04.09.2019

Tamedia

Anzeige gegen Inland-Journalistin

Ein Tamedia-Artikel über die Rolle der Kesb bei Elternkonflikten hat möglicherweise ein juristisches Nachspiel. Die Partei der Mutter hat Anzeige gegen Claudia Blumer eingereicht. Nach Ansicht von Tamedia sind die Fehler mit dem Bericht des Tamedia-Ombudsmanns richtiggestellt worden.
Tamedia: Anzeige gegen Inland-Journalistin
Der kritisierte Artikel erschien am 1. Juli in der Rubrik «Seite Drei» in «Tages-Anzeiger» und «Bund». (Bild: persoenlich.com)
von Edith Hollenstein

Die Kritik an einem am 1. Juli auf der «Seite Drei» erschienenen Tamedia-Artikel hat juristische Folgen. Wie persoenlich.com weiss, hat die Partei der in «Ein Leben ohne die eigenen Kinder» beschriebenen Mutter bei der Staatsanwaltschaft Schaffhausen eine Anzeige eingereicht. Darin werden zwei Personen angezeigt: Zum einen eine Psychologin beim Kinder- und Jugendpsychologischen Dienst Schaffhausen, zum anderen Claudia Blumer, Medienredaktorin bei Tamedia. Ob diese angenommen werden, ist noch offen.

Richtigstellung verlangt

Aus der persoenlich.com vorliegenden, auf den 23. August datierten Anzeige ist zu entnehmen, dass die Psychologin wegen Verletzung der Schweigepflicht, Verleumdung und übler Nachrede angeklagt wird. Gegen Journalistin Blumer laute die Anzeige auf Veröffentlichung eines Amtsgeheimnisses, Verleumdung und Verbreitung falscher Behauptungen, heisst es im Anzeigeschreiben.

Wie die Einreicherin (sie ist eine Person aus dem Umfeld der im Tagi-Text erwähnten Kinder) gegenüber persoenlich.com sagt, habe sich die Mutter zu diesem Schritt gezwungen gefühlt, weil Tamedia bis jetzt keine Richtigstellung «der 14 objektiv überprüfbaren Fakten» gemacht habe. Tamedia habe die Forderungen (Löschung des Artikels, Richtigstellung und Entschuldigung auf der Seite 3 in Tagi und «Bund») nicht erfüllt. Und Tamedia-Ombudsmann Ignaz Staub sei in seiner Antwort (siehe Screenshot E-Paper unten) «völlig unprofessionell vorgegangen». «Er hat sich unserer Meinung nach gar nicht wirklich mit dem Fall befasst», so die Einreicherin. Zudem hätte es Tamedia unterlassen, wenigstens ihren Leserbrief abzudrucken.

Chefredaktor stellte sich hinter Blumer

Claudia Blumer wird vorgeworfen, sie habe mit diesem Artikel unkritisch die Perspektive eines verzweifelten Vaters kolportiert. Sie habe die Trennung eines Ehepaares mit zwei Kindern verkürzt dargelegt und die Verurteilungen von verschiedenen Instanzen gegen den Mann – er ist gleichzeitig der Informant des «Tages-Anzeigers» –, nicht erwähnt. Blumer rechtfertigte ihre Vorgehensweise gegenüber der «Schaffhauser AZ». Dabei hatte vor allem ihre Aussage, wonach der Text «sinngemäss möglichst nahe an der Wirklichkeit erzählt» sei, «aber ohne Anspruch auf Detailtreue oder gar Richtigkeit der Angaben ist» für zahlreiche Reaktionen auf Social Media gesorgt.

Tamedia-Chefredaktor Rutishauser hatte sich hinter Blumer gestellt und in einem Interview mit persoenlich.com die Vorgehensweise verteidigt.

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Von der nun eingereichten Anzeige gegen Journalistin Blumer hat Tamedia noch keine Kenntnis. «Wir wissen nichts von einer Anzeige und nehmen deshalb keine Stellung», schreiben Claudia Blumer und Arthur Rutishauser am Wochenende auf Anfrage von persoenlich.com. Der Ombudsmann der Tamedia habe sich dazu geäussert mit seinem Beitrag vom 24. August. Damit seien auch die Fehler richtiggestellt worden.

***

Klarstellung von Arthur Rutishauser (aktualisiert Mittwoch, 4. September 2019)

In einem Leserkommentar gegenüber persoenlich.com schreibt Chefredaktor Arthur Rutishauser am Mittwoch, 4. September 2019: «Ganz alles wirklichkeitsgetreu zu erzählen, war nicht möglich «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes». Diesen - entscheidenden - Halbsatz hätten die Schaffhauser AZ wie auch persoenlich.com in ihrer Berichterstattung nicht erwähnt. Wichtig sei ihm aber, dass im betreffenden «Tages-Anzeiger»-Artikel von Claudia Blumer lediglich Angaben wie Alter, Geschlecht, Orte und Namen verfremdet oder weggelassen worden seien. Dieses Vorgehen sei üblich, wenn die betroffenen Personen geschützt werden müssen, so Rutishauser. Zudem habe man die betroffene Frau mehrmals vergeblich um eine Stellungnahme gebeten. Rutishauser wehrt sich gegen den Vorwurf, der «Tages-Anzeiger» habe ihn diesem Fall unseriös gearbeitet. Dies sei aufgrund der schwierigen familiären Konstellation auch nicht anders möglich gewesen. Zudem habe er als Chefredaktor keine Weisungsbefugnis gegenüber dem Ombudsmann und könne diesen in seinem Urteil auch nicht beeinflussen. (ma)



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