Post aus der Chefetage: Am Dienstag, 8. Dezember, erhielten rund 500 Journalistinnen und Journalisten des CH-Media-Konzerns per Mail ein Schreiben, unterzeichnet von Verleger Peter Wanner und dem Vorsitzenden des Publizistischen Ausschusses, Peter Hartmeier. Im Schreiben, das persoenlich.com vorliegt, danken die beiden Chefs den Mitarbeitenden für ihre Leistungen im Pandemiejahr unter «teilweise schwierigen Rahmenbedingungen». «Wir schätzen Ihren Einsatz sehr.»
Neben diesen wertschätzenden Worten wird deutlich, dass CH Media vom Personal einiges an Transformationswillen fordert. Zur Vorbereitung (und vielleicht als Lektüre über die Weihnachtstage?) verweisen Wanner und Hartmeier auf das Dokument «Leitlinien für den Lokaljournalismus» im E-Mail-Anhang.
Zeitung erst am Abend füllen
Darin wird in fünf Punkten eine Vision des idealen Lokaljournalismus skizziert. Mobile heisse das Medium der Zukunft, denn es erlaube multimediales Storytelling und Interaktivität. Und, so das Papier weiter, bei CH Media sei «dieser Change im Gange, aber strukturell immer noch nicht vollzogen». «Betrachtet man die Bestände, so haben wir riesige Printredaktionen und kleine Online‐Redaktionen. Faktisch herrscht immer noch Print first. Mental auch.» Es müsse jedoch idealerweise umgekehrt sein: Schwergewichtig Online‐Redaktionen, die «Mobile first» praktizieren, und ein kleines Print‐Team, «das am Abend die Zeitung mit den besten Geschichten abfüllt».
Lokaljournalisten müssten das anbieten, was die Leserschaft wünscht, denn durch das Internet «wissen wir jetzt, welche Titel und Artikel besonders gut klicken». Ein Journalist spüre dank der Reaktionen im Netz, wo er nachsetzen könne.
Der Journalist «bastelt» eine Story
Die gemäss Schreiben von den Chefredaktoren und dem Publizistischen Ausschuss der CH Media erarbeiteten Leitlinien verlangen zudem viel mehr Bewegtbild. «Der moderne Journalist ist ein Video-Journalist», heisst es unter dem Titel «Video, Video, Video». Das gehe, so schreiben die Chefs, relativ einfach: «Mit Video‐ und Audio‐Schnipseln und Fotos bastelt der Journalist eine multimediale Story.»
Damit das nicht zu abstrakt bleibt, macht der Ausschuss gar Vorschläge: So könne man etwa eine Maturafeier mit Video‐Ausschnitten rapportieren. «Sie ist so viel spannender zu lesen und anzuschauen als ein reiner Text. Im Grunde lässt sich jede Story mit Fotos, Video‐Ausschnitten und/oder Audio‐Ausschnitten anreichern.» Das sei «handwerklich zwar anspruchsvoll, aber machbar». «Entsprechend müssen Print‐Journalisten zu Video‐Journalisten ausgebildet werden.» Hier sei nicht viel zusätzliches Know-how nötig, sondern: «Experimentieren geht über Studieren». Mit dem Smartphone könne man ganz einfach ein kleines Video erstellen und dieses in die Story integrieren. «Man muss die Redaktoren dazu nur animieren und dann machen lassen.»
«Nahe dranbleiben»
Zudem, so ein weiterer Punkt im Schreiben, sollten Lokaljournalisten nicht zu häufig Stellung beziehen und möglichst unabhängig bleiben. «Die Bürger haben die journalistische Bevormundung nicht gerne. Wichtiger ist, dass sich der Journalist ein lokales Vertrauensnetz aufbaut, um sein Wächteramt wahrnehmen zu können.» Aber, so der Publizistische Ausschuss – just in einer Zeit, in der fast alle CH-Media-Mitarbeitenden im Homeoffice arbeiten und unter sehr erschwerten Bedingungen recherchieren müssen –, der Journalist müsse «den Stallgeruch spüren» und «nahe dran bleiben an den Orten, wo Informationen ausgetauscht werden. Und man muss ihn mögen, damit er an Informationen herankommt».
Papier soll die Richtung vorgeben
Neben Peter Hartmeier und Peter Wanner gehören Ludwig Hasler, Pascal Hollenstein, Thomas Kessler und Alexandra Stark dem Publizistischen Ausschuss von CH Media an.*
Laut Auskunft von CH-Media-Sprecher Stefan Heini bilden die «Leitlinien für den Lokaljournalismus» ein internes Inputpapier, das die allgemeine Richtung vorgibt. Wie die Forderungen umgesetzt werden, soll dezentral entschieden werden. Noch sind einige Fragen offen, etwa wenn nun baldmöglichst alle Lokaljournalistinnen und -journalisten filmen sollen: Wird CH Media die Geräte zur Verfügung stellen oder sollen die Journalisten dafür ihre persönlichen Smartphones benutzen? Heini sagt dazu: «Wie das die Redaktionen umsetzen, werden sie besprechen.»
*Update vom 10. Dezember, 15 Uhr: In einer früheren Version stand, dass auch Esther Girsberger Teil des Publizistischen Ausschusses ist. Sie gab jedoch ihren Sitz ab, nachdem sie im April 2020 ihre Stelle als Ombudsfrau der SRG angetreten hatte.
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