13.10.2000

Datenflut

Was Marketer von der NASA lernen können

Drei Kernprobleme und vier Lösungsvorschläge hat Don White (Bild) für Marketer parat, die angesichts der Flut der auf sie hereinströmender Informationen buchstäblich einen Deichbruch befürchten. Als Chef für Marketing und Kundendienst bei Veridiem, einer USA-weit operierenden Gesellschaft für Marketing Performance Management, hat White angesichts der drei von ihm herauskristallisierten Hauptprobleme der Datenüberfrachtung eine Anleihe bei der US-Raumfahrtbehörde NASA genommen und aus deren Aufräumarbeit im Mission Control Center einen Lösungsvorschlag mit vier Kernzielen entwickelt.
Datenflut: Was Marketer von der NASA lernen können

Wer glaubt, dass der reichhaltigere Datenfluss immer der bessere ist, sollte einmal bei der NASA nachfragen oder noch besser bei deren Kontrollzentrum in Houston. Gerade mal drei Jahre sind es her, dass die Verantwortlichen im Mission Control Center ihre Display-Konsolen einem umfangreichen Upgrading unterzogen hatten. Mit Hilfe modernster Software sollte der Bodenkontrolle ein Datenlevel in bisher nie dagewesener Höhe zugeleitet und ihr gleichzeitig die Flexibilität verliehen werden, damit im Einsatzfall fertig zu werden. Ganz unerwartet jedoch das Resultat der Massnahme, das sich mehr nach "Houston, wir haben ein Problem" als nach "Mission erfolgreich beendet" anhörte. Die plötzliche Komplexität auf den Konsolbildschirmen hatte den ganzen Wert der neuen, zusätzlichen Informationen so gut wie ausradiert. Frage: Gibt es in der Welt der Marketer und des Marketing etwa jemanden, der glaubt, das aufgezeigte Problem sei auf ein im Niveau so hoch angesiedeltes Beispiel wie die Mission Control der NASA beschränkt?

Beileibe nicht. In der Tat sind Datenüberfrachtung und Fehler im Design erfolgskritischer Support-Systeme allgegenwärtig, und Marketer gehören zu der davon am schlimmsten betroffenen Spezies. Marketer sammeln Daten, um sich ein klares Bild zu verschaffen, um mit entsprechendem Vertrauen Entscheidungen über den Aufbau einer Marke fällen zu können. Leider ist es oftmals aber so, dass der Informationserhalt mehr zur Konfusion als zur Klärung beiträgt. Man mag es drehen und wenden, wie man will: Unsere Marketinginformationen sind ausser Kontrolle geraten. Was den typischen Marketer betrifft, so ragen aus der ganzen Problematik drei besonders gravierende Datenprobleme heraus.

Erstens das schier unbeherrschbare Datenvolumen. Ähnlich wie bei den Leidensgenossen von der NASA ist das Hauptproblem für Markter nicht ein Zuwenig sondern ein Zuviel. Die meisten haben auch weder Zeit noch Lust, ein derartiges Übermass an Daten zu verarbeiten und zu analysieren, um aus der ganzen Komplexität heraus dann einen Informationshebel zu schmieden, der sich nutzbringend einsetzen lässt. Kurz gesagt, ist Datenüberfrachtung wie eine Strassensperre auf dem Weg zu effektivem Marketing. Sie fördert Paralyse, nicht Analyse. Mehr noch, Datenüberfrachtung schafft auch Informations-Abfallprodukte im Übermass. Die Prozesse des Marketingmanagements werden unterminiert, was wiederum zu gewaltigen Ineffizienzen im Marketingplan selbst führt und viele Marketer darüber hinaus auch noch dazu verleitet, viele der potenziell wichtigen, aufschlussreichen und oft teuer bezahlten Informationen ganz einfach zu ignorieren.

Zweitens die Unkenntnis, welche Daten in die Gleichung hinein gehören und welche herausgefiltert werden sollten, welche für Marketinginvestitionsentscheidungen hilfreich sind und welche den Prozess behindern. Leider gibt es keinen klar erkennbaren Differenzierungsstrich, und schlechte Daten aus guten auszusondern erfordert, um es noch einmal zu sagen, Versiertheit und Zeit. Durch die vielen sich gegenseitig widersprechenden Datenströme wird alles nur noch schwieriger und komplexer. Bei den Informationsquellen sieht man zumeist keine Notwendigkeit des Ablgeichs von Daten mit denen aus anderen Quellen, beziehungsweise wird ein solcher Zusatzservice nicht angeboten. Mithin fällt dem Marketer die Aufgabe des Datenabgleichs und der Verifizierung zu - mit all' den damit einhergehenden Kopfschmerzen. Doch in Ermangelung geeigneter und auf Objektivität geeichter Werkzeuge wird der Versuch, den Informationsballast zu gewichten, auszudünnen und die Datenspreu vom Weizen zu trennen, für viele zu einem Konfusionsdilemma ohne sichtbaren Ausweg. Ergo kann es vorkommen, dass kritische Entscheidungen auf der Grundlage unvollständiger, unzulänglicher oder sogar komplett falscher Information getroffen werden.

Drittens die Anhäufung von Daten wie in einem Silo: zusammengepfercht in dünne, aus engem Blickwinkel heraus geschnittene vertikale Streifen. Statt mit nur einem müssen Marketer jeoch mit mindestens drei unterschiedlichen Informationsströmen arbeiten: der die Medien, die Marketingkanäle und die Kunden betreffenden Datenvertikale. Und jeder entspringt auch noch einer anderen Quelle. Doch wenn diese relevanten Daten nicht alle integriert werden, mangelt es wiederum an jenem lückenlosen Situationsverständnis, um darauf aufbauend die bestmögliche Zuweisungsentscheidung bei Marketinginvestitionen treffen zu können. Was diese ganze Datenherausforderung noch weiter kompliziert, sind die radikalen Veränderungen, die sich sowohl bei den Verbrauchern (die mehr Ahnung und mehr Macht haben als je zuvor, aber im Konsumverhalten noch nie so schwer einzuschätzen waren wie heute) als auch im Umfeld der Marketing- und Mediavehikel vollzogen haben (wobei letztere aus sämlichen Nähten geplatzt sind und, Internet eingeschlossen, heute Print- und Elektronikoptionen in einer zuvor nie geahnten Vielfalt bieten.) Zusammen genommen, summieren sich all' diese Faktoren zu der Erkenntnis, dass das sichere Wissen um die bestmögliche Marketinginvestitionsentscheidung für jeden Marketer heute mehr denn je zu einer überlebenswichtigen Voraussetzung geworden ist.

Wie seinerzeit bei der NASA, so ist es auch heute in der weniger hoch oben angesiedelten Welt des Marketings: Eine technologische Lösung muss her, um mit diesen ärgerlichen, problembeladenen Herausforderungen fertig zu werden. Denn nur mit Hilfe einer solchen kann es gelingen, dem schieren Datenvolumen die ihm gebührende Funktion bei der Entscheidungsfindung zuzuweisen - und das in der durch die Datenneuanhäufung vorgegebenen Geschwindigkeit.

Während sich die Zahl der Vorschläge häuft, die als angeblich brauchbare Abhilfe unterbreitet werden, kann man unumstösslich festhalten, dass jeder effektive Lösungsweg aus der ganzen Problematik, egal wie er konstruiert sein mag, zu vier Kernzielen hinführen muss: Erstens müssen die zehn bis zwanzig Prozent Daten herausgefiltert werden, die für eine vernünftige Marketinginvestitionsentscheidung von Bedeutung sind. Zweitens müssen diese relevanten Daten so synthetisiert, d.h. integriert werden, dass sich daraus ein vollständiges Informationsbild ergibt, auf dessen Basis Marketer eine solche Entscheidung treffen können. Drittens müssen die so gefilterten Daten schnell darüber Aufschluss geben, mit welchen Teilen im Marketingmix es klappt und mit welchen nicht. Und viertens müssen Einsichtnahmen in die Frage geliefert werden, warum es mit den einen klappt und mit den anderen nicht.


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