06.09.2012

Erfolgreiche Frauen

Nancy Wayland Bigler

Bakom-Medien-Chefin spricht über ihre Karriere.
Erfolgreiche Frauen: Nancy Wayland Bigler

Seit einem Jahr ist Nancy Wayland Bigler Chefin von 50 Mitarbeitern des Bereichs "Medien und Post" beim Bakom. Wie verschaffte die Quereinsteigerin das nötige Know-how in der unsteten, leidenschaftsgeprägten Radio- und TV-Branche? Im vierzehnten Teil unserer Serie "Erfolgreiche Frauen" spricht die 44-Jährige Juristin über mangelnde Kinderakzeptanz in der Schweiz und ihre grosse Leidenschaft zum iPad. Das Interview:

Frau Wayland Bigler, was beschäftigt Sie momentan?

Da muss ich zuerst überlegen, denn es sind so viele Themen und Projekte, die auf meinem Radar sind! Ein ganz wichtiger Punkt ist die technologische Entwicklung im Medienbereich, diese beschäftigt uns sehr stark. Konkret heisst das, dass wir diese Woche mit Programmanbietern gesprochen haben die vom Wandel der Analogtechnik ins Digitale betroffen sind. Vor allem beschäftigen die Branche zentrale Fragen des Urheberrechts. Ein aktuelles Beispiel ist die SRG, die damit konfrontiert ist, dass andere Nutzer SRG-Produkte verbreiten und sogar eigene Werbung voran schalten. Bei allen Themen ist für mich immer eine Frage zentral: Wo soll oder muss das Bakom regulieren? Diese für die Zukunft zu beantworten, ist nicht immer ganz einfach und letztlich ein politischer Entscheid.

Das Bakom entstand vor 20 Jahren aus dem Bedürfnis, den Radio- und TV-Bereich zu reglementieren. Nun bringt aber das Internet ganz neue Voraussetzungen, so dass Frequenz-Zuteilungen und Konzessionen aus technischer Sicht gesehen, gar nicht mehr nötig sind. Wird das Bakom bald überflüssig?

Nein, bestimmt nicht. Aus meiner Sicht sind wir hier mitten in der Diskussion rund um den Service Public. Das Bakom setzt sich dafür ein, dass die ganze Schweiz gut informiert und unterhalten ist – dass auch Berg- und Randregionen erreicht werden. Würden wir Teile der Branche nicht bis zu einem bestimmten Grad reglementieren, wäre dies nicht der Fall. Der heutige Markt ist so schnellebig und es kommen immer neue Player dazu. Momentan z.B. Gerätehersteller wie Apple oder Samsung. Aber auch die Telekomanbieter oder Kabelnetzbetreiber wollen darüber bestimmen, welche Inhalte über ihre Netze und Geräte verbreitet werden. Damit alle Bürger in diesem Land, wichtige und demokratiepolitisch relevante Informationen erhalten, muss der Staat gewisse Regeln aufstellen, denn es entspricht wohl nicht der heutigen Marktlogik, einen umfassenden Service Public zu bieten.

Sie sind Juristin, arbeiteten bei der IV und sind nun seit einem Jahr beim Bakom verantwortlich für den Bereich „Medien und Post“. Wie ergeht es Ihnen als Quereinsteigerin? Woher holen Sie sich Ihr Know how?

Glücklicherweise verfüge ich über sehr kompetente Mitarbeitende. Somit ist das Wissen bereits hier. Ich selber eigne mir Wissen an, indem ich mich in Sitzungen oder im persönlichen Gespräch intensiv austausche und viel lese. Know-how im politischen Prozess und im gesetzgeberischen Bereich bringe ich aus meinen früheren Tätigkeiten mit.

Oftmals stehen Sie ja auch in Kontakt mit Anspruchsgruppen, die nicht im Haus arbeiten, sondern ausserhalb: bei den Radio- und TV-Stationen und in den Verlagen.

(lacht)! Ja klar, zum Glück! Dieser Austausch ist mir auch sehr wichtig. Ich und meine Mitarbeitenden gehen viel raus, besuchen Veranstaltungen und sitzen nicht ständig in unseren Büros. Wir müssen nahe dran sein, bei dem was die Radio- und TV-Sender beschäftigt.

Sie haben oft mit den Privatradiobetreibern zu tun. Moritz Leuenberger sagte vor rund 10 Jahren, diese seien die Schlimmsten. Wie erleben Sie diese Zusammenarbeit?

Meine Erfahrung ist anders. Generell ist die Zusammenarbeit mit den Radio-Verantwortlichen eine Freude, denn mich freut es immer, wenn Leute etwas mit Leidenschaft tun. Diese Leidenschaft ist bei den Radio-Veranstaltern sehr wohl spürbar – dies finde ich toll. Logisch, manchmal wird es schwierig, weil die Diskussionen auch sehr emotional verlaufen können. Und klar, gibt es Differenzen, weil das Bakom eine andere Logik vertritt als die Radio-Betreibenden, die keine regulatorische, sondern eine unternehmerische Perspektive haben. Zum Beispiel bei der Definition von Qualität haben wir manchmal unterschiedliche Sichtweisen. Hier gibt es schon ab und zu Meinungsverschiedenheiten zu klären. Hilfreich sind Studien, die wir unabhängigen wissenschaftlichen Institutionen in Auftrag geben. Sie sollen die öffentliche Diskussion zur Qualität der Medien ankurbeln und ihnen so ein Feedback ermöglichen.

Wie nutzen Sie selber Radio, TV und Zeitungen?

Ich bin ein grosser iPad-Fan - für dieses Gerät habe ich eine grosse Begeisterung entwickelt in letzter Zeit. Ich bin wirklich dankbar, dass Tablets erfunden wurde. Morgens lese ich Zeitungen übers iPad auf dem Weg zur Arbeit, mit dabei „Der Bund“ oder „Tages-Anzeiger“ – weil die Inhalte ja zum grossen Teil identisch sind. Dann lese ich die NZZ, aber auch „20 Minuten“. Zu „20 Minuten“ stehe ich, obwohl der Inhalt für mich nur Einstieg sein darf für eine weiterführende Lektüre. Doch ich muss wissen, was die Leute lesen.

Beruflich müssen Sie sich mit allen Medien auseinander setzen, insbesondere mit den konzessionierten. Wie nutzen Sie Radio und TV privat?

Da ich nicht Autofahre, höre ich unterwegs nie Radio. Zuhause höre ich oft DRS 3.

Finden Sie es richtig, dass die Schweiz nur ein einziges grosses Informationsfernsehen hat?

Es wird hierbei wohl keine fundamentalen Veränderungen geben, denn die Leistungsaufträge – an die SRG auf der einen Seite und an die Privaten auf der anderen Seite – sind sehr unterschiedlich. Es ist sehr fraglich, ob ein anderer Anbieter eine solchen Leistungsauftrag wie denjenigen, den die SRG erfüllen muss, erbringen könnte.

Sie führen rund 50 Leute. Wie kamen Sie zu diesem Job?

Ich hatte mich ganz normal auf die Stellenausschreibung beworben. Nach meiner langjährigen Anstellung beim Bundesamt für Sozialversicherungen, arbeitete ich in einer grossen kantonalen Organisation. Dort realisierte ich, dass mir die Verbindung zur nationalen Politik und diesen politischen Prozessen fehlen. Deshalb wollte ich wieder zu einer nationalen Behörde zurückwechseln.

Wie eng arbeiten Sie mit Bundesrätin Doris Leuthard zusammen?

Wir stehen in intensivem Austausch mit Frau Leuthard und ihrem Team. Es ist sehr wichtig, dass wir uns regelmässig in Sitzungen treffen oder per Mail in Kontakt stehen.

Wie sind Sie aufgewachsen? Wahrscheinlich in der Region Basel, wie Ihr Dialekt vermuten lässt.

Ich bin in Therwil (BL) aufgewachsen – in einer Einfamilienhaus-Siedlung, als Einzelkind. Später ging ich nach Oberwil ins Gymnasium und entschied mich für die Ausbildung zur Sozialarbeiterin. Doch als ich die Schule für Soziale Arbeit antreten wollte, riet mir die Leitung davon ab. Ich solle besser studieren, sagte man mir. Dies hat mich damals sehr verärgert. Im Nachhinein bin ich aber froh darüber, denn ich studierte deshalb Soziale Arbeit an der Universität Fribourg. Später holte ich das Jurastudium nach.

Erst mit ungefähr 30 Jahren, nach Ihrem zweiten Studium, hatten Sie das Gefühl, beruflich am richtigen Ort zu sein.

Nein, auch die Soziale Arbeit hat mir gefallen. Doch als Sozialarbeiterin hat man oftmals Vorgesetzte mit einem ganz anderen Hintergrund oder man muss mit Behörden zusammenarbeiten, die aus Laienmitgliedern bestehen. Dies war für mich teilweise mühsam. Daher ergriff ich immer wieder Gelegenheiten neue Wege zu gehen, wenn sich mir diese Möglichkeiten boten.

Hat es sich in Ihrer Jugend abgezeichnet, dass Sie einmal Karriere machen werden?

Rückblickend kann man schon sagen, dass ich auffällig oft in Situationen geraten bin, in denen ich zuvorderst stand: z.B. als Klassensprecherin oder in einer Studentenvereinigung, die sich für ein bestimmtes Anliegen einsetzte. Dieser Drang, etwas gestalten zu wollen, ist spürbar wie ein roter Faden durch mein Leben.

Wie Sie sagten, sind Sie sehr ländlich aufgewachsen. Wie leben Sie heute?

(lacht) Immer noch sehr ländlich, leider! Zürich, wo ich kurz arbeitete, hat mir sehr gefallen. Doch jetzt wohne ich eher provinziell: in der Agglomeration von Olten.

Haben Sie Kinder?

Ich bin verheiratet, habe aber keine Kinder. Daneben habe ich einen grossen, schweizweit verstreuten Freundeskreis. Dadurch reise ich oft.

Haben sich bewusst gegen Kinder entschieden?

Ich spürte nie einen grossen Wunsch, Kinder zu haben. Ich habe mich in den letzten Jahren intensiv mit dieser Thematik beschäftigt. Dabei wurde mir durch den Austausch mit meinen Freundinnen und Freunden immer mehr bewusst, dass wir in der Schweiz – je nach Lebensweg – nur sehr wenig Kontakt mit Kindern haben. Bei gewissen Leuten entsteht so gar nie das Bedürfnis: "So jetzt will ich auch: Kinder, das wäre jetzt schön." Früher war dies anders: Kinder zu bekommen war naheliegender, weil sie im Alltag als selbstverständlich integriert waren. Anders erlebte ich die Situation in Stockholm. Bei einer Reise dorthin wurde mir bewusst, wie selbstverständlich Kinder in einer Gesellschaft sein könnten. Wir Schweizer müssen uns als Gesellschaft darüber Gedanken machen, was wir hier verpassen.

Momentan wird das Thema Frauenförderung breit diskutiert – auch mit der Forderung nach einer temporären Frauenquote in Führungspositionen. Was halten Sie davon?

Viviane Reding sagte es schön: "Ich mag die Quote nicht, doch ich mag die Ergebnisse, die sie bringt". Ich bin genau dieser Ansicht. Diese Frage kann ich nicht so einfach beantworten, denn ich kann mich weder für, noch gegen eine Quoteneinführung aussprechen. Für mich wäre eine Quote ultima ratio. Eher sollten wir Alternativen ausprobieren, denn wichtig wäre es, einen Bewusstseinsprozess zu starten. Ich habe den Eindruck, dass sich momentan vieles bewegt.

Aber nur deshalb, weil es radikale Stimmen gibt, welche eine Quote fordern.

Ja genau. Spannend finde ich die Diskussion. Für mich gilt: Jederzeit über die Quote reden, doch sie realisieren: Vermutlich eher nicht.

Wo wird man Ihren Namen in drei Jahren lesen?

Ich will beim Bakom bleiben, denn es gibt noch so viel zu tun. Mir ist es wichtig, dass ich bei meinen Projekten nicht nur die Planungsphase bestreite, sondern auch in der Umsetzung mit dabei bin.

Interview und Bilder: Edith Hollenstein

Weitere Interviews in dieser Serie:

Andrea Hemmi, Leiterin Unternehmenskommunikation SRF; Nicole Althaus, Chefredaktorin von "wir eltern"; Regula Fecker, Partnerin bei der Werbeagentur Rod Kommunikation; Rita Flubacher, Ressortleiterin Wirtschaft beim Tagesanzeiger; Colette Gradwohl, Chefredaktorin beim "Landboten"; Jill Abramson, Chefredaktorin bei der "New York Times"; Nadine Borter, Inhaberin der Werbeagentur Contexta; Lis Borner, Chefredaktorin Schweizer Radio DRS; Karin Müller, Programmleiterin bei Radio 24, Esther Girsberger, Publizistin und Dozentin und Ariane Dayer, Chefredaktorin bei "Le Matin Dimanche"; Lisa Feldmann Chefredaktorin "Annabelle"; Cornelia Harder, CEO von Draftfcb/Lowe; Mona Vetsch, Radio- und TV-Moderatorin.



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