28.11.2001

"Der Preiskampf findet längst schon statt"

Bernhard Weissberg (Chefredaktor SonntagsBlick), Felix E. Müller (Redaktionsleiter NZZ am Sonntag) und Andreas Durisch (Chefredaktor SonntagsZeitung; v.l.) kreuzten am Dienstagabend im Rahmen einer ZPV-Veranstaltung die verbalen Klingen. Das Podiumsgespräch zeigte die Stossrichtungen der drei grössten Schweizer Verlagshäuser im Kampf um die Sonntagsleser. So wird das neue Produkt von der Falkenstrasse am Kiosk 3.50 Franken kosten, während die SonntagsZeitung mit 3.20 Franken und der SonntagsBlick mit drei Franken die Preise unverändert lassen. Die Details zu Marketingmassnahmen, Transfers von Journalisten, Primeurs und Druckstandorten:
"Der Preiskampf findet längst schon statt"

Das brandneue Ringier-Pressefoyer war am Dienstagabend die geeignete Bühne für eine Veranstaltung des Zürcher Pressevereins (ZPV), die es in sich hatte: Reto Lipp, Gesprächsleiter, ZPV-Präsident und Chefredaktor von Stocks, befragte keine Geringeren als Bernhard Weissberg, Felix E. Müller und Andreas Durisch zum Kampf um die Sonntagsleser. Dabei schien sich Müller während des gesamten Podiumsgesprächs tunlichst an seinen ersten Satz zu halten: "Heute abend geht es wohl darum, Werbung für den eigenen Titel zu machen, ohne Substanzielles preiszugeben." Die NZZ am Sonntag versuche, eine interessante, anspruchsvolle Zeitung zu machen – weniger aufgeregt, als man es von den Anderen kenne. Als Vorbild nennt er die Sonntagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen. Der Titel begebe sich nicht auf die Jagd nach Primeurs, werde nicht jeden Sonntag mit einem Interview erscheinen. Der Frage, ob die NZZ am Sonntag eine eigene Meinung vertreten könne, entgegnet Müller: "Unerwünscht ist bei uns eine Situation wie im Haus Tamedia, wo es sich der Tages-Anzeiger eine Zeitlang einen Sport daraus machte, am Montag die SonntagsZeitung zu widerlegen. In diese Richtung wollen wir nicht gehen."

Unklar ist, wo die NZZ ihren neuen Titel drucken wird: Zuerst müsse ein Entscheid gefällt werden, ob man in Schlieren Druckmaschinen baut und wenn ja, wann. Die Schlüsselfrage sei damit verknüpft, wie schnell eine Maschine in Schlieren installiert werden könne. Und noch etwas verrät Müller: Das Baby von der Falkenstrasse werde weder einen Stellenanzeiger noch eine andere Beilage haben – damit konnte er wohl nicht Inserate meinen.

Freilich werden die Verantwortlichen des neuen Produkts von der Falkenstrasse vornehmlich das Flaggschiff der Tamedia befehden. Durisch bestätigt, dass 100'000 Leser der SonntagsZeitung auch die NZZ abonniert haben. Und um diese Abonnenten werde es einen Kampf geben. "Ich komme soeben von einem Kadermeeting der Tamedia, und wir haben dort den Slogan 'SonntagsZeitung – das Original' kreiert", meint Durisch schmunzelnd. Damit spielt er auf seine Behauptung an, wonach sich die NZZ nicht nur auf ihre publizistische Qualität beschränke, sondern auch bereit sei, "riesige Investitionen" wie das neunmonatige Gratisabonnement für die bisherigen NZZ-Leser zu tätigen. Entscheidend sei die Frage, ob die Konsumenten der SonntagsZeitung ihre Treue so schnell aufgeben. Diese werde jedenfalls ihre Positionierung nicht neu ausrichten und das Printprodukt nach wie vor über die Hauptargumente exklusive Neuheiten und Unterhaltung verkaufen.

Doppelleser gibt es auch beim SonntagsBlick: Laut Weissberg sind es immerhin 56'000 Lesende, die sowohl das Ringier-Blatt als auch die NZZ abonniert haben. Er nehme jeden Konkurrenten ernst, seine Mannschaft habe sich aber bereits schon vor vier Jahren gewappnet. "Ich habe einzig vor einer Vergratisierung der Sonntagszeitungen Angst", meint er und unterstreicht, dass 80 Prozent der SoBli-Auflage am Kiosk verkauft wird. Müller erwartet, dass bei seinem Produkt rund 60 Prozent aller Gratisabonnenten letztlich auch die Rechnung begleichen. 3.50 Franken wird die NZZ am Sonntag kosten, die SonntagsZeitung (3.20 Franken) und der SonntagsBlick (drei Franken) halten ihre Preise. "Der Preiskampf findet längst schon statt", antwortet Müller auf eine entsprechende Frage, "und zwar im Anzeigenbereich, wo die Tamedia seit Jahren Dumping betreibt." Der SonntagsZeitung kann dieser Vorwurf kaum gegolten haben. Die Zeitung müsse einfach so gut sein, dass die Auftraggeber inserieren möchten, lautet das Credo von Weissberg.

Die Inhalte dazu produzieren bekanntlich nach wie vor die Journalisten, mit denen Müller eine beachtliche Crew stellen kann – einige davon auch von der Werdstrasse. Intern habe es Diskussionen gegeben, was Hauskultur ist, gesteht Durisch Fehler ein. Der Boom im Online- und TV-Bereich habe viele junge Leute direkt in die elektronischen Medien geführt. Weissberg tröstet es, "dass in schwierigeren Zeiten der Print-Journalismus wieder mehr beachtet wird." Beim Thema Inhalt wirft Durisch der NZZ vor, dass sie politisch oder wirtschaftlich heisse Eisen nicht anfasse, weil sie Dementis fürchte. "Ihr habt keine Ahnung, wie viele Dementis wir erhalten", liess sich Müller aus der Reserve locken.



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