29.08.2022

Mediatonic

«Die Firma ist wie eine Familie»

Die grösste Mediaagentur der Romandie verfügt über eine grosse Ausstrahlung in der ganzen Schweiz. «persönlich» hat sich mit den fünf Partnerinnen und Partnern getroffen und sich über die Herausforderungen im Mediengeschäft unterhalten.
Mediatonic: «Die Firma ist wie eine Familie»
Die Führungscrew von Mediatonic (v.l.): Chris Fluckiger (CEO), Claudia Schroeter (Head of TV), Julie Rossi (Head of Operations), Marco Rose (Head of Strategy) und Matthieu Robert (Head of Digital). (Bild: David Olifson)
von Matthias Ackeret

Herr Fluckiger, Mediatonic ist die grösste Mediaagentur in der Romandie. Jetzt sind Sie hier in Zürich, in der Deutschschweiz. Gibt es grosse Unterschiede zwischen diesen beiden Werbemärkten?
Chris Fluckiger: Ja, wir sind wahrhaftig die grösste Mediaagentur in der Westschweiz. Mittlerweile positionieren wir uns aber auch als Keyplayer in der gesamten Schweiz. Es gibt tatsächlich Unterschiede zwischen den regionalen Werbemärkten, schon allein hinsichtlich des Medienkonsums, sei es im digitalen oder im Fernsehbereich. Die Kulturen sind verschieden, aber das sind sie auch regional gesehen, in Bern, Basel oder Zürich, da ist die Westschweiz sicherlich keine Ausnahme. Die Hälfte unserer Kunden hat ihren Firmensitz aber in der Deutschschweiz. Die Personalfluktuation ist in unserer Agentur dreimal geringer als marktüblich. Der Grund, weshalb wir in Genf sind, hat nicht unbedingt mit diesen Unterschieden zu tun, sondern ist historisch bedingt.

Sie sind Deutschschweizer.
Fluckiger: Mein Nachname stammt aus der Deutschschweiz, und meine Muttersprache ist ursprünglich Schweizerdeutsch, aber ich bin in Genf aufgewachsen und fühle mich auch eher als Westschweizer. Trotzdem habe ich Eigenschaften, die man eher den Deutschschweizern zuschreibt.

Beinahe alle international tätigen Mediabetriebe operieren von Zürich aus. Ihre Mediaagentur hat ihren Sitz in Genf. Das ist ungewöhnlich.
Fluckiger: Das ist es, und es hat wie angedeutet einen historischen Grund. Als ich die Agentur 2003 gründete, war es meine Idee, eine selbstständige Mediaagentur aufzubauen, aber nicht unbedingt in der Westschweiz. Da ich jedoch zu jenem Zeitpunkt in Genf wohnte und meine Familie ebenfalls dort war, wollte ich auch in Genf bleiben. Es war eine gute Wahl. Aber vielleicht hätten wir es anders gemacht, wenn wir auch Büros in der Deutschschweiz gehabt hätten. Wenn ich auf die vergangenen 19 Jahre zurückblicke, würde ich sagen: Es hat gut funktioniert. Und nächstes Jahr feiern wir ja ein rundes Jubiläum.

Und der Name war richtig gewählt?
Fluckiger: Der Name einer Agentur sollte meiner Meinung nach in unterschiedlichen Ländern gut verständlich sein, so wie der Name eines Kindes. «Media» musste im Firmennamen vorkommen, das war mir wichtig, auch damit man sofort weiss, was wir machen. «Tonic» sollte unsere Strategie, unseren Auftritt und unser Marketing beschreiben. C’est le ton qui fait la musique (lacht).

«Wir hatten kein Zimmer mehr frei für meine Firma»

Nun zur Legendenbildung: Ihre Agentur war anfänglich im Kinderzimmer eingerichtet …
Fluckiger: Nicht ganz, sie befand sich in der Küche. Wir hatten kein Zimmer mehr frei für meine Firma, da zeitgleich mit der Gründung unser erster Sohn geboren wurde und er das Zimmer benötigte. Familie ist für mich das Wichtigste. Auch bei Mediatonic sind mir die Menschen, die Familien und die Freunde sehr wichtig. Ich glaube an solche Werte, und diese werden zu hundert Prozent von den weiteren vier Mitinhabern geteilt.

Herr Robert, Sie sind zuständig für das Digitale, das bei Ihnen eine grosse Rolle spielt. Sie haben schon früh damit angefangen.
Matthieu Robert: Ich bin zwar seit 2007 mit dem digitalen Fokus an Bord, aber verstärkt hat er sich erst in den vergangenen fünf Jahren. Vorher war das Digitale nicht so wichtig für Mediatonic, aber es war schön, das im Angebot zu haben. Heute ist es ein Muss, ohne es geht gar nichts mehr. Wir bieten aktuell alle digitalen Paid-Disziplinen an – SEA, Social, Programmatic und mehr –, und fast die Hälfte unseres Teams ist im digitalen Bereich tätig.

Fluckiger: Wir realisierten bereits 2007 Onlinekampagnen. Das war sehr früh, denn das Digitale wurde damals von der Kundschaft nicht oft verlangt. Sieben Jahre später haben wir unsere Digitalabteilung Digitonic gegründet und 2018 unsere programmatische Unit Aeko. Es ist alles recht jung, aber das ist bei vielen Unternehmen so.

Sie stapeln etwas tief. In den letzten MRG-Rankings der Mediaagenturen haben Sie sich auch im digitalen Bereich profiliert. Waren Sie einfach schneller als andere?
Robert: Ich glaube, es ist nicht eine Frage der Schnelligkeit, sondern der Differenzierung. Wir sind seit 2007 im digitalen Bereich aktiv, auch im Digitalmarketing wie Search. Am Anfang waren grosse Mediaagenturen nicht in diesem Geschäft involviert. Wir haben uns entwickelt und mit externen Partnern gearbeitet, beispielsweise im SEA- oder im Programmatic-Bereich. Mit der Zeit haben wir dann angefangen, es intern zu machen. Nicht weil es ein Hype war, aber weil wir verstanden, wie wir es effizient machen konnten.

Marco Rose: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir sind stetig gewachsen, aber langsam und gesund. Und gerade im Digitalen haben wir uns Zeit gelassen, für jede Disziplin Spezialisten zu suchen, um jeden einzelnen Bereich auch professionell ausüben zu können. Wir hätten das viel schneller über alle Bereiche aufbauen können, aber wir haben es bewusst «step by step» gemacht.

Fluckiger: Heute haben wir immer mehr Kunden, die uns vertrauen, auch im digitalen Bereich, gerade weil wir die Schritte gemacht und diesen Approach gewählt haben. Wir haben hier ein grosses Know-how, und das weiss unsere Kundschaft. Für uns war auch immer wichtig, dass wir alles, was wir können, inhouse machen. Das war stets Teil unserer Strategie. Wir wollen selbstständig bleiben und alles selbst machen, damit unsere Kunden auch einen USP haben.

Kann man als Mediaagentur eine vernünftige Strategie entwickeln in einer Zeit, in der sich so vieles so schnell entwickelt?
Rose: Es stimmt, heute geht alles sehr schnell. Strategien werden hinterfragt, optimiert und neu erarbeitet. Das ist ein stetiger Prozess, was auch das Spannende an unserem Job ist. Wir und die Kunden sammeln sehr viele Erfahrungen, weil auch jede Branche anders ist und eigene Bedürfnisse hat. Da gibt es immer wieder andere Ausgangslagen. Aber gerade in der Schweiz mit ihrer Mehrsprachigkeit und dem unterschiedlichen Konsumverhalten ist es wichtig, eine Basisstrategie zu haben, die laufend überprüft werden muss. Wir merken, dass dieses Überprüfen und Messen immer wichtiger wird. Wir haben Erfahrungen in sämtlichen digitalen Disziplinen gesammelt und wissen nun, was sie bringen, welche Grenzen sie haben und welche Kanäle am besten performen. Es ist nicht so, dass alles, was automatisiert werden kann, auch das bessere Ergebnis bringt.

Wie würden Sie die Strategie von Mediatonic in wenigen Sätzen beschreiben?
Rose: Sicherlich gehört analytisches Denken dazu. Eine Ausgangslage schaffen und ein Ziel setzen, die für die Kundschaft klar sind, und dann schauen, was die Daten seitens Kunden und Markt hergeben. Beides sollte dann zu einem Resultat und zu einer Strategie geformt werden.

«Es gibt eine Nord-Süd-Achse beim Fernsehen»

Frau Schroeter, Sie sind für ein Medium tätig, das Fernsehen, von dem man sagt, dass es vorbei sei. Ist die Romandie hier vielleicht etwas später dran als die Deutschschweiz?
Claudia Schroeter: Es gibt eine Nord-Süd-Achse beim Fernsehen. Geht man in Richtung Süden, wird mehr TV geschaut. Meines Erachtens ist das Fernsehen 2022 noch immer bedeutend, weil es auch viele Veränderungen gibt. Wir bekommen beispielsweise ein neues Planungstool, das auch in anderen Ländern verwendet wird. Dafür braucht es viele Stunden Schulung, und wir werden mit diesem Tool zusätzliche Auswertungen vornehmen können. Es ist ein sehr wichtiges Tool für den Schweizer Markt. Dann gibt es ein neues Measurement in der Forschung mit High-Res-TV-Audience, bei dem es mehr Granularität in den erhobenen TV-Nutzungsdaten gibt. Und später erwarten wir auch neue Werbeformen, die im zweiten Halbjahr 2022 oder nächstes Jahr kommen werden, die sogenannten Replay-Ads.

Was heisst das genau?
Schroeter: Das heisst, dass wir neben den klassischen linearen Werbeformen neue Möglichkeiten haben werden. Das werden dann drei verschiedene sein, die mit den Set-Top-Boxen ausgeliefert werden und nicht mehr linear geschaut werden können. Sowohl die klassischen Spots als auch die neuen Replay-Ads wird man mit dem neuen Tool auswerten können, das war bisher nicht möglich. Es ist also etwas Revolutionäres, und wir freuen uns darauf. Deshalb ist TV wichtig in diesem Jahr, und dafür braucht es immer noch Spezialisten.

Rose: Es ist nicht nur TV, es geht vor allem um Bewegtbild allgemein und um die beste Verbindung dieser Spots und Videos. Der für die Zielgruppe ideale Mix der Bewegtbildkanäle wird immer wichtiger.

Können Sie jemandem, der zu Mediatonic kommt, garantieren, dass die Romandie gut abgedeckt ist?
Fluckiger: Das wäre schlimm, wenn es nicht so wäre. Die Romandie ist uns wichtig, dort sind wir sehr gut vertreten. Wir möchten uns jetzt aber auch anderswo profilieren, und zwar als eine grosse, selbstständige Agentur von Mitinhaberinnen und -inhabern von der Romandie aus.

«‹Swissness› bleibt das Leitmotiv unserer Agentur»

Frau Rossi, Sie sind auch Mitinhaberin der Agentur. Spüren Sie einen Röstigraben in der Mediaszene?
Julie Rossi: Den gibt es tatsächlich. Meine Rolle in der Agentur bedarf keines direkten Kundenkontakts. Dennoch ist es meine tägliche Herausforderung, dass unsere interne Struktur und unsere Human Resources den Erwartungen unserer (potenziellen) Kunden entsprechen. Und da spielt der Röstigraben eine wichtige Rolle. Wir sind in dieser Hinsicht gewappnet, dank unseres professionellen Teams von Mediaplanern, das nicht nur die Schweizer Medienlandschaft und die Medientools kennt, sondern auch die sprachlichen und kulturellen Unterschiede. «Swissness» bleibt das Leitmotiv unserer Agentur. Egal, ob eine Kundenanfrage aus der West- oder der Deutschschweiz oder aus dem Tessin eintrifft, unsere Kunden können mit Sicherheit davon ausgehen, dass ihr Ansprechpartner kompetent auf ihre Bedürfnisse eingeht. Das sagt viel über unsere Recruiting-Strategie aus.

Fluckiger: Wir sind ja organisch gewachsen, und da sieht man schon, wie unterschiedlich die Kulturen auch im Unternehmen sind. Unsere Mitarbeiter kommen aus den verschiedensten Ländern, wir haben neben Schweizern neun zusätzliche Nationalitäten (inklusive Doppelbürgern) in der Firma.

Das überrascht. Es gibt nicht mehr viele Mediaunternehmen mit so vielen unterschiedlichen Nationalitäten …
Rossi: Von der Basis her ist uns ein deutsch-französischer Background sehr wichtig. Die meisten Mitarbeiter sind in der Schweiz aufgewachsen oder leben seit vielen Jahren hier. Die zusätzlichen Nationalitäten bereichern uns und fördern einen spannenden Kulturmix.

Fluckiger: Wir haben auch von Anfang an darauf geachtet, dass die Parität zwischen Männern und Frauen stimmt, diese Leitlinie ist für uns zentral. Genau wie unser Kulturmix beschert uns die Parität eine grossartige Komplementarität.

Für Sie ist der Familiengedanke sehr wichtig …
Fluckiger: Ja, er ist die Basis. Wir kennen uns seit vielen Jahren und arbeiten schon lange zusammen. Die Firma ist wie eine Familie. Es geht um Respekt und die Vermittlung von Know-how. Klar hat jeder seinen Charakter, und das ist auch gut so, denn Unterschiede machen stark! Aber was wichtig ist, ist die Komplementarität. Und gerade die Komplementarität der Leute, die hier am Tisch sitzen, ist das Beste, was wir erreicht haben. Wir streiten praktisch nie …

Rose: … obwohl wir nicht immer gleicher Meinung sind.

Schroeter: Wir sind unterschiedlich, können aber sehr gut miteinander diskutieren und arbeiten. Bis jetzt haben wir immer eine gute Gesprächsbasis gefunden.

Rossi: Auch in den zwei Jahren, die wir mit Covid erlebt haben, zogen wir immer am selben Strick.

«Unser Kundenportfolio hat wenig gelitten»

Die Coronapandemie haben Sie gut überstanden?
Rose: Wie viele Unternehmen waren auch wir im Homeoffice. Unser Job lässt sich ja recht gut damit verbinden. Wir haben alle Mitarbeiter entsprechend ausgerüstet. Kommerziell gesehen, haben wir je nach Kundenportfolio ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger gespürt. Letztlich war Covid eine interessante Erfahrung, und wir können sagen, dass wir die Situation gut gemeistert haben.

Fluckiger: Unser Kundenportfolio hat wenig gelitten. Wären unsere grössten Kunden in der Auto- oder der Reisebranche tätig, sähe es natürlich anders aus. Das hat sicherlich auch mit Glück zu tun. Ich würde sagen, unsere Branche war von den Coronaauswirkungen weniger betroffen als andere. Insgesamt gesehen, war es ein schwieriges Jahr. Aber es war auch ein Jahr, in dem wir ein neues Denken und eine neue Struktur ins Unternehmen bringen konnten, wie den Flex-Desk. Wir sind flexibler geworden. Es gibt jetzt nicht mehr meinen Platz und deinen Platz. Wir haben gemerkt, dass es genauso gut funktioniert, wenn die Leute nicht in der Agentur sind. Die Kunden sind trotzdem zufrieden, und das ist für mich das, was am Ende des Tages zählt. Trotzdem: Regelmässige physische Treffen werden weiterhin wichtig bleiben.

Ihr Digitalbereich hat auch profitiert.
Robert: Absolut, viele unserer Kunden sind auch im digitalen Bereich wie im Streaming oder im Onlinebanking tätig. Das war für uns ein grosser Vorteil in den beiden Coronajahren. Klar, der digitale Teil unserer Agentur ist in diesen beiden Jahren noch stärker gewachsen. Die Kultur, die jetzt kommt, ist für uns und unsere Struktur sehr positiv.

Fluckiger: Für uns ist auch wichtig, dass wir alles, egal ob Digital, TV, Buchhaltung oder HR, physisch am selben Ort haben. Das ist immer noch zentral, aber in der Beziehung mit dem Kunden gibt es weniger physische Kontakte.

Robert: Die Qualität ist entscheidend. Wir haben mehr Kundenmeetings, aber sie sind weniger physisch und mehr virtuell, auch weil sie effizienter sind.

Wie sehen Sie die Medien, beispielsweise die Printmedien, nach zwei Jahren Corona?
Rossi: Wir wissen, dass der Konsum von Printmedien abgenommen hat. Dennoch haben wir Kunden, die Printmedien nutzen, weil es zu ihrer Zielgruppe passt. Ich denke, Print wird nicht verschwinden und auch in Zukunft für gewisse Zielgruppen wichtig bleiben.

Aber es wird eine Reduktion geben …
Rose: Für Mainstream-Zielgruppen nimmt die Relevanz ab, ja, aber für spezifische Zielgruppen, gerade im Special-Interest-Bereich oder auch für die Sonntagspresse wird die Schweiz ein Printland bleiben. Aber es ist klar, dass es zu weiteren Reduktionen respektive Konzentrationen kommen wird. Wir haben immer noch sehr viele Printprodukte, das sieht man gut bei einem Kioskbesuch. Online ist gut, aber wenn man etwas Längeres lesen möchte, ist es auf die Dauer schon ermüdend.

Frau Rossi, was waren Ihre Schlüsselerlebnisse in den vergangenen Jahren?
Rossi: Die vergangenen zwei Jahre waren selbst schon ein Schlüsselerlebnis. Ich bin ins Management und ins Aktionariat eingestiegen, und dann kam Corona. Anfangs war das sehr destabilisierend für uns alle, sowohl in Bezug auf unser Business als auch die Verwaltung der Agentur. Aber ich glaube, es hat die Tür zu neuem Denken und neuen Herausforderungen geöffnet. Es gibt viele offene Baustellen und Herausforderungen in den nächsten Jahren, und wir müssen uns an die Marktgegebenheiten anpassen und innovativ sein – sowohl in unserem Core-Business als auch in HR-Angelegenheiten. Schlüsselerlebnisse gibt es mittlerweile täglich, und das ist gut so, denn man lernt viel dazu für die Zukunft.

Das Angebot an Arbeitskräften dürfte in Zürich grösser sein, es gibt aber auch mehr Agenturen als in der Romandie.
Rossi: Das stimmt, aber nicht alle Agenturen suchen dieselben Profile wie wir. Auch stehen wir alle, ob Genfer oder Zürcher Mediaagenturen, vor einem Generationswechsel mit jungen Mitarbeitern, die die Arbeitswelt mit anderen Augen sehen als unsere Generation. Auch scheint das Interesse an unserem Beruf bei den neuen Generationen geringer. Es gilt also, sich stetig an die Marktgegebenheiten anzupassen – aber solange wir dies im Einklang mit unseren Firmenwerten managen können, ist das doch völlig in Ordnung.

Fluckiger: Es gibt auch viele ehemalige Mitarbeiter, die jetzt bei den Kunden arbeiten. Nach fast 20 Jahren haben wir einiges zur Marketingkultur in der Romandie beigetragen.

Sie sind die zweitgrösste unabhängige Mediaagentur in der Schweiz, eine bemerkenswerte Leistung. Ist es Ihr Ziel, die Nummer eins zu werden?
Fluckiger: Ein Ziel muss man haben, aber gleichzeitig auch realistisch bleiben. Ich glaube, das, was die Nummer eins momentan leistet und in den letzten zwanzig Jahren geleistet hat, ist grossartig. Es steht ein erfahrener Mensch, ein Team und eine Familie dahinter. Mir ist es wichtig, dass es uns und unserer Agentur gut geht, und wenn wir eines Tages die Nummer eins wären, wäre das natürlich super.

«Wir sind der beste Beweis dafür, dass es auch funktioniert, wenn der Mittelpunkt der Agentur nicht in Zürich ist»

Die Präsenz hier in Zürich ist für eine Agentur wichtig ...
Fluckiger: Wir sind der beste Beweis dafür, dass es auch funktioniert, wenn der Mittelpunkt der Agentur nicht in Zürich ist. Die Kunden haben gelernt, dass es immer weniger wichtig ist, physisch an einem Ort präsent zu sein. Wir kennen uns sowohl in der Romandie als auch in der Deutschschweiz sehr gut aus. Das ist für mich viel wichtiger als die Geografie des Standorts. Aber es stimmt schon, wahrscheinlich hätten wir einen höheren Bekanntheitsgrad, wenn wir auch physisch in Zürich wären. Aber wir haben momentan nicht vor, hier eine Filiale zu eröffnen. Nichtdestotrotz ist Mediatonic gemäss der letzten MRG-Studie die zweitbekannteste Mediaagentur in der Schweiz. Damit bin ich zufrieden.

Heisst das, dass bei Media- und bei Kreativagenturen vieles über die Bekanntheit des Namens geht, noch vor Pitches?
Fluckiger: «Top of Mind» zu sein, ist immer noch sehr wichtig. Mit Pitches habe ich je länger, je mehr Probleme. Sie sind sehr aufwendig, kosten ein Vermögen, und am Schluss hat man eine zwanzigprozentige Chance, sie zu gewinnen. So gibt es Agenturen, die überhaupt nicht mehr pitchen. Sie sagen, man könne in ihrem Portfolio sehen, was sie bisher geleistet hätten. Wenn es gefalle, könne man sich treffen und allenfalls zusammenarbeiten. Pitches ergeben für mich immer weniger Sinn. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass Pitches nur noch gemacht wurden, um intern zu beweisen, dass der Entscheid, den man bereits vorher getroffen hat, der richtige ist. Das ist schwierig für eine Agentur, wie wir es sind. Wir haben heute zum Glück genug Kunden, die wir gut betreuen möchten, und sind nicht mehr so auf Pitches angewiesen. Es geht nicht nur um Grösse, sondern vor allem auch um Qualität.

Die Unabhängigkeit ist Ihnen wichtig. Was machen Sie besser oder anders als eine Netzwerkagentur?
Rose: Wir haben in der Schweiz grundsätzlich ein hohes Dienstleistungsniveau von Agenturen. Wir versuchen, uns mit einem sehr analytischen Ansatz zu profilieren: Was kann man aus bestehenden Daten herauslesen, wie ist die Marktsituation des Kunden, oder gibt es sprachregionale Unterschiede?  Wichtig ist ebenfalls, dass man zuhört und den Kunden vielleicht auch einmal «challengt», damit man Informationen erhält, die uns gemeinsam weiterhelfen können. Eine Herausforderung ist die wachsende Komplexität. Die meisten haben viel mehr Kanäle, die bespielt werden müssen, und die Kunden müssen sich mit mehr Marketingaufgaben befassen. Verloren gegangen sind dabei die Kommunikation und die Information. Ein gutes Briefing ist relevant, und ein wichtiger Punkt ist auch, nicht nur das auszuführen, was der Kunde wünscht, um ein effizientes Resultat zu bekommen.

Fluckiger: Ein Unterschied zu Netzwerkagenturen ist auch, dass wir fünf Personen sind, was gleichzeitig hundert Prozent der Mediatonic-Aktien bedeutet. Wir sind fünf Co-Owner, wir treffen die Entscheide gemeinsam, es geht nicht nach London, Paris oder Amerika. Das ist nicht unbedingt einfacher, aber wir haben die Freiheit, zu entscheiden, wohin wir gehen und wie wir den Kunden betreuen möchten.

Rossi: Unseren Kunden ist es zudem wichtig, vom Chef oder der Chefin persönlich bedient zu werden. Das werden sie bei uns.

Schroeter: Ich denke hierbei an den Extrembergsteiger Ueli Steck. Er war auf seinen Touren immer einfach unterwegs. So blieb er agil und flexibel. Das sind wir auch: agil und flexibel. Wir können rasch reagieren und treffen schnelle Entscheidungen.



Mediatonic mit Sitz in Genf betreut hauptsächlich nationale Online- und Offlinebudgets. Dabei hat die Hälfte der Kunden ihren Firmensitz in der deutschen Schweiz. 2020 verwaltete Mediatonic Mediabudgets im Wert von 150 Millionen Franken. Das Unternehmen, das 2003 von Chris Fluckiger gegründet wurde, beschäftigt 30 Mitarbeitende. 

Dieses Interview erschien zuerst in der aktuellen «persönlich»-Printausgabe.



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