Herr Scherrer, seit diesem Sommer sind Sie Leiter TV Regional bei CH Media. Man sagt, Sie seien als «Sanierer» eingestellt worden …
Pascal Scherrer: Der Begriff «Sanierer» impliziert, dass der Bereich TV Regional krank ist und gesunden müsse. Das ist zum Glück nicht der Fall. Aber selbstverständlich liegt ein Teil meiner Aufgabe darin, das Verhältnis von Output zu Input weiter zu verbessern.
Es kommt eher selten vor, dass jemand von SRF zu den Privaten wechselt. Was reizte Sie an der neuen Herausforderung?
Scherrer: Mich reizt und befriedigt das Unternehmerische, das ich bis in die kleinste Facette meines Alltags leben kann. Mein Handlungsspielraum ist gross – und damit auch die Verantwortung.
«Ich verfolge den Ansatz jeder guten Hausfrau oder jedes guten Hausmannes»
Die Reorganisation Ihres Bereichs TV Regional sieht auf den ersten Blick nicht nach einer grossen Sparübung aus. Laut Mitteilung kommt es «nur» zu drei Kündigungen. Das kann nicht alles sein …
Scherrer: Doch, doch. Aber man muss die Hintergründe kennen. Ich verfolge den Ansatz jeder guten Hausfrau oder jedes guten Hausmannes: Ich überlege zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen jeden Tag, für was wir wo und weshalb wieviel Geld ausgeben. Denn mit klugem Wirtschaften und Optimieren des Bestehenden erspart man sich reine Sparübungen. Ausserdem gab es eine Reihe freiwilliger Abgänge. So konnte die Zahl der Kündigungen sehr tief gehalten werden.
Herr Wanner, ab 2021 arbeiten Sie mit Pascal Scherrer am neuen Produktionsstandort «Leonardo» in Zürich-Oerlikon unter einem Dach. Wie wollen Sie Synergien nutzen?
Florian Wanner: Alleine mit dem Zusammenzug realisieren wir Synergien: Wir sparen in der Summe Mietkosten, wir nutzen Studios gemeinsam, wir reduzieren den administrativen Aufwand et cetera. Wie wir weitere Synergien realisieren werden, können wir zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht sagen.
Vor einem Jahr hiess es, CH Media plane innerhalb von zwei Jahren den Abbau von 200 Vollzeitstellen. Wie sieht die Halbzeitbilanz in Ihren Bereichen aus?
Wanner: Wir sind im Bereich Radio auf Kurs. Dank natürlicher Fluktuation und entsprechendem Verzicht auf Wiederbesetzung mussten sehr wenige Kündigungen ausgesprochen werden.
Scherrer: Im Bereich TV Regional läuft es ebenfalls nach Plan. Ich bin froh, dass wir dank erzielten Synergien in anderen Bereichen den Personalabbau minimieren konnten.
Konkrete Zahlen nennt CH Media nicht. Dennoch: Der Abbau läuft weiter – und gleichzeitig wird wieder ausgebaut. Mitte 2020 soll «PilatusToday» starten, zehn Vollzeitstellen werden laut Mitteilung geschaffen. Gibt das eher eine Umverlagerung?
Wanner: Es ist keine «Umverlagerung». Wir investieren in ein weiteres journalistisches Produkt. Wir wollen für die Innerschweiz ein Newsportal schaffen, welches dem Qualitätsanspruch von CH Media entspricht. Die neuen Stellen für «PilatusToday» haben wir ausgeschrieben. Selbstverständlich war teilweise auch bei Mitarbeitenden Interesse vorhanden, so dass wir ein paar Stellen intern besetzen konnten. Entscheidend für die Einstellung waren die Fähigkeiten im Bereich von Online-Journalismus.
«Die Sender werden nie gleich klingen»
Ab 1. November sind Sie, wie bereits im März angekündigt, Radiochef von sieben Sendern. Wie lange geht es, bis alle Sender gleich klingen?
Wanner: Die Sender werden nie gleich klingen. Jede Region hat unterschiedliche Bedürfnisse und diese werden wir bedienen. Wir setzen bei den Sendern auf je einen Programmleiter, um die Regionalität zu stärken. Die musikalischen Sparten-Sender Melody, Virgin Radio Hits und Virgin Radio Rock unterscheiden sich ohnehin komplett vom Rest.
Aber die Bereiche «Programmstrategie und Entwicklung» sowie «Musik und Research» werden für das gesamte Senderportfolio verantwortlich sein. Das muss einen Einheitsbrei geben.
Wanner: Das hat überhaupt nichts mit einem Einheitsbrei zu tun. Es geht darum, das Know-how unserer Ressourcen zu bündeln, um jeden Sender optimal in seiner Region zu positionieren. Die Umsetzung erfolgt dann in enger Abstimmung mit den Programmleitern aus der jeweiligen Region.
Sie schaffen den Bereich «zentrale News» und setzen gleichzeitig auf vier regionale Programmverantwortliche. Haben Sie bei Radio SRF abgeschaut, die einerseits überregionale News aufbereiten, andererseits «Regionaljournale» liefern?
Wanner: Nein. Wir wollen im nationalen und internationalen Bereich Redundanzen verhindern und so die Qualität stärken. Zudem entlastet es die regionalen Redaktionen, welche sich dadurch auf News aus der jeweiligen Region fokussieren können. Dass dieses Konzept funktioniert, zeigen übrigens auch die Erfolge von Argovia und Radio 24 über die letzten zwei Jahre.
Herr Scherrer, wie nutzen die TV-Regionalsender im Bereich News Synergien? Videojournalisten sind von Natur aus Einzelkämpfer …
Scherrer: Unsere Videojournalisten nehme ich nicht als Einzelkämpfer wahr, sondern als grosse Teamplayer. Synergien schaffen wir über die Regionen hinweg – zum Beispiel im Bereich von Serien oder bei News aus dem Bundeshaus.
«Der Trend zu Branded Content ist ein Bedürfnis unserer Werbetreibenden»
News sind aufwendig und kosten viel. Geld verdienen wollen Sie unter anderem mit Branded Content. Was können hier die Zuschauer erwarten?
Scherrer: Der Trend zu Branded Content ist ein Bedürfnis unserer Werbetreibenden. Diesen müssen wir aufnehmen und unsere Chancen im Bewegtbild-Bereich nützen. Dabei hat das Erhalten der Glaubwürdigkeit als News-Medium höchstes Gewicht. Zumal die konzessionierten Sender einen klaren Programmauftrag haben.
Sie erfüllen die Wünsche von Werbetreibenden. Es gibt also eine Art «Mediashop» in der Prime Time, getarnt als Fernsehunterhaltung …
Scherrer: Davon kann keine Rede sein. Wir deklarieren die Branded-Inhalte klar. Und die konzessionierten Sender haben ohnehin ihre Leistungsaufträge zu erfüllen. Unser höchstes Gut ist die Glaubwürdigkeit.
Weiter wollen Sie «mediennahe Geschäftsfelder wie Medientrainings» aufbauen. Wen wollen Sie trainieren?
Scherrer: Wir wenden uns an alle, die Interesse haben an Medientrainings in einem möglichst authentischen TV-Setting und die bereit sind, eine sehr gute Dienstleistung entsprechend zu bezahlen.
Auch Drittaufträge wollen Sie akquirieren. Wollen Sie dem SRF-Produktionszentrum TPC Kunden abjagen?
Scherrer: Wir orientieren uns nicht an einzelnen Mitbewerbern, sondern am potenziellen Markt. Mit unserer grossen Expertise und unseren marktfähigen Tarifen sind wir sehr konkurrenzfähig.
«Unsere Techniker werden immer mehr zu IT-Spezialisten»
Das grösste Synergiepotenzial sehe ich in der Technik. Wie lange braucht es noch Kamerafrauen und Tontechniker?
Scherrer: Technik und Technologie entwickeln sich auch im Broadcast-Bereich schnell und tiefgreifend weiter. Dies wird Implikationen haben im erwähnten Bereich. Aber Broadcast-TV ohne Techniker – und darauf zielt Ihre Frage wohl ab – ist heute undenkbar.
Wanner: In der Radio-Broadcast-Technik haben wir schon lange keine Tontechniker mehr. Unsere Techniker werden immer mehr zu IT-Spezialisten.
Und mit dem Bereich TV National gibt es kein Synergiepotenzial? Oder wird künftig Markus Gilli auf 3+ bei «Bauer, ledig, sucht …» als Moderator eingesetzt?
Scherrer: (Lacht.) Markus kann zwar sehr, sehr viel, aber er fühlt sich im News- und Talk-Bereich am wohlsten und hat hier seine grössten Stärken. Was das Synergiepotenzial betrifft: Natürlich gibt es Synergiepotenzial, das wir nutzen werden. Beispielsweise im Bereich gemeinsam genutzter TV-Studios.
Herr Wanner, was haben Sie eigentlich Ihrem Vater gesagt, als er die Kaufverträge für die 3-Plus-Gruppe unterzeichnet hatte?
Wanner: Wir haben uns gegenseitig gratuliert. Wir freuen uns sehr, dass der Deal zustande gekommen ist. Das ist ein wichtiger Schritt für die Weiterentwicklung von CH Media.
Immer wieder heisst es, lineares Fernsehen und Radio seien früher oder später dem Tod geweiht. Wie sieht Radio und TV der Zukunft aus?
Scherrer: Die Zukunft ist in Radio, Online, TV konvergent. Die Vektoren verschmelzen immer mehr. Entscheidend ist und bleibt der Inhalt und die beste Idee. Deshalb leben wir in der besten und gleichzeitig auch anspruchsvollsten aller Zeiten.
Herr Wanner, seit Sie bei Radio 24 gestartet sind, sind laufend neue Aufgaben und Sender hinzugekommen. Ihr Herz schlug einst für Radio 24. Sie können nicht sieben Herzen haben …
Wanner: Mein Herz schlägt für die Medien und insbesondere für das Medium Radio.
«Der Wettbewerb, dem wir ausgesetzt sind, ist hart»
Für Sie, Herr Scherrer, dürfte es einfacher sein. Bei SRF waren die Strukturen vermutlich komplizierter.
Scherrer: SRF ist ein tolles Unternehmen. Aber klar: Bei CH Media sind wir schlanker aufgestellt und es herrscht eine grosse Dynamik. Wir müssen auch dynamisch und agil sein, denn der Wettbewerb, dem wir ausgesetzt sind, ist hart und im Vergleich mit SRF viel härter.
Ich habe es eingangs erwähnt: Im goldfarbenen Flur am Zürcher Steinfels werden Sie als der Sanierer wahrgenommen. Wie möchten Sie in die Geschichtsbücher von CH Media eingehen?
Scherrer: In meinem Selbstbild bin ich bescheiden und demütig. Geschichtsbücher interessieren mich nur als Leser. Es reicht mir vollkommen, wenn ich für digitalen Aufbruch stehe, mit meinen Kolleginnen und Kollegen erfolgreiche Produkte herstelle, diese gut konsumiert werden und wir damit Geld verdienen.