17.03.2022

SWA-Jahresmeeting

Von handgemachter und künstlicher Intelligenz

Nach zweijähriger Coronapause kam es in Zürich wieder zum Werbemarkt-Treffen. Überraschungsgast David Schärer von Rod sprach über die BAG-Kampagne, den Ukraine-Krieg und Werbeverbote. Zudem lieferten Experten Denkanstösse zum Motto «Mensch oder Maschine?».
SWA-Jahresmeeting: Von handgemachter und künstlicher Intelligenz
«Marken stehen vor einer viel höheren Rechtfertigungspflicht in der Öffentlichkeit als früher», so David Schärer, Mitbegründer von Rod Kommunikation und «Werber des Jahres» 2021. (Bild: Gian Kaufmann)
von Tim Frei

Drei Jahre und zwei Tage: So lange musste sich die Branche auf das nächste SWA-Jahresmeeting gedulden. Dies, weil das Treffen des Schweizer Werbemarkts mehrmals wegen Corona verschoben werden musste. Umso grösser war die Freude bei den über 300 Besucherinnen und Besuchern, dass es am 16. März 2022 im StageOne in Zürich-Oerlikon endlich wieder so weit war.

Der Event stand unter dem Motto «Mensch oder Maschine? Künstliche Intelligenz in Marketing und Kommunikation». Das Thema bewegt die Gesellschaft – vor allem aber auch die Werbebranche: Algorithmen und programmatische Werbung sind längst keine Fremdworte mehr. Die drei Referenten Peter Gentsch, Mieke De Ketelaere und Thomas Ruck präsentierten Denkanstösse und Beispiele zur Anwendung künstlicher Intelligenz (KI).

Einen genauso interessanten Einblick gewährte Überraschungsgast David Schärer in der Schlussrunde. Künstliche Intelligenz spiele auch bei ihnen eine Rolle, so der Mitbegründer von Rod Kommunikation. Doch der «Werber des Jahres» 2021 musste gestehen: «Auf eine noch simplere Art und Weise im Vergleich zu den Beispielen der Referenten.» Konkret würden sie, so Schärer, mit dieser Technologie Texte optimieren, mit Voice experimentieren und sie für Programmatic Advertising einsetzen.

«Generelle Skepsis gegenüber der Wirtschaft»

Gar nichts mit KI zu tun hatten die BAG-Kampagnen von Rod Kommunikation gegen die Coronapandemie, so Schärer: «Die richtigen Botschaften, die Mediendistribution – das war komplett handgemacht.» Bereits drei Wochen bevor der Bundesrat den Lockdown im März 2020 bekanntgab, hatte Rod Kommunikation beim BAG den Pitch mit dem mittlerweile bekannten Slogan «Bleiben Sie zu Hause» präsentiert. Insgesamt waren vier Agenturen für diesen Pitch in beschleunigtem Verfahren eingeladen. 

«Wir hatten eine Woche Zeit, um ein fixfertiges Krisenkommunikationskonzept zu verfassen», so Schärer. Zwei Tage, nachdem Daniel Koch den ersten bestätigten Fall kommuniziert hatte, waren bereits die ersten BAG-Flyer an der Südgrenze montiert, erinnert sich der Werber. 

Mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt die Welt derzeit eine weitere Krise. Es stellt sich aber auch die Frage, welche Einflüsse der Krieg auf die Branchen wie jene des Werbemarkts haben wird. Dazu Schärer: «Marken stehen vor einer viel höheren Rechtfertigungspflicht in der Öffentlichkeit als früher, weil sich eine generelle Skepsis in der Gesellschaft gegenüber der Wirtschaft bemerkbar gemacht hat.» Ein Phänomen, das durch Social Media begünstigt worden sei. Schärer hat zudem beobachtet, dass aus einer Verantwortungsethik eine Gesinnungsethik geworden sei: «Nicht mehr die Konsequenz einer Haltung wird bewertet, sondern die Absicht dahinter.» 

In Sachen Werbeverbote – wie zuletzt durch die Annahme der Tabakwerbeverbotsinitiative – hat Schärer eine klare Meinung: «Wir sind schlecht beraten, wenn wir uns erst im Umfeld einer Kampagne dagegen wehren. Stattdessen sollten wir schon früher Verständnis für betroffene Branchen schaffen, indem wir rausgehen und das Thema aufs Tapet bringen.»

Künstliche Intelligenz als Leistungsverstärker

Zurück zur künstlichen Intelligenz: Für Peter Gentsch, Professor für internationale BWL an der HTW Aalen, gibt es drei Ebenen, auf denen die Technologie in Marketing und Kommunikation gewinnbringend eingesetzt werden kann: Funktionen und Prozesse zu optimieren, das Produkt smarter zu machen, ein neues Business zu schaffen.

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Viele Menschen haben aber gerade Angst davor, durch Automatisierung ihre Jobs zu verlieren. Doch Gentsch konnte beruhigen: «Ich sehe die Potenziale von künstlicher Intelligenz mehr im Bereich der Augmentation. Und zwar, indem wir die Technologie als intelligenten Leistungsverstärker nutzen – analog wie die Brille als Sehverstärker.» Dieser Leistungsverstärker soll den Menschen gemäss Gentsch in die Lage versetzen, bessere Entscheidungen zu treffen.

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Mieke De Ketelaere, Direktorin Künstliche Intelligenz am Forschungszentrum IMEC International in Brüssel, zeigte in ihrem Vortrag, dass KI sich noch am Anfang der Entwicklung befindet. So könne KI auch in der Bilderkennung noch viel von der Menschenumwelt lernen. Wenn es beispielsweise darum gehe, weisse Markierungen auf grünen Wegweisern zu erkennen, würde die Technologie fälschlicherweise auch weisse Schriftzüge auf einem grünen Bus auswählen.

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Thomas Ruck, Managing Director Accenture Interactive, betonte in seinem Referat, dass KI vor allem dafür verwendet werde, Bestehendes zu verbessern. Stattdessen plädierte er dafür, mit dieser Technologie Neues zu schaffen. So zeigte er beispielsweise, dass KI dafür eingesetzt werden kann, zu überprüfen, inwiefern Menschen im Verkehr beim Vorbeifahren Werbeplakate erkennen. Sogenannte Heatmaps zeigen, welche Plakate Verkehrsteilnehmer besonders stark beachten. «Diese Überprüfung kann man nicht erst nach einer Kampagne anstellen, sondern bereits in der Designphase, womit sie vor der Lancierung optimiert werden kann», betonte Ruck.

Für einmal konnten sich die Referenten nicht an den Zeitplan halten. Sie überzogen im Stile Thomas Gottschalks. Doch SWA-Direktor Roland Ehrler zeigte Verständnis: «Sie mussten nun so lange auf diesen Anlass warten – insofern bitte ich, ihnen dies zu verzeihen.»



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