22.06.2020

Migros

«Die Veränderungen werden sehr sichtbar sein»

Passt die Migros nach dem grossen Pitch nun die Werbeausgaben an? Und welche Voraussetzungen können helfen, die Krise gut zu überstehen? In der Folge 70 unserer Serie: Roman A. Müller, Marketingchef bei der Migros.
von Matthias Ackeret

Herr Müller, die Migros hat mit Wirz eine neue Leadagentur. Was gab den Ausschlag für diesen Entscheid?
Die Migros hat sich eine neue Business-Strategie gegeben. Aufgrund dessen sind wir zur Überzeugung gelangt, dass es auch eine Anpassung der Marken- und der Marketing-Kommunikations-Strategie braucht. Wir möchten es unseren Kunden wieder einfacher machen, nicht nur in Bezug auf unsere Marktleistungen, sondern auch auf unsere Kommunikation. Diese soll einfacher, orchestrierter und fokussierter werden. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, eine übergeordnete kommunikative Leitidee für die Marke Migros zu suchen. Eine Leitidee, welche viele Supermarkt-Themen flexibel profilieren, aber auch optimal orchestrieren und bündeln kann.

Was ändert sich dadurch konkret in der Migros-Marketingstrategie?
Über unsere Strategie sprechen wir nur innerhalb des Unternehmens. Aber ich bin überzeugt, dass unsere Kunden deren Folgen im Laufe des Jahres immer stärker spüren werden.

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Sind die anderen Agenturen – wie beispielsweise Publicis – nun draussen?
Nein. Wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, viel stärker zu bündeln und deshalb eine Lead-Agentur gesucht, mit der wir auf Augenhöhe die Strategie und unsere Kampagnen weiter entwickeln können. Wirz wird im Lead, aber nicht unsere einzige Agentur sein. Wir haben zum Beispiel die Absicht, auch mit Publicis weiter zu arbeiten, denn wir schätzen auch ihre kreative Power sehr. Zudem wird es auch in Zukunft Spezial-Agenturen für gewisse Themen geben.

Ab wann ist Wirz alleine für das Migros-Budget verantwortlich?
Die ersten Arbeiten von Wirz unter der neuen kommunikativen Leitidee werden im Spätherbst zu sehen sein.

Wird jetzt der Migros-Auftritt völlig verändert?
Die Veränderungen werden meines Erachtens sehr sicht- und spürbar sein, das ist so. Aber wie immer ist die Veränderung wahrscheinlich vor allem aus unserer Sicht gross. Unsere Kunden werden weiterhin ein oranges M sehen, welches Ihnen einfach dabei hilft, jeden Tag gut zu leben.

Verändern sich nun die Werbeausgaben der Migros?
Nein, unsere Budgets werden in etwa gleich bleiben

Hat dieser Entscheid etwas mit Corona zu tun?
Nein, die Strategie-Entwicklung und der Pitch-Beginn fanden vor dem Ausbruch von Corona statt. Aber wir haben während der ganzen Corona-Zeit immer stärker realisiert, wie gut unsere strategischen Entscheidungen helfen werden, gestärkt aus dieser Zeit hervorzugehen.

Wie haben Sie den ganzen Lockdown erlebt?
Es war – und ist immer noch - eine wahnsinnig intensive Zeit. Zum Glück wurde kurz vor dem Lockdown das Programm «mobil flexibles Arbeiten» bei uns im Migros-Genossenschafts-Bund ausgerollt, wir waren also gut gerüstet für die Homeoffice Zeit. Zuerst galt es, alle Kommunikationsmittel dahin gehend zu überprüfen, ob keine gesperrten Sortimente beworben würden, und ob die Tonalität den Umständen angemessen sei. Denn wir wollten unsere Logistik-Ketten nicht noch stärker überlasten mit Aktionskommunikation. Tages-Aktionen mussten entweder gestrichen oder in Wochen-Aktionen umgewandelt werden, es galt den Media-Mix an die neuen Gegebenheiten anzupassen, und wir waren gefordert, neue Sponsoring-Formen zu suchen, da die gesponsorten Festivals und Events nicht stattfinden konnten.

Was haben Sie stattdessen gemacht?
Wir haben zum Beispiel den «OneMillion Run» unterstützt, wo jeder für sich laufen und trotzdem zu einer grossen Sache beitragen konnte. Wir haben viel investiert in Themen, was die Familie im Lockdown zuhause unternehmen kann, was sie kochen kann, wie die Leute auch zuhause Pilates und Yoga machen können, und so weiter. Und ich denke, wir haben in sehr kurzer Zeit ein paar recht ansprechende Kampagnen realisieren können, sei es um den Mitarbeitern Danke zu sagen, unser Nachbarschafts-Hilfe-Projekt Amigos bekannt zu machen, oder auf erfrischende Art und Weise den Grill-Sommer vom Balkon und Handy aus einzuläuten.

Wird sich das Marketing und die Werbung wegen der ganze Krise verändern?
Einige Themen werden stärker, andere schwächer werden. Regionalität und gesunde Ernährung sind den Leuten noch wichtiger geworden. Und wir stellen uns auf eine Rezession ein, wo der Preis natürlich eine wichtige Rolle spielen wird. All diese Punkte werden uns helfen, denn dort haben wir als Migros viel zu bieten.

Wie haben Sie die ganze Diskussion um den Mohrenkopf miterlebt?
Ich denke, es ist eine sehr wichtige Diskussion. Und weil die Migros den Leuten gehört, werden solche Themen natürlich auch gerne und intensiv mit uns diskutiert, denn Frau und Herr Schweizer wissen (und erwarten von uns), dass wir uns kümmern.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Tage?
Letzte Woche habe ich zum ersten Mal seit vielen Wochen wieder mein ganzes Leitungsteam zu einem Meeting getroffen. Natürlich haben wir uns an die Abstandsregeln gehalten, aber es war trotzdem ein sehr spezieller und schöner Moment für mich. Daneben bin ich, wie wahrscheinlich sehr viele, immer wieder hin- und hergerissen zwischen den Polen. Ich fahre Zug und Tram, und ich sehe von meinem Büro aus, wie die Leute schon wieder Tüchlein an Tüchlein im oberen Letten an der Sonne liegen. Und auf der anderen Seite stehen wir in der Kantine im 2m-Abstand an, dürfen maximal vier Leute im Lift sein, und jeder zweite Arbeitsplatz in unseren Büros ist aufgehoben. Keiner weiss so genau, was im Moment das richtige Verhalten ist. Wie alle hoffe ich, dass wir ohne eine zweite Welle durchkommen werden, aber ein bisschen Disziplin wird weiterhin von allen gefordert sein.

 


Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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