31.01.2016

Tamedia

«Mit Partyfotos konnten wir Tilllate nie gänzlich monetarisieren»

Tilllate startet neu als Jugendkanal unter «20 Minuten». Chefredaktor Marco Boselli und Tilllate-Leiter Robin Brühlmann sprechen im Interview über das Duzen von Lesern und erklären, wie sich das Portal von «Friday» unterscheidet. Zudem definieren sie einen neuen Typ Journalist.
Tamedia: «Mit Partyfotos konnten wir Tilllate nie gänzlich monetarisieren»
von Matthias Ackeret

Herr Boselli, Sie lancieren Tilllate neu unter dem Deckel von «20 Minuten». Warum?
Boselli: In den letzten Jahren hat sich Tilllate auch dank Redaktionsleiter Ronny Nenniger erheblich weiterentwickelt. Die journalistischen Inhalte wurden immer wichtiger als die Partyfotos, mit denen das Portal vor über einem Jahrzehnt berühmt wurde. Diese Entwicklung wollen wir konsequent weitertreiben: Tilllate bekommt das «20 Minuten»-Logo vor sein neues Logo, wird vollständig in unsere Seite integriert und so zu unserem Jugendkanal.

Sind die Partyfotos out?
Brühlmann: Ja, Facebook und Instagram aber auch die Selfies konkurrenzierten die Partyfotografie in den letzten Jahren immer mehr und machten sie fast überflüssig. Bei unserer aktuellen Zielgruppe spielt die Partyfotografie kaum eine Rolle mehr. Dies zeigt sich auch im Ausgangsverhalten. Während man sich vor zehn Jahren noch in der Öffentlichkeit darstellen wollte, suchen viele Jugendliche heute die Anonymität in den Clubs.

Sie legen also noch mehr Gewicht auf die Texte. Da geht es oft um Sex oder Drogen. Schmälern Sie dadurch nicht die Glaubwürdigkeit von «20 Minuten»?
Boselli: Warum? Das sind Themen, die in dieser Zielgruppe genauso wichtig sind wie Ausbildung, eine erste Wohnung oder Budgetfragen. Doch es geht nicht nur um die richtigen Themen, als vielmehr auch um den richtigen Sound. Diese Art von Millennial-Journalismus wurde bisher vor allem von Nischenprodukten wie dem Vice-Magazin oder LikeMag abgedeckt. Obwohl «20 Minuten» auch bei den jungen Lesern der stärkste Brand ist, waren wir in diesem Bereich vielleicht einfach etwas zu brav. Mit der Neupositionierung von Tilllate hat «20 Minuten» jetzt einen frechen, lauten Bruder.

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Brauchen Sie dafür einen neuen Typ Journalist?
Boselli: Ja, der neue Kanal setzt auf junge Journalisten, die das auf Tilllate beschriebene Lebensgefühl dieser Generation kennen und sich ihrer Sprache bedienen ohne sich anbiedern zu müssen. Tilllate wird ähnlich wie «Friday»: gewisse Themen, die «20 Minuten» lanciert, übernehmen und inhaltlich in ihre Welt überführen.

Brühlmann: Wir konnten unseren Mitarbeiterstamm bei gleichbleibendem Budget verdoppeln. Zusammen mit der Westschweiz beschäftigen wir acht Journalisten, die sich ausschliesslich um Jugendthemen kümmern. Ihr Alter ist zwischen 22 und 32 Jahren. Wir versuchen die grossen Themen, wie beispielsweise Jugendarbeitslosigkeit, Alltagsprobleme, Liebe oder Schule aus der Sicht der Jugendlichen zu behandeln. Die Tilllate-Journalisten werden auch an der täglichen Redaktionssitzung von «20 Minuten» teilnehmen.

Wer sind Ihre Werbekunden?
Brühlmann: Es handelt sich vornehmlich um Werbekunden, die sich an die Jugend richten und ihr Angebot national präsentieren wollen. Momentan gibt es keinen coolen Brand, der in dieser Konsequenz diese Aufgabe übernimmt. Trotz dem hohen Traffic der Partyfotografie konnten wir die Seite mit den Bildern nie gänzlich monetarisieren. Für gewisse Werbekunden war es sogar hinderlich, sich in diesem Umfeld zu präsentieren. Das ist nun anders, wie die ersten positiven Erfahrungen zeigen. Wichtig ist, dass wir neu aus der «Wir»-Perspektive berichten. Unsere Journalisten sind gewissermassen «embededded», sie wissen wirklich, wovon sie schreiben.

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Das behaupten die «Blick-am-Abend»- und Joiz-Macher auch von sich...
Boselli: Mit dem Unterschied, dass wir in diesem Lesersegment bereits die klare Nummer eins sind. Lassen Sie es mich so erklären: «20 Minuten» ist wie ein journalistisches Warenhaus, das alle Bedürfnisse abdeckt. Wir haben auch die junge Kundschaft bereits im Haus, nur wollen wir sie in Zukunft noch besser und zielgerichteter betreuen.

Wodurch unterscheidet sich Tilllate von Friday?
Brühlmann: «20 Minuten Friday» deckt vor allem das Mode-, Beauty- und People-Segment ab. Dies im Gegensatz zu Tilllate, welches sich Jugendthemen widmet - vom ersten Absturz bis zum Auslandaufenthalt. Im Gegensatz zu unsern Mitbewerbern wollen wir die Jugend zeigen, wie sie ist. Also weder verdammen noch idealisieren.

Aber wer ist der ideale Tilllate-Konsument?
Boselli: Reinschauen darf natürlich jeder. Daheim fühlen aber werden sich vor allem Jugendliche, die irgendwo um 2000 herum geboren sind und einen urbanen Lebensstil pflegen.

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Sie duzen Ihre Leser. Besteht da nicht die Gefahr der Anbiederung?
Brühlmann: Davon gehen wir nicht aus, denn unsere Journalisten kennen die Tonalität unserer Nutzer. Unsere Sprache ist so, wie die Jugend tönt. Wir laufen auch nicht mit dem Mahnfinger durch die Welt. Es ist für uns völlig in Ordnung, wenn man am Samstagabend betrunken ist und am Montagmorgen wieder in der Uni sitzt.

Wie wollen Sie Ihr Portal bekannt machen?
Boselli: Zum einen bleibt die Internetseite tilllate.com weiterhin bestehen. Wir starten also nicht völlig neu, sondern bauen unsern Angebot weiter aus. Zum andern hat unsere Werbeagentur Rod eine coole Kampagne kreiert, die unter dem Claim «Läuft bei mir» mit Fotos das Kopfkino dieser Generation anwirft. Nicht alle bei uns haben das auf anhin verstanden - der beste Beweis dafür, dass die Kampagne funktionieren wird (lacht).

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Bilder: zVg.



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Kommentare

  • Steff Konrad, 27.03.2016 03:09 Uhr
    Tamedia unterbietet mittlerweile mit 20min + Tilllate sogar die BILD und den Blick. Einfach unterirdisch kann man da nur sagen, man sollte die gesamte Chefetage auf der Stelle austauschen! Lausigen, dilettanischen, talentfreien, niveaulosen Journalismus kann man es nennen!
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