06.02.2001

Die TV-Wahlberichterstattung berücksichtigt Frauen zu wenig

Zu diesem Schluss kommt eine Medienstudie zu den Eidgenössischen Wahlen 1999.

In der Fernseh-Berichterstattung zu den eidgenössischen Wahlen 1999 kamen die Kandidatinnen mit einem Redeanteil von 18 Prozent unterdurchschnittlich zu Wort. Dies zeigt eine Studie, welche im Auftrag der SRG SSR idée suisse sowie der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen von Bettina Nyffeler in Zusammenarbeit mit dem SRG SSR Forschungsdienst erstellt wurde. In den einzelnen Stationen sind die Parteien und Geschlechter unterschiedlich präsent. Auch bei den Wahlkampfthemen setzten die Sender unterschiedliche Akzente. Im Vergleich zu den Fernsehstationen sind Kandidatinnen wie auch Journalistinnen bei den Radios der SRG SSR deutlich stärker vertreten.

Die Daten basieren auf einer umfassenden Inhaltsanalyse des Informationsangebots der SRG SSR Fernsehstationen aller Sprachregionen (SF DRS 1, TSR 1, TSI 1) sowie privater Anbieter sprachregionaler Ausstrahlung (Tele24, TV3, TeleTicino) in den vier Wochen vor den Wahlen (27.9. bis 23.10.1999) zur Hauptsendezeit (18-23 Uhr). Zusätzlich wurden die Wahl-Sondersendungen der SRG SSR Radios in allen Sprachregionen untersucht. Hier zeigt sich, dass die Kandidatinnen bei den Radios mit einem Redeanteil von 31 Prozent quantitativ stärker vertreten waren als beim Fernsehen.

Fernsehen und Radios: Redezeiten der Kandidierenden nach Partei und Geschlecht

Werden die Redezeiten nach Sprachregion und Sender betrachtet, zeigen sich markante Differenzen: Der höchste Redeanteil der Kandidatinnen findet sich mit 29 Prozent bei TSR. Die geringsten Redezeiten weisen die Frauen bei TSI und TV3 auf (11 bzw. 8 Prozent). Die höchsten Redezeiten im Fernsehen haben die Kandidierenden der Bundesratsparteien. Über alle TV-Sender hinweg kamen Vertreterinnen und Vertreter der SPS vor der FDP, CVP und SVP am längsten zu Wort. Von den Parteifrauen hatten jene der SPS mit 32 Prozent die grösste Medienpräsenz. Die CVP-Frauen vertraten ihre Partei in geringerem Masse, nämlich mit einem Redeanteil von 21 Prozent, die FDP-Frauen mit 14 Prozent; die SVP-Frauen waren mit 1 Prozent der Parteiredezeit medial inexistent. Im Vergleich zu den Kandidatinnenanteilen der Bundesratsparteien waren alle Parteifrauen im Fernsehen untervertreten.

Nicht so bei den SRG SSR Radios: Hier waren die Kandidatinnen insgesamt wie auch bei den einzelnen Stationen (SR DRS, RSR, RSI) angemessen vertreten, d.h. sie kamen entsprechend ihrem Anteil an Kandidaturen zu Wort. Über alle Sender hinweg betrug ihr Redeanteil 31 Prozent. Wie schon beim Fernsehen war auch beim Radio der Westschweiz die Frauenpräsenz am grössten: Bei RSR beträgt der Redeanteil der Kandidatinnen 37 Prozent. Von den Bundesratsparteien kamen in den Radios der SRG SSR die FDP vor der CVP, der SPS und SVP zu Wort. Im Unterschied zu den Fernsehstationen waren bei den Radios die Parteifrauen angemessen (CVP, SPS, SVP) oder gut vertreten (FDP, LPS, PdA).

TV und Radio: Wichtigste Wahlkampfthemen in der Vorwahlberichterstattung

Im Fernsehen wurde über den Wahlkampf als solcher sowie die schweizerische Aussenpolitik am längsten gesprochen. An dritter Stelle stand der Themenbereich Politik/Parteipolitik/politisches System, vor Wirtschaftspolitik, vor Finanzen, vor Asyl- und Flüchtlingspolitik sowie Sozialpolitik. Bei den Radios wurde am längsten über die Sozialpolitik debattiert, vor der Finanzpolitik, der Wirtschaftspolitik, dem Themenbereich Wahlkampf sowie der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Weder bei den Radio- noch bei den Fernsehstationen war eine geschlechtsspezifische Besetzung sachpolitischer Themen festzustellen.

Präsenz der Journalistinnen und Journalisten in den Vorwahlsendungen

Die Studie beleuchtet neben der Medienpräsenz der Kandidierenden auch jene der Medienschaffenden. Schweizweit sind die Journalistinnen in den Wahlbeiträgen der Fernsehstationen mit einem Redeanteil von 24 Prozent vertreten. Enorme Unterschiede sind zwischen den Stationen feststellbar: Bei TSR haben die Journalistinnen mit 60 Prozent den höchsten Redeanteil. Auf SF DRS sind sie mit 37 Prozent Redezeit präsent. Demgegenüber sind die Journalistinnen bei Tele24 sowie bei den Stationen im Tessin, TeleTicino und TSI, nur mit Redeanteilen von 18, 14 und 11 Prozent vertreten. Wie schon bei den Kandidatinnen sind bei den SRG SSR Radios auch die Journalistinnen insgesamt stärker in den Wahlkontext involviert: 40 Prozent der Redezeit der Medienschaffenden verteilt sich auf Frauen.

Wichtigste journalistische Formate und Kommunikationsstil der Medienschaffenden

Die gesprächsorientierten Sendungen (politische Talks, Diskussionsrunden u.Ä.) waren bei Radio und Fernsehen das bedeutendste journalistische Format im Wahlkontext. Bei den Fernsehstationen findet sich - ausser bei TSR - eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung: In gesprächsorientierten Sendungen, dem wichtigsten Format, dominieren die Journalisten, während die Journalistinnen in Berichten und Moderationen stärker vertreten sind. Bei TSR sowie bei den SRG SSR Radios ist keine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zu finden. Im Kommunikationsstil der Medienschaffenden (z.B. Unterbrechungen und Bewertungen) zeigen sich für Radio und Fernsehen vergleichbare Ergebnisse. Als Regel gilt: Medienschaffende bewerten und unterbrechen die Kandidierenden nicht und sie lassen Frauen und Männer in etwa gleich lang sprechen.



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