04.02.2021

Storytelling im Branding

«Die Arbeit beginnt immer bei der Markengeschichte»

Die Geschichte einer Marke müsse sich in jeder Kommunikationsmassnahme spiegeln, sagt Unternehmensberater Matthias M. Mattenberger. Ein Gespräch über den Markenbaum sowie Vorbild-Brands wie Ricola, UBS oder Volvo.
Storytelling im Branding: «Die Arbeit beginnt immer bei der Markengeschichte»
Der Unternehmensberater im Bereich Storytelling und in kommunikativer Markenführung, Matthias M. Mattenberger, mit seinem neuen Buch «Brandtelling». (Bild: Thomas Egli)
von Edith Hollenstein

Herr Mattenberger, Ihr Buch ist typisch für gutes Marketing: Es ist knallig illustriert, besticht also durch seine attraktive Verpackung. Wo ist inhaltlich das Fleisch am Knochen?
Das Buch liefert spezifisches Storytelling für die Marken- und Unternehmensführung. Es begleitet ambitionierte Manager, Marketingverantwortliche, aber auch Nicht-Profis in zehn einfachen Schritten zu einer erfolgreichen Unternehmensgeschichte.

Doch die Verpackung scheint wichtig.
Ja, aber das Buch ist hoffentlich nicht nur attraktiv verpackt, sondern es sind auch die Inhalte attraktiv dargestellt, um Lesende noch besser zu leiten. Dies war von Beginn an das Ziel meiner Grafik-Partnerin Jennifer Meyer und von mir als Autor. Die Abstimmung von Text und Bild hat uns viel Zeit und Mühe gekostet.

Ihr Buch heisst «Brandtelling». Was ist der Unterschied zwischen Storytelling im Branding im Vergleich zum Storytelling generell in der Unternehmenskommunikation?
Brandtelling verfolgt einen holistischen Ansatz und sieht gerade auch die Unternehmenskommunikation als Teil der Markenführung. In den letzten Jahren hat eine Verschiebung von materiellen zu immateriellen Vermögenswerten stattgefunden (Anm. d. Red: siehe Abb. unten). Die Marke ist damit zu einem wichtigen Teil eines Unternehmens geworden. Entsprechend gilt es, die Markengeschichte in jeder Kommunikationsmassnahme zu berücksichtigen. Das Modell des Markenbaums verdeutlicht das sehr anschaulich: Der Stamm (die Marken-/Stammgeschichte) verbindet die Krone (die Kunden, Produkte, Werbung) mit den Wurzeln (den Mitarbeitenden, Partnern, Management usw.). Jede Kommunikation sollte aus dem Stamm (aus der Stammgeschichte) erfolgen.

«Intern gelebte und extern erzählte Geschichten sind mitverantwortlich für den Erfolg des Unternehmens»

Und wie genau wirkt sich Storytelling im Branding auf den Unternehmenserfolg aus?
An Marken, die eine dramaturgische Geschichte erzählen, kann man sich besser erinnern als an solche, die lediglich Fakten kommunizieren. Kaufentscheide kommen aus der Hirnregion, die für die Emotionen und Erinnerungen zuständig sind. Sie stammen nicht, wie oft fälschlich angenommen, aus dem Bereich des abstrakten Denkens. Zudem spielt, gemäss einer Studie von Esch & Schrödter, der Mitarbeiter-Marken-Fit eine zentrale Rolle für den Erfolg eines Unternehmens. Da hilft klares Brandtelling, die richtigen und passenden Mitarbeitenden zu finden.

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Können Sie ein Beispiel geben?
Eine der beliebtesten Schweizer Marken, Ricola, verspricht auf seiner Webseite: «Für Ricola ist geschäftlicher Erfolg kein Selbstzweck, vielmehr soll er dazu dienen, Verantwortung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Gesellschaft und der Umwelt wahrzunehmen.» Die Unternehmung publiziert die Übernahme der Verantwortung äusserst öffentlichkeitswirksam auf ihrer Webseite. Diese ist voll von Geschichten und Welten, die es zu entdecken gibt. Im Mittelpunkt stehen nicht die Produkte, sondern Geschichten, die mit ihnen zu tun haben. Zum Beispiel zur Gesundheit der Bienen, die wertvollen Honig für die Bonbons liefern, oder wie man zu Hause einen Kräutergarten anlegt. Diese intern gelebten und extern erzählten Geschichten sind bestimmt mitverantwortlich für den Erfolg des Unternehmens.

Gibt es noch ein anderes?
Volvo. Diese Automarke steht, seit jeher, für Sicherheit. Kommunikative Meilensteine der Marke fanden immer entlang dieses Kernthemas statt: Von der Erfindung des Dreipunkte-Sicherheitsgurts über die Entwicklung von automatischen Bremssystemen bis hin zur Abriegelung aller neuen Modelle auf maximal 180 Stundenkilometer. Dieses klar fassbare Narrativ ist intern und extern gleichermassen bekannt. Viele Jahre wurde dieses auch vom globalen Claim getragen: «Volvo for Life» (seit 2011 «Designed Around You»).

Sie führen im Buch neben dem Markenbaum weitere Modelle auf. Stammen diese von Ihnen?
Alle im Buch beschriebenen Brandtelling-Modelle (die Storywurzel, der Storytrichter, der Markenbaum, der Storytelling-Canvas) stammen von mir und basieren auf wissenschaftlichen Grundlagen. Auch die theoretische Basis ist im Buch nachzulesen – für Liebhaber von Theorie selbstverständlich mit ausführlichem Quellenverzeichnis.

«Oft zeichnen sich meine Kunden die Storywurzel während meiner Kurse auf ihr Notizpapier, was mich natürlich ungemein freut»

Darunter findet sich die Tennisball-Regel. Was besagt sie?
Die Tennisball-Regel empfiehlt, sich in der Markenkommunikation auf eine differenzierende Kernbotschaft zu limitieren. Volvo ist ein gutes Beispiel dafür: Die Automarke steht, wie kein zweiter Brand in der Branche, für Sicherheit. Diese Botschaft kommuniziert die Marke auf jedem Kanal. Tennisball-Regel heisst sie, weil man einen zugeworfenen Tennisball gut fangen kann, mehrere hingegen lassen sich kaum fangen.
 
… und die Heldenreise: Können Sie diese bitte etwas ausführlicher erklären?
Die Heldenreise stammt ursprünglich von Professor Joseph Campbell, der 1949 proklamierte, dass alle funktionierenden Geschichten auf eine Grundgeschichte (den «Monomythos») zurückzuführen seien. Das Modell wurde von Hollywood übernommen, auf zwölf Stufen reduziert und fand als «Heldenreise» Eingang in die Literatur. Die Heldenreise findet in meinem Buch Brandtelling aber nur zur Erklärung und Herleitung der Storywurzel statt. Denn das Modell der Storywurzel reduziert alle wichtigen Stufen der Heldenreise zu einem sehr eingängigen Modell. Oft zeichnen sich meine Kunden dieses während meiner Kurse auf ihr Notizpapier, was mich natürlich ungemein freut.
 
Neben der Storywurzel erwähnen Sie den Storytelling-Canvas. Was ist denn das?
Der Storytelling-Canvas ist das Arbeitsmodell und vereint die Storywurzel und den Storytrichter. Canvas ist ein vorgefertigtes, beschreibbares Plakat. Es handelt sich um ein einfaches Raster, in das man alle Antworten für eine differenzierende Geschichte schreiben und das man mit einem Team oder allein bearbeiten kann.

«Die Marke gilt es, so klar und differenzierend wie möglich zu positionieren und zu kommunizieren»

Welche Storytelling-Best-Practice-Beispiele aus der Schweiz haben Sie gefunden bei Ihrer Recherche?
Ein Beispiel habe ich sogar im Buch beschrieben: Es ist ein 30-Sekunden-Clip der UBS für ihr Produkt der Altersvorsorge. Das Video kommt mit wenigen Einstellungen aus und erzählt die Geschichte genau nach der Storywurzel: Ein Kunde hat ein Problem, das die Marke als Mentor für ihn lösen kann und ihn so auf die Elixierstufe bringt. Der Clip wurde auch mit einem Award belohnt – zu Recht.



Was haben Sie bei der Arbeit für Ihr Buch gelernt für die Weiterentwicklung Ihrer eigenen Firma b-ahead?
Ich bin in erster Linie als Unternehmensberater im Bereich Storytelling und kommunikativer Markenführung aktiv. b-ahead ist meine Content-Marketing-Agentur, mit der ich – zusammen mit meinen Partnern – Inhaltsproduktionen für Kunden abdecke. Da zeigt sich genau das, was ich im Buch schreibe: Ein Unternehmen besteht heute vor allem aus immateriellen Vermögenswerten, also unter anderem aus der Marke. Und diese gilt es, so klar und differenzierend wie möglich zu positionieren und zu kommunizieren.

Hier wird Storytelling wichtig.
Genau. Die Arbeit beginnt entsprechend immer bei der Markengeschichte und geht erst dann in die Content-Produktion. Für das operative Geschäft bei b-ahead bedeutet das, dass wir keine Inhalte generieren, ohne vorher sichergestellt zu haben, dass diese auf die Marke, das Unternehmen oder die Produkte einzahlen. Zudem haben wir, vor allem im vergangenen Jahr, eine sehr viel grössere Nachfrage nach Podcasts und digitalen Events verzeichnet – und uns entsprechend weiter darauf spezialisiert.

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«Brandtelling - Storytelling, das Marken und Menschen verbindet», 2021, 224 Seiten, Campus, 34,95 Euro.


Das Interview wurde schriftlich geführt.



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