19.07.2000

"Wir haben die Chance, die besten Seiten beider Unternehmen zu verbinden"

Anfang Oktober wird der 40-jährige Schweizer Urs Rohner Vorstandsvorsitzender der Pro Sieben Sat 1 Media AG und somit Chef der grössten deutschen TV-Holding. Einer Holding, in der die Kirch-Sender Pro Sieben, Kabel 1, N 24 und Sat 1 zusammengefasst werden. Der Wirtschaftsjurist hatte am 1. Februar dieses Jahres als Nachfolger von Georg Kofler den Vorstandsvorsitz der Pro Sieben Media AG übernommen. Im grossen Interview nimmt er Stellung zu den Synergiepotenzialen in Leo Kirchs TV-Imperium.
"Wir haben die Chance, die besten Seiten beider Unternehmen zu verbinden"

In einem knappen Jahr sind Sie vom Programmneuling zum Chef der grössten deutschen TV-Holding aufgestiegen – überrascht Sie diese Karriere?

So schnell ging’s auch wieder nicht. Schliesslich bin ich bereits Vorstandsvorsitzender der Pro Sieben Media AG. Der Aufstieg zum Chef der Senderfamilie um Pro Sieben, Sat1, Kabel 1 und N 24 ist eher eine Weiterentwicklung und nichts fundamental Neues.

Es heisst, Sie hätten den Job als Vorstandschef der Senderfamilie bereits zur Voraussetzung für Ihren Antritt bei Pro Sieben gemacht.

So ungeschickt bin ich dann doch nicht. Aber im Ernst: Als ich um meinen Job bei Pro Sieben verhandelte, gab es noch überhaupt keine Pläne für eine Senderfamilie mit Sat 1. Natürlich habe ich – wie viele andere – früh erkannt, dass es sinnvoll wäre, eine Senderfamilie aufzubauen. Aber das Window of Opportunity hat sich erst Ende vergangenen Jahres geöffnet, als Thomas Kirch seine Pro-Sieben-Anteile auf Kirch Media übertragen und damit formell die Voraussetzung für eine TV-Familie geschaffen hat.

Hätte es für einen profilierten Programmmacher wie Sat-1-Geschäftsführer Fred Kogel keinen operativen Job in Ihrer Senderfamilie gegeben?

Selbstverständlich hätte es einen gegeben, wenn Fred Kogel sich entschieden hätte, im operativen Geschäft zu bleiben. Irgendwann war aber klar, dass er nach fünf Jahren Sat 1 etwas anderes machen will. Als Aufsichtsrat wird er der Senderfamilie dennoch langfristig verbunden bleiben.

Kein Gerangel um den Chefsessel?

Es war für uns beide klar, dass für den Vorstandsvorsitz wohl nur wir in Frage kamen. Von einem Kampf, wie vielfach kolportiert, kann aber keine Rede sein. Fred Kogel und ich haben uns von Anfang an bestens verstanden. Wir haben uns Gedanken über die Umsetzung der Familie gemacht, völlig unabhängig davon, wer am Ende das Unternehmen führt. Und wir werden die Integration der Senderfamilie innerhalb des nächsten halben Jahrens gemeinsam zum Abschluss bringen.

Haben Sie schon einen Nachfolger für Fred Kogel gefunden?

Wir freuen uns, dass wir eine hochkompetente Person gefunden haben. Wenn die letzten Einzelheiten geklärt sind, werden wir voraussichtlich in der nächsten Woche den Namen bekannt geben.

Wie sehen die nächsten Schritte zur Integration der Senderfamilie aus?

Als erstes entwickeln wir eine gemeinsame Unternehmensphilosophie. Für den Erfolg des Ganzen ist es entscheidend, dass sich jeder Einzelne als Teil der Pro Sieben Sat 1 Media versteht. Dann realisieren Integrationsteams, die sich paritätisch aus beiden Häusern zusammensetzen, die Zusammenführung. In spätestens drei Monaten werden wir sehen, an welchen Stellen eine stärkere Zentralisierung im Sinne der Effizienz sinnvoll ist.

Werden die Vermarkter dann bereits unter einer Flagge segeln?

Juristisch werden die Mediagruppe München und Media 1 relativ schnell zusammengeführt. Operationell rechnen wir mit einem Zeitraum von rund einem halben Jahr. Schliesslich geht es nicht nur um einen gemeinsamen Briefkopf und einen neuen Namen, sondern auch um die Vereinheitlichung der Philosophie und der Art und Weise, wie man den Markt bearbeitet.

Für welche Salesstruktur werden Sie sich entscheiden?

Wir haben die Chance, die besten Seiten beider Strukturen so miteinander zu verbinden, dass der Kunde einen optimalen Service erhält. Meine Arbeitshypothese lautet: Man muss sich nicht zwingend entweder für den regionalen Verkauf von Media 1 oder die Branchenstruktur der Mediagruppe München entscheiden.

Welche zusätzlichen Erlöspotenziale erwarten Sie durch die Fusion?

Für die gesamte Senderfamilie sehe ich ein jährliches Synergiepotenzial von mindestens 200 Millionen Mark. Im Vermarktungsbereich erwarten wir natürlich weniger Einsparpotenziale als zusätzliche Erlöse durch eine optimierte Angebotspolitik.

Werden Sie den Werbekunden zur Telemesse im August erste senderübergreifende Vermarktungspakete anbieten?

Die ausserordentliche Hauptversammlung der Pro Sieben Media AG wird die Verschmelzung mit Sat 1 erst einen Tag vor der Telemesse, am 22. August, juristisch beschliessen. Deshalb ist es zu früh, um über senderübergreifende Pakete zu sprechen.

In der Preisrunde 2001, die am 1. August eingeläutet wird, werden sich Mediagruppe München und Media 1 aber doch schon einig sein?

Im Rahmen dessen, was im Vorfeld einer Fusion rechtlich zulässig ist, werden wir uns zusammensetzen und nicht unnötig Porzellan im Markt zerschlagen.

Welche Rolle spielt die komplementäre Ausrichtung der Programme?

Die Programmierung von Pro Sieben und Sat 1 wird konsquent aufeinander abgestimmt. Dabei ist Sat 1 als General-Interest-Sender mit Show, Comedy, Sport und eigenproduzierten Formaten breiter angelegt. Pro Sieben steht für junges Fernsehen mit qualitativ hochwertigen Spielfilmen, Comedy und Infotainment und News.

Was erhoffen Sie sich vom Umzug der Newszentrale N 24 nach Berlin?

Wir werden zunächst prüfen, inwieweit ein Umzug sinnvoll ist. Viele Gründe sprechen dafür, einen Nachrichtensender aus dem politischen Zentrum Deutschlands journalistisch zu begleiten. Ob die Redaktionen oder der komplette Sender inklusive Technik nach Berlin zieht, ist genauso offen. Ein Umzug wäre frühestens in einem Zeitraum von 12 bis 18 Monaten realistisch. Wichtig ist, dass die höhere Effizienz der Produktion nicht zum Einheitsbrei führt. Es muss eine Unit für jeden Sender geben.

Der Kauf von TM 3 durch Kirch Media ist beschlossene Sache. Wann können Sie die Frequenzen für N 24 nutzen?

Das ist nicht geplant und nicht erforderlich. Bei unseren Überlegungen für N 24 hat TM 3 noch nie eine Rolle gespielt. N 24 wird sich als eigen ständiger Sender am Markt sowie bei den politischen Instanzen durchsetzen und bis Ende des Jahres eine technische Reichweite von 50 Prozent haben.

Wäre TM 3 als weiteres Mitglied für die Senderfamilie interessant?

Wir haben momentan vier Sender unter einem Dach und damit genug Arbeit.

Gehören die Kirch-Sender DSF und Premiere World nicht zur Holding, weil sie Verlustbringer sind?

Das war nie ein Thema. Pay-TV ist ein komplett anderes Geschäft. Das DSF ist schon jetzt die Sportzentrale der Kirch Media. Unser Modell ist, den Sportbereich über Kooperationen zu optimieren.

Wie sieht es mit dem Umzug des Sat-1-Sports nach München aus?

Das ist ein Thema, das wir diskutieren. Ohnehin arbeiten Sat 1 und DSF bei der Bundesliga-Berichterstattung bereits eng zusammen. Und der Sat-1-Sport besteht im wesentlichen aus "Ran".

Welches Mitspracherecht hat Sat-1-Gesellschafter Springer künftig in der TV-Holding?

Springer-Finanzvorstand Ralf Kogeler wird im Aufsichtsrat der Pro Sieben Sat1Media sitzen.

Wie lange noch?

Die mit Kirch Media vereinbarte Verkaufsoption für den Anteil an der TV-Holding in Höhe von 11,48 Prozent ist ein Recht und keine Pflicht. Welche Absichten Springer langfristig verfolgt, ist mir nicht bekannt.

Im Gegensatz zu Springer ist Rewe an Kirch Media beteiligt. Traut der Handelsriese der Börsenperformance Ihrer Senderfamilie nicht?

Im Gegenteil: Für Rewe bedeutet die Beteiligung an Kirch Media eine breitere Streuung des Investments. Rewe-Vorstandsvorsitzender Hans Reischl war von Anfang an ein entschiedener Befürworter der Senderfamilie und traut ihr eine gute Performance zu.

Und welches Kurspotenzial trauen Sie der Senderfamilie zu?

Kursziele sollten die Analysten stecken. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sich die Senderfamilie gut entwickelt. Dann stimmt auch der Kurs.



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