27.12.2018

Persönlichkeiten 2018

«Ich spüre eine Rückbesinnung auf qualitative Werte»

Der Journalistenmord in der Slowakei oder dynamische Inserate-Preise: Im vierten Teil unserer Serie spricht Ralph Büchi übers 2018 und blickt nach vorn. Er ist COO bei Ringier und CEO von Ringier Axel Springer Schweiz (RASCH).
Persönlichkeiten 2018: «Ich spüre eine Rückbesinnung auf qualitative Werte»
Im Frühling könnte er zudem zum starken Mann bei Axel Springer gewählt werden: Ralph Büchi ist als Aufsichtsratsvorsitzender vorgeschlagen. (Bild: zVg.; Grafik: Corinne Lüthi)

Herr Büchi, 2018 sei ein «Schicksalsjahr der Schweizer Medien», hiess es im September am Swiss Media Forum in Luzern. Sehen Sie das auch so?
Wir durchleben derzeit nicht ein Schicksalsjahr, sondern Schicksalsjahre für die Medien. Zum einen gilt es, die Leserinnen und Leser auch auf den digitalen Vertriebskanälen für unsere journalistischen Angebote zu gewinnen und an diese zu binden, und zum zweiten müssen nachhaltige Geschäftsmodelle in den digitalen Vertriebs- und Werbemärkten entwickelt werden. Dabei kommen wir aber gut voran, dies stimmt mich zuversichtlich.

Was wird Ihnen voraussichtlich in Erinnerung bleiben, wenn Sie in fünf Jahren auf dieses Jahr zurückblicken?
Ganz klar der schreckliche Doppelmord an unserem jungen Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten in der Slowakei, mitten in Europa, im Februar 2018. Jan Kuciak hatte für das zu Ringier Axel Springer gehörende Newsportal aktuality.sk über die Korruption und die Verbindung von regierungsnahen Kreisen mit der Mafia recherchiert und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Darauf folgten die grössten Massendemonstrationen in der Slowakei seit 1989. Unter dem Druck der Bevölkerung mussten der slowakische Ministerpräsident, der Innenminister und der Polizeipräsident zurücktreten. Dieses furchtbare Verbrechen hat den Blick auf die Arbeit von Journalisten und Medien verändert und deren wichtige Rolle zur Aufrechterhaltung einer demokratischen Gesellschaft und eines funktionierenden Rechtsstaats für alle wieder sichtbar gemacht.

«Wir erhalten viele positive Signale von unseren Werbekunden»

Ringier, RASCH und Admeira bieten ab Januar dynamische Preise an für Print-Anzeigen. Welche Reaktionen haben Sie auf dieses neue Angebot bekommen?
Das Feedback ist ausgezeichnet und für Print sehr ermutigend. Mit der Einführung des Dynamic Pricing wollen wir zeigen, dass wir die berechtigten Anliegen unserer Werbekunden nicht nur vernommen haben, sondern darauf auch mit einer echten Innovation reagieren. Was die Flug- und Reisebranche kann, kann Print auch. Print ist und bleibt ein zentrales Element unseres Medienangebots – quicklebendig, attraktiv und absolut zukunftsfähig.

Wie weit sind Sie mit der neuen, webbasierten Buchungsplattform «Marketplace Print»? Kann diese im Frühling eingeführt werden?
Diese Buchungsplattform wird derzeit von unserem Vermarktungspartner Admeira entwickelt und soll den Werbekunden ab dem zweiten Quartal 2019 zur Verfügung stehen. Das wird innerhalb weniger Monate die zweite bedeutende Innovation für den Werbemarkt nach der Einführung des Dynamic Pricing.

«Die digitale Transformation hat die nationalen Marktabgrenzungen pulverisiert»

Was für weitere Projekte haben Sie 2018 stark vorangetrieben?
In der Schweiz die weitere Digitalisierung unserer Medienmarken bei Ringier Axel Springer, von «Le Temps» über den «Beobachter» bis zu den Wirtschaftsmedien und den Publikumszeitschriften. In Osteuropa den forcierten Ausbau unseres Video-Netzwerks und unserer Classifieds-Plattformen. Und in Afrika die Monetarisierung unserer führenden «Pulse»-Newsportale in Nigeria, Kenia und Ghana. Hier migrieren wir derzeit gerade alle Märkte auf die State-of-the-art-Publishing-Plattform, die in unserem Osteuropa-Joint-Venture von Onet in Krakau entwickelt worden ist. Ein wegweisendes Beispiel für die Zusammenarbeit im Konzern und die Realisierung von Synergien im Technologiebereich.

Die Umwälzungen im Werbemarkt sind so gross, dass sich einige deutsche Verlage entschieden haben, künftig auf die Leserschaftserhebung zu verzichten. Gab es auch in der Schweiz Diskussionen darüber, künftig auf die Wemf-Leserschaftszahlen zu verzichten?
Wir diskutieren laufend, wie wir die Qualität der Wemf-Erhebungen verbessern und vor allem die Gesamtreichweiten einer Medienmarke – Print und digital – transparent und verlässlich ausweisen könnten. Dazu stehen wir im Dialog mit Werbekunden und Agenturen, um deren Bedürfnisse optimal abdecken zu können. Ein genereller Verzicht auf die Publikation von Marktdaten schiene uns nicht im Interesse unserer Kunden.

Ein immer grösserer Anteil der Werbebudgets verschiebt sich in Richtung Digital, vor allem zu Google und Facebook. Sie sagten im Herbst in einem persoenlich.com-Interview, dass sie glauben, «in Zukunft würden die qualitativen Werte eher an Bedeutung gewinnen». Welche Entwicklungen oder Fakten machen Sie da so zuversichtlich?
Wir erhalten viele positive Signale von unseren Werbekunden und den Agenturen. Die Skandale rund um den Missbrauch von Daten im Umfeld der grossen US-Plattformen, die unappetitliche Vermischung von «Fake News» und «Hate Speech», die Bedenken rund um «Fake Traffic» – all dies führt zu einer Rückbesinnung auf qualitative Werte: Die Qualität und Verlässlichkeit des inhaltlichen Umfelds, die Qualität des Traffics, das Engagement der User: Dafür stehen unsere Medienmarken.

«Wir wollen den Marktmissbrauch durch Quasi-Monopolisten verhindern»

Was halten Sie von einer Digitalsteuer, wie sie die EU-Kommission vorgeschlagen hat, jedoch vorerst ohne Einigung?
Zu einem fairen Wettbewerb zählt auch, dass die verschiedenen Marktteilnehmer steuerlich vergleichbar behandelt werden. Die digitale Transformation hat die nationalen Marktabgrenzungen pulverisiert. Dies hat dazu geführt, dass bedeutende Erlöse der internationalen Player auch auf Märkten entstehen, wo sie nach heutigem Recht keiner Steuerpflicht unterliegen. Im Sinne gleichlanger Spiesse sollte dies bereinigt werden.

Sie sind seit 2017 Chairman im Weltverband der Zeitschriftenverleger FIPP. Inwiefern wird auch dort die Digitalsteuer als Thema vorangetrieben?
Die FIPP stimmt sich bei diesen Themen – auch bei dem derzeit in Brüssel heiss diskutierten «Publisher’s Right» – eng mit den internationalen Organisationen wie dem European Publishers Council EPC, der INMA und EMMA ab. Wir vertreten gemeinsam die Interessen der privaten Medienhäuser für einen fairen Wettbewerb und die Verhinderung des Marktmissbrauchs durch Quasi-Monopolisten.

Welche anderen Themen stehen im FIPP auf der Agenda?
Ganz oben stehen der Ausbau der FIPP in Asien sowie der Wissenstransfer rund um die digitale Transformation an kleinere und mittlere Verlagshäuser, die aus den Erfahrungen der grossen internationalen Player viel lernen können. Die dazu neu geschaffene Veranstaltungsreihe «FIPP Insider» war bereits im Launchjahr 2018 mit Veranstaltungen in acht verschiedenen Metropolen und über 400 Teilnehmern ein grosser Erfolg.

Und wie werden Sie ins neue Jahr starten?
Im Tiefschnee im Wallis.



In der Serie «Persönlichkeiten 2018» lassen wir Menschen, die 2018 von sich reden machten, nochmals zu Wort kommen. Weitere «Persönlichkeiten 2018» finden Sie hier.

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