Der Sinn und Zweck der vom Presserat hinsichtlich Namensnennung und Identifizierbarkeit empfohlenen Zurückhaltung besteht darin, Eingriffe in die Privatsphäre nach Möglichkeit zu vermeiden, soweit eine identifizierende Berichterstattung nicht ausnahmsweise, zum Beispiel durch ein überwiegendes öffentliches Interesse, gerechtfertigt werden kann. Die grösste Gefahr einer Verletzung der Privatsphäre besteht in der Regel dann, wenn ein Betroffener in seiner näheren Umgebung identifizierbar ist. Deshalb kann bei der Prüfung der Frage, ob die Identifizierbarkeit eines Betroffenen zu bejahen ist, bei einer gesamtschweizerisch erscheinenden Zeitschrift nicht auf einen sog. Durchschnittsleser abgestellt werden. Ist der Betroffene für die nähere Umgebung erkennbar, muss ihm zudem vor Abdruck des Medienberichts in jedem Fall Gelegenheit gegeben werden, zu schwerwiegenden Vorwürfen Stellung zu nehmen. Zu diesen Schlüssen gelangt der Schweizer Presserat in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme.
Der "Beobachter" veröffentlichte im Dezember 1999 einen Artikel über einen Nachbarschaftsstreit aus Sicht einer der betroffenen Parteien, die unter den Schikanen des jungen Nachbarsohnes leide, der sich immer an den Grenzen des Zulässigen bewege und als uneinsichtig und böswillig beschrieben wurde. Nachdem sich der Betroffene vorerst nicht mit dem "Beobachter" über den Abdruck einer Gegendarstellung einigen konnte, gelangte er an den Presserat und rügte eine verzerrte Darstellung des Sachverhalts, eine Persönlichkeitsverletzung sowie die Unterlassung der Anhörung durch den "Beobachter" vor Publikation des Artikels. Der "Beobachter" machte in seiner Stellungnahme zur Beschwerde hinsichtlich des Vorwurfs der Nichtanhörung unter anderem geltend, dass der Autor des Artikels nicht nur die Nachbarn des Beschwerdeführers angehört, sondern auch unabhängige Personen befragt habe. Da dessen Identität für den Durchschnittsleser des "Beobachters" nicht erkennbar gewesen sei, habe eine Anhörung des Beschwerdeführers unterbleiben können. Künftig werde man aber in gleichartigen Fällen der Gegenpartei Gelegenheit zu einer Stellungnahme geben.