting gewesen, wo der Fokus darauf lag, das jemand etwas falsch gemacht habe. Der Fokus liege immer auf dem Problem und darauf, was sich nun ändern müsse. «Wir versuchen ehrlich zu sein, und darauf bin ich ziemlich stolz».

Private Einblicke

Zum Schluss gewährte Sandberg private Einblicke in ihr Leben als Witwe und Mutter zweier Kinder. Auf die Frage, wie sie sich in den letzten Jahren als Chefin und als Mensch verändert habe, sagte sie: «Persönlich am meisten geprägt hat mich der Tod meines Mannes vor vier Jahren.» Sie sei an dieser Erfahrung gewachsen, sagte sie und fügte an: «Ich würde all diese Erfahrung für nur einen Tag mit Dave zurückgeben.»

Im Hinblick auf ihren 50. Geburtstag im August meinte sie: «Ich werde mich nie über graue Haare oder Altersflecken beklagen. Denn es gibt nur zwei Optionen: Entweder man altert – oder man altert nicht.» Für diese Aussage erntete Sandberg grossen Applaus aus dem Publikum.

Keine fremden Personen in Gruppenchats

Als Mutter von zwei Kindern (11 und 14 Jahre alt) sprach die Facebook-COO auch über deren Umgang mit den Sozialen Medien. Sie schaue, dass sie sehe, mit wem ihre Kinder vernetzt seien. Die Regel laute: Keine fremden Personen in Gruppenchats. Und: Generell gebe es Wichtigeres als das Smartphone – zum Beispiel die Hausaufgaben.

Um den Kreis zu schliessen, kam Sandberg am Abschluss des Panels nochmals auf Geschlechter-Stereotypen zu sprechen. «Haben Sie schon einmal Eltern gehört, die ihren Buben als ‹bossy› bezeichnen?», fragte sie ins Publikum. Sogleich gab die 49-Jährige ihren Zuhörern, die aus aller Welt nach Cannes gekommen waren, eine Aufgabe mit auf den Weg: «Das nächste Mal, wenn ihr Eltern einem Mädchen sagen hört, es sei rechthaberisch – geht hin und sagt: Das sind genau die nötigen Leadership-Skills.»


persoenlich.com verkündet laufend Shortlists und Gewinner des Cannes Lions Festivals an der Côte d'Azur, welches noch bis am Freitag, 21. Juni stattfindet. Die Redaktoren Christian Beck und Michèle Widmer berichten vor Ort. Alle Artikel und Interviews zu den Werbe-Weltmeisterschaften finden Sie hier.


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