Baptiste Planche, «Davos 1917» ist die bisher grösste und teuerste SRF-Produktion. In Zeiten der SRG-Initiative «200 Franken sind genug» ist dies wohl nicht das beste Argument …
«Davos 1917» hat nichts mit der Halbierungsinitiative zu tun. Es ist Zufall und hat keinen Zusammenhang, dass das jetzt gleichzeitig stattfindet.
Aber die Produktionskosten könnten zu einem Angriffspunkt werden.
Wir haben die Kosten transparent kommuniziert: Die Produktionskosten betragen rund 18 Millionen Franken. Das andere ist: Wie viel hat SRF/SRG investiert? Da kann ich sagen, dass «Davos 1917» unter dem Strich kaum teurer ist als «Tatort» oder «Tschugger».
«Das ist ein sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis»
Der Finanzierungsbeitrag von SRF/SRG betrug sieben Millionen Franken. Was macht diese Spionageserie insgesamt so teuer?
Gemessen an den sieben Millionen Franken ist es ein sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis. Insgesamt ist «Davos 1917» so teuer, weil es eine historische Serie ist. Historische Serien und Filme sind per se teuer. Man versucht, möglichst realitätsnah und detailgetreu zu sein. Das braucht einen entsprechenden Aufwand in der Ausstattung, im Kostüm, in der Maske und bei den Locations. Ein weiterer Punkt ist, dass dies eine Produktion ist, die an verschiedenen Orten gedreht werden musste. Unter anderem auch deshalb, weil man auch an jenen Orten drehen musste, wo die Finanzierung herkommt. Fast die Hälfte des Geldes kommt aus dem Ausland. Dies wurde durch die Koproduktion mit ARD Degeto möglich.
Die Serie handelt während des Ersten Weltkriegs. Hätte die Produktion nicht einige Jahre früher kommen müssen, quasi 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs? Oder war die SRG damals zu stark mit der No-Billag-Initiative beschäftigt?
(Lacht.) Der Ursprung von «Davos 1917» entstand 2015 in der Fiktions-Redaktion von SRF. Auch hier gibt es keinen Zusammenhang mit einer Initiative. In der Fiktion und allgemein bei SRF machen wir ja Programm und nicht Politik. Normalerweise braucht eine Serie drei bis vier Jahre – bei «Davos 1917» dauerte es um einiges länger, da die Serie ein ausserordentlich anspruchsvolles Projekt ist.
Sie erwähnten «Tschugger» und «Tatort». Für 18 Millionen Franken hätte man neun Folgen «Tatort» produzieren können – oder über 25 Folgen «Tschugger». Warum setzt man so viel Geld ein für eine sechsteilige Serie?
Dank der internationalen Koproduktion bei «Davos 1917» sind die Kosten vom Minutenpreis her für SRF/SRG in einem ähnlichen Range wie «Tschugger» oder «Tatort». «The Crown» von Netflix kostet auf die Minute im Vergleich zu den Gesamtkosten von «Davos 1917» etwa fünfmal so viel. Man muss alles immer in Relation setzen.
Wann zahlt sich «Davos 1917» aus für SRF? Welche Währung zählt am Ende? Sind es nur die Zuschauerzahlen?
Die Zuschauendenzahlen sind immer noch wichtig, aber es ist nicht die einzige Währung. Neben der Nutzung zählen auch die Wahrnehmung und das Image. In erster Linie in der Schweiz beim Deutschschweizer Publikum. Speziell bei «Davos 1917» zählt auch, wie die Serie ins Ausland ausstrahlt. Das ist auch ein Schaufenster für das Schweizer Film- und Serienschaffen.
Bei «Tschugger» gab es eine kommerzielle Zusammenarbeit mit Samsung (persoenlich.com berichtete). Gibt es bei «Davos 1917» auch Product Placement – zum Beispiel von der Ortschaft Davos?
Nein, bei «Davos 1917» gab es keinerlei kommerzielle Zusammenarbeit.
Am Dienstag ist «Davos 1917»-Medientag. Müssen Sie die Öffentlichkeit noch von Ihrem teuren Projekt überzeugen?
Für uns ist es eine riesige Herausforderung, überhaupt Aufmerksamkeit für unser Programm zu generieren – auch für die Fiktion. Die Konkurrenzsituation ist brutal. Wir müssen ganz allgemein sehr viel dafür machen, wahrgenommen zu werden. Dass «Davos 1917» so gross ist, generiert nun aber Aufmerksamkeit. Bis jetzt haben wir den Eindruck, dass ein grosses Interesse vorhanden ist. Wir starten mit einem guten Gefühl, mit Freude und Zuversicht in die Distribution.
Am Abend gibt es eine Premiere in Zürich. Die ersten beiden Folgen von «Davos 1917» wurden im Oktober bereits am Zurich Film Festival (ZFF) gezeigt. Wie viele Premieren soll es noch geben?
(Lacht.) Das ist ein bisschen Usus im Film- oder Serienschaffen: Es gibt immer Weltpremieren, Schweizer Premieren et cetera. Tatsächlich gab es die Weltpremiere am ZFF. Wir wurden von den Veranstaltern eingeladen. Für uns war das eine tolle Plattform, um die Serie hier in Zürich zu präsentieren. Dann hatten wir am Filmfestival in Köln eine Deutschland-Premiere – und nun folgt noch ein Spezialevent für Nutzende von SRF, die an einer Ticketverlosung teilgenommen haben.
Die «weltweite Erstausstrahlung», wie es heisst, beginnt auf SRF 1 am kommenden Sonntag und dauert bis Mittwoch. Sind Sie immer noch überzeugt, dass Binge-Watching im Trend liegt?
Im Moment ist klar, dass die Blockprogrammierung für Serien das Zielführendste ist. In puncto Gesamtperformance verspricht dies mehr als eine traditionelle, eher wöchentliche Programmierung. Dies hat ganz stark mit der Aufmerksamkeitsspanne zu tun, die man so besser aufrechterhalten kann. Wenn eine Serie so kompakt ausgestrahlt wird, bleibt das Publikum hoffentlich dran. Und wir können alles Marketing und alle Promo auf diese Zeit fokussieren.
Bei der Thriller-Serie «Der Schwarm» ging aber das Zuschauerinteresse rasch zurück. Zudem gab es Kritik, weil etwa «1 gegen 100», «Puls», «Kassensturz» oder die «Rundschau» für die Serie aus dem Programm gekippt wurden. Ignorieren Sie Zuschauerkritik?
Wir nehmen nichts so ernst wie Zuschauerinnen- und Zuschauerkritik. The audience is at the center of everything we do («Das Publikum steht bei allem, was wir tun, im Mittelpunkt»). Wir sprechen hier vom Aufbrechen des Strukturprogramms. Das hat zwei Seiten: Einerseits kann man damit Aufmerksamkeit generieren. Gleichzeitig muss man aufpassen, dass man es nicht übertreibt. Mit «Davos 1917» kommen wir am Sonntagabend, am Montagabend und danach erst am Mittwochabend mit je zwei Folgen. Den Dienstagabend lassen wir aus, weil dies der angestammte Platz ist vom Dienstagskrimi. «Davos 1917» ist ein anderes Genre. Wir haben das Gefühl, dass das Publikum dies nicht goutieren würde.
«Wir machen dem Publikum ein sensationelles und sehr schönes Angebot»
Warum soll man sich «Davos 1917» anschauen?
Wir machen dem Publikum ein sensationelles und sehr schönes Angebot. Eine historische Spionageserie hatten wir so noch nie. Die Serie spielt in der Schweiz in einer wunderbaren Szenerie in den Bergen. Es ist eine packende Geschichte von einer jungen Frau am Ende des Ersten Weltkriegs – eine wirklich tolle Frauenfigur. Die Geschichte wird zeitgemäss erzählt, mit einem gewissen Tiefgang und sie bleibt durch das Spionagegenre spannend bis zum Schluss.
Sie haben Geschichte, Soziologie und Politikwissenschaft studiert. Wie viel persönliches Interesse steckt in der Serie?
Mich interessiert das Zusammenleben von Menschen, zwischenmenschlich, gesellschaftlich und durchaus auch historisch. Ich finde es wahnsinnig spannend, wie man – eingebettet in die Vergangenheit – eine Geschichte erzählen kann, die die Leute aus dem Heute heraus packt und auch berührt. Und gleichzeitig vermittelt die Serie etwas über die Vergangenheit und erzählt uns Aspekte davon, wie die Schweiz damals war.
- David Kross als Carl Mangold, Dominique Devenport als Johanna Gabathuler und Jeanette Hain als Ilse von Hausner. (Bild: SRF/Patricia Neligan)
- Hinter den Kulissen: Die Hauptdarsteller Dominique Devenport und David Kross. (Bild: SRF/Frank Dick)
- Dominique Devenport und David Kross während der Produktion zu «Davos 1917». (Bild: SRF/Frank Dick)
- Dominique Devenport im Gespräch mit Regisseurin Anca Miruna Lăzărescu. (Bild: SRF/Frank Dick)
- Dominique Devenport als Johanna Gabathuler. (Bild: SRF/Frank Dick)
- Regisseur Jan-Eric Mack. (Bild: SRF/Pascal Mora)
- Regisseur Jan-Eric Mack und Dominique Devenport. (Bild: SRF/Pascal Mora)
- Dreharbeiten im Schnee, rechts Dominique Devenport. (Bild: SRF/Pascal Mora)
- Dreharbeiten im Schnee, links David Kross. (Bild: SRF/Pascal Mora)
- Dominique Devenport und Regisseurin Anca Miruna Lăzărescu im Gespräch. (Bild: SRF/Pascal Mora)
- Dominique Devenport und Jeanette Hain. (Bild: SRF/Pascal Mora)
Die fiktive Geschichte sei inspiriert von wahren Begebenheiten, heisst es. Wie viel Wahrheit steckt in «Davos 1917»?
Was stimmt, ist, dass es damals in Davos ein Nebeneinander gab von Reichen und Mächtigen aus der ganzen Welt, gleichzeitig hatte es Kriegsversehrte, die sich in Davos auskurierten. Johanna, die Hauptfigur, ist eine sogenannte Rotkreuz-Krankenschwester an der Front. Es gab Schweizerinnen, die sich freiwillig meldeten, um im Krieg als Krankenschwestern zu helfen.
Wie zufrieden waren Sie, als Sie das fertige Resultat sahen?
Als ich realisierte, was da alle Beteiligten geschafft haben, war ich schon schwer beeindruckt aber vor allem auch dankbar für alle Beteiligten. Ich denke als erstes an die Produzenten, Contrast Film in der Schweiz zusammen mit Letterbox Filmproduktion und Amalia Film in Deutschland, die das Projekt über Jahre vorangetrieben, die Finanzierung auf die Beine gestellt und – das darf man nicht vergessen – unter ganz widrigen Umständen das Projekt entwickelt und durchgeführt haben. Ich bin aber auch sehr stolz auf die Leistung des SRF-Teams, das die Entstehung der Serie vom Anfang bis jetzt entscheidend mitgeprägt hat.
Weshalb widrige Umstände?
Inmitten der Produktionsvorbereitung begann der Krieg in der Ukraine, der Teuerung und Materialengpässe zur Folge hatte. Vor und während des Drehs beschäftigten uns der Fachkräftemangel in der Filmbranche und mit Post-Corona eine Situation, die für die Dreharbeiten nicht einfach war. Dazu kam die Produktion im Winter im Bündnerland bei bis zu minus 20 Grad. Grosse Herausforderungen für eine anspruchsvolle Serienproduktion.
Filmproduzent Ivan Madeo erzählte in einem persoenlich.com-Interview von der aufwendigen Produktion. Gebäude, Autos oder Kostüme zu reproduzieren, sei zeitaufwendig und kostspielig gewesen. Warum haben Sie nicht einfach künstliche Intelligenz (KI) mitarbeiten lassen?
Die künstliche Intelligenz war bei «Davos 1917» kein besonderes Thema. Es wurde wie fast bei jeder Produktion CGI (Computer-Generated Imagery) eingesetzt. Teilweise werden dabei und allgemein in der Postproduktion KI-Hilfsmittel eingesetzt, das ist aber nichts Ausserordentliches.
Ich habe gehört, dass Sie aber durchaus mit KI experimentieren. Macht KI künftig Fernsehen günstiger?
Ich gehe nicht davon aus und das ist auch nicht das, was uns jetzt primär interessiert. Primär interessiert uns, was die KI für zusätzliche Möglichkeiten bietet, um etwas besser zu machen oder Geschichten so zu erzählen, wie man sie bis jetzt noch nicht hat erzählen können.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, was die KI ermöglichen könnte, was es heute so noch nicht gibt?
Im Moment beschäftigen wir uns im Writers Room von SRF Kultur vor allem damit, wie Large Language Models in der Stoffentwicklung eingesetzt werden können. Generative KI kann beim Kreieren von Geschichten eine Rolle spielen. Für mich ist aber klar, dass es ohne menschliche Kreativität nicht geht. Deren iteratives Zusammenspiel mit KI finde ich jedoch sehr spannend. Als Soziologe spannend finde ich auch Publikumsforschung gestützt auf KI-Technologie. Sie ermöglicht zum Beispiel die vertiefte Auseinandersetzung mit Themen, die die Leute beschäftigen. Dies gibt wertvollen Input für Geschichten und Ideen. Diese wiederum können dank innovativer Methoden mit dem potenziellen Publikum gespiegelt werden.
Blicken wir nach vorn: Am Abend des 20. Dezember sind alle sechs Folgen von «Davos 1917» ausgestrahlt. Was wird zurückbleiben?
Erst mal bleibt das Streaming-Angebot auf Play Suisse bestehen. Über die Weihnachtstage gibt es auch TV-Wiederholungen auf SRF 1. Und ich hoffe, dass den Zuschauerinnen und den Zuschauern bereichernde Eindrücke bleiben vom Eintauchen in die Geschichte von Johanna, die in der Vergangenheit in den wunderbaren Bergen von Davos spielt.
Blicken wir in die Kristallkugel. Wie gut werden die Quoten sein?
Darauf lasse ich mich nicht ein (lacht).