28.06.2022

Roger Schawinski

«An Belobigungen muss ich mich noch gewöhnen»

Die Jury des Zürcher Journalistenpreises vergibt die Auszeichnung für das Lebenswerk an Roger Schawinski. Der Journalist, Autor und Medienunternehmer wurde am Dienstagabend in Zürich für sein Temperament, seine Berufsfreude und seinen Tatendrang gewürdigt.
Roger Schawinski: «An Belobigungen muss ich mich noch gewöhnen»
«Es verblüfft mich in der Rückschau, wie viel mir als Einzelmaske gelungen ist», sagt Medienpionier Roger Schawinski. (Bild: Keystone/Gaëtan Bally)
von Matthias Ackeret

Herr Schawinski, herzliche Gratulation für den Zürcher Journalistenpreis für Ihr Lebenswerk (persoenlich.com berichtete). Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Sehr, sehr viel. Es ist der wichtigste Preis in der Schweiz, der von Journalisten an Journalisten vergeben wird.

Sie sind bereits mit dem Ehrendoktor der Universität Freiburg und dem Gottlieb-Duttweiler-Preis ausgezeichnet worden. Welchen Stellenwert nimmt die neuste Ehrung ein?
Dieser Preis wird mir von Branchenkollegen verliehen, mit denen ich mich in der Vergangenheit teilweise heftig beharkt habe – was den Wert für mich zusätzlich erhöht. Ich bin zudem der erste Preisträger, der vor allem in elektronischen Medien und nicht in der gedruckten Presse tätig gewesen ist und der Medienunternehmen gegründet und geleitet hat. Das ehrt nicht nur mich, sondern auch jene Mediensparten, in denen ich vorwiegend tätig bin.

Sie haben den Journalismus in Zürich während der vergangenen fünfzig Jahre als Chefredaktor, TV-Moderator, aber vor allem als Radio- und Fernsehpionier massgeblich geprägt. Wenn Sie zurückschauen, welches ist nach Ihrer Ansicht Ihre wichtigste Leistung?
Es verblüfft mich in der Rückschau, wie viel mir als Einzelmaske gelungen ist. Zuerst mit meinem ersten Projekt, dem «Kassensturz», der auch heute, nach unsäglich langen 48 Jahren, immer noch die erfolgreichste Magazinsendung im Schweizer Fernsehen ist – notabene mit dem deckungsgleichen Konzept wie zu Beginn. Dann kam Radio 24, mit dem ich das SRG-Monopol im Bereich Radio und später mit TeleZüri und Tele24 im Bereich Fernsehen gebrochen habe, was besonders spektakulär und risikobehaftet war. Dann erlebte ich die spannende Zeit bei Sat.1 in Berlin, dies als erster Schweizer Geschäftsführer eines grossen deutschen TV-Senders, bei dem ich den Gewinn innerhalb drei Jahren von 4 auf 204 Millionen Euro steigern konnte. Seit 13 Jahren mache ich nun Radio 1, das Radio «nur für Erwachsene», das als einziges Schweizer Privatradio weiterhin lange und oft auch spannende Wortsendungen anbietet. Ja, und zudem habe ich zwölf Bücher geschrieben, einige von ihnen zu Medienthemen. Alles war wichtig, alles war spannend. Ich möchte diese ganzen Tätigkeiten nicht gegenseitig bewerten.

«Aus jeder Niederlage habe ich etwas Wertvolles gelernt»

Sie hatten mit dem «Kassensturz», mit Radio 24 und später mit TeleZüri den medialen Zeitgeist getroffen. Was gab Ihnen damals die Gewissheit, dass es funktionieren wird?
Gewissheit gab und gibt es nie. Es waren eher instinktive Entscheide, ein Gefühl für echte Marktnischen. Doch dann war jeweils Durchhaltevermögen und Improvisationsgabe gefordert, als die immer auftretenden, unvorhersehbaren Widerstände und Probleme auftraten.

Trotz allem: Gab es Niederlagen und wenn ja, was war die grösste?
Aus jeder Niederlage habe ich etwas Wertvolles gelernt. Der Sprung von TeleZüri zu Tele24 mit einer blitzschnellen Verdoppelung der Kosten war zu gross. Für mich war dies allein nicht zu stemmen, vor allem weil in dieser Phase die Dotcom-Blase platzte, bei der viele unserer wichtigsten Kunden blitzschnell von der Bildfläche verschwanden.

Wie hat sich der Journalismus seit Ihrem Start beim Schweizer Fernsehen in den 1970er-Jahren bis heute verändert?
Das heutige Programm ist leider wenig inspiriert. Keine sichtbaren Programminnovationen, ausser vielleicht bei TikTok und Facebook, keine neuen Leuchtturmsendungen, kaum noch profilierte Sendergesichter. Ich glaube, die heutige Führung muss sich in Hinblick auf die SVP-Initiative sehr warm anziehen und müsste massiv Gegensteuer geben. Allerdings wird das mit dem heutigen Management kaum möglich sein. Wenn diese Abstimmung verloren geht, wird es ein Schweizer Fernsehen in der bisherigen Form nicht mehr geben. Das wäre ein Eigentor der SRG von epischer Dimension.

Sie erwähnen die sozialen Medien. Können Sie mit Facebook, Twitter oder Instagram etwas anfangen?
Ja, die sind wichtig – beängstigend wichtig. Ich selbst bin kein aktiver Teilnehmer.

«Ich war immer ein Medienjunkie»

Welche Medien konsumieren Sie privat?
Sehr viele, im Netz, im Fernsehen und jeden Morgen auf Papier. Ich war immer ein Medienjunkie und geniesse heute die Angebote der grossen, weltweiten Medienwelt in vollen Zügen.

Wie beurteilen Sie momentan das Niveau der Schweizer Medien?
Da gibt es grosse Unterschiede. Diese Frage kann ich nicht sinnvoll beantworten.

Sie sind immer noch bei Radio 1 aktiv und machen regelmässige Hörer- und Expertensendungen zu den Grossthemen Corona oder Ukraine. Auch sind Sie bei Blue Zoom wieder mit einer TV-Talkshow aktiv. Man hat von aussen den Eindruck, dass bei Ihnen die Energie seit 1979 nicht nachgelassen hat – oder täuscht das?
Das täuscht. Nach jeder längeren Sendung sehne ich mich heute nach einem Power Nap, einer Siesta. Früher war dies nicht nötig.

Wenn Sie in der Branche herumschauen, erkennen Sie einen zweiten Schawinski?
Ich habe in jeder Generation von Journalisten die grössten Talente erspäht und freue mich jeweils auf die Gespräche mit ihnen.

Wäre eine Karriere, wie Sie sie gemacht haben, heute noch möglich?
Weshalb nicht? Das Prinzip «right time, right place» gilt immer. Und es gibt immer wieder Leute, die als «Rule Breaker» auftreten.

Zurück zum Zürcher Journalistenpreis: Wie feiern Sie Ihre Auszeichnung?
Am Dienstagabend gab es eine Feier im Kaufleuten. Das wurde nicht ganz einfach für mich. An Kritik und Ablehnung habe ich mich im Laufe der Jahre gewöhnt. Belobigungen gab es eher wenige von Branchenkollegen und Konkurrenten. Am die muss ich mich erst noch gewöhnen.



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