Das gab es so noch nie: Die 21. Ausgabe des SwissRadioDay wurde am Donnerstagmorgen live aus dem Teleclub-Studio in Volketswil übertragen. Aus dem ganztägigen Anlass, der in den vergangenen Jahren im Zürcher Kaufleuten stattfand, wurde so ein 70-minüter Stream (persoenlich.com berichtete).
«Ich bin sehr glücklich. Wir hatten ein erstaunliches Team, das uns durch den Vormittag half», so Organisator Darryl von Däniken gegenüber persoenlich.com. 375 Direktanmeldungen seien registriert worden. «Wir haben gehört, dass viele Radiosender den Livestream in ihren Konferenzraum einspeisten. Dies unterstreicht einmal mehr, dass wir soziale Wesen sind und am besten mit sozialem Engagement funktionieren», so von Däniken weiter.
Moderatorin Maria Victoria Hass führte zweisprachig – deutsch und französisch (und sogar ein bisschen rätoromanisch) – durch den Event. Angereichert wurde die Live-Sendung mit vielen Einspielern, teils etwas ausführlicher, teils aber nur als kurzer Teaser. Vertiefende Inhalte wurden nach dem Livestream auf den YouTube-Kanal des SwissRadioDay geladen.
Zu Beginn des Streams wurden die französischen Inhalte für die deutschsprachigen Zuschauenden jedoch nicht simultan übersetzt, wie dies im Kaufleuten der Fall gewesen wäre. Grund dafür war ein technisches Problem: «Alles, was es brauchte, war ein Refresh, um den Livestream zu aktualisieren. In Anbetracht des jungfräulichen Territoriums haben wir uns gut geschlagen», sagt von Däniken.
Ausgewogenes Massnahmenpaket
Jürg Bachmann, Präsident des Verbands Schweizer Privatradios VSP, bedauerte gleich zu Beginn: «Schade, dass wir uns nicht persönlich sehen können. Wir werden das aber nächstes Jahr nachholen.»
Dann folgte eine «Schaltung» zur Fachhochschule Graubünden, wo die Moderatorin Bernard Maissen interviewte. Maissen ist seit 1. Juli Direktor des Bundesamts für Kommunikation (Bakom). «Es war ein sehr fliessender Übergang vom Vizedirektor zum Direktor. Ich musste einfach einen Stock höher steigen», sagte er. Auf die Kritik, dass reine Digitalradios bei der Corona-Soforthilfe des Bundes leer ausgingen, antwortete Maissen: «Ganz leer gehen sie nicht aus, weil wir bei den DAB+-Übertragungskosten auch aufgestockt haben. Wir haben diejenigen Sender begünstigt, die eine kontinuierliche Information und eine grosse Reichweite haben.» Mit dem Medien-Massnahmenpaket werde sich für Radios nicht viel ändern. «Die Vorlage des Bundesrates ist eine ausgewogene Vorlage für alle Medien.»
Zu Wort kam auch Martina Fehr, die inmitten des Lockdowns ihre neue Stelle als MAZ-Direktorin antrat. «Es war eine sehr spannende Herausforderung. Das erste Treffen fand via Zoom statt.» Durch Corona habe das Medienausbildungszentrum eine eigentliche Digitalisierungswelle erlebt. Darin sieht Fehr deutliche Vorteile. «Wir können nun Tageskurse aufsplitten und die Stunden-Häppchen über eine Woche verteilen.» Finanziell habe der Lockdown «schmerzhafte Bremsspuren» hinterlassen, da die Schule zwischenzeitlich geschlossen werden musste. «Auch die Distanzregel ist eine grosse Herausforderung», so Fehr. So habe es im grössten MAZ-Saal statt für 60 Personen neu nur noch Platz für deren elf. Zudem gebe es – bedingt durch die Medienkrise – auch weniger Ausbildungsplätze und in der Folge weniger Studierende.
«UKW ist das neue Schlusslicht»
Einer der Schwerpunkte war auch in diesem Jahr die Umschaltung von UKW auf DAB+. Den Anfang machte ein Blick über die Landesgrenzen. «An DAB+ führt in Bayern kein Weg vorbei», so Siegfried Schneider, Präsident der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien. DAB+ habe den «Point of no return» mittlerweile erreicht.
In der Schweiz findet laut der neusten DigiMig-Studie mittlerweile 71 Prozent der Radionutzung digital statt (IP oder DAB+). «UKW ist mit noch 29 Prozent das neue Schlusslicht», sagte Jessica Allemann von der SRG. Auch im Auto habe die digitale Radionutzung den UKW-Standard unterdessen überholt. Die Netze würden dafür kontinuierlich ausgebaut, so Bernhard Schmid, CEO von SwissMediaCast: «Je nach Region kommen die Hörer so in den Genuss von über 100 Programmen der SRG und privaten Radiostationen.»
Spätestens im Januar 2023 soll in der Schweiz ganz auf DAB+ umgeschaltet werden. Die beteiligten Verbände hätten «vor wenigen Tagen eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet», so Iso Rechsteiner, Projektleiter DigiMig. Die SRG werde im August 2022 UKW abschalten, die Privaten dann im Januar 2023.
Massenphänomen Podcasts
Ebenfalls einen Schwerpunkt am SwissRadioDay 2020 bildeten Podcasts. So sagte etwa Christian Schalt, Chief Digital Officer bei RTL Radio Deutschland: «Die Reichweite bei den Radiosendern ist nach wie vor hoch, viele Leute schalten ein. Die Nutzungszeit geht aber zurück. Gleichzeitig werden Podcasts zum Massenphänomen.» Dies ist auch eine Herausforderung für den Werbemarkt: «Radio wird das Primat als Audiowerbeträger verlieren», so Martin Baumgartner, Head of Research & Development bei SwissRadioworld. «Die Online-Verkaufskanäle werden viel wichtiger».
Über «User Generated Content», also nutzergenierte Inhalte, gab SRF-Podcast-Entwicklerin Eliane Leiser Einblick. «Corona eignet sich unglaublich gut für User Generated Content.» Jeder Hörer habe eine Geschichte zu Corona. Das Wichtigste dabei sei, dass die Aufrufe an die Hörerschaft einfach sein müssen. «Je mehr der Hörer spürt, dass er das Programm beeinflussen kann, desto eher kommen auch Inputs», so Leiser.
«Schweizer Musik spielen»
Einen Aufruf der anderen Art gab es als Auflockerung des SwissRadioDay. Komiker Müslüm sagte in einem Einspieler, dass man alleine mit Hören gesund werden könne. Radiostationen hätten dabei eine unglaubliche Verantwortung. Er forderte die Radiomacher auf: «Bespielt unsere Ohren mit reichhaltigen Frequenzen, am besten mit regionalen.» Zum Beispiel mit Musik, die von dem erzähle, was die Gesellschaft im Alltag berühre und bewege. «Langsam habe ich die Ohren voll von diesem Einheitsbrei.» Dieser habe sprachlich wie kulturell nichts mit dem Alltag zu tun. Müslüms Appell: «2020: Ein Ausländer bittet die Schweizer Radios Schweizer Musik zu spielen.»
Alles in allem war der SwissRadioDay in seiner digitalen Edition gelungen. «Es war so cool wie eine Gurkensuppe», bilanziert Darryl von Däniken. «Houston had no serious breakdowns!»