08.01.2023

CH Media

«Wir stehen an einem Wendepunkt»

Die fünfte Generation der Verlegerfamilie Wanner übernimmt ab Frühjahr 2023 das Ruder bei CH Media: Michael als neuer CEO, Florian als Leiter Elektronische Medien und Anna als neue Verwaltungsrätin. Ein Interview mit dem neuen Führungstrio über Herausforderungen und Zukunftspläne.
CH Media: «Wir stehen an einem Wendepunkt»
«Wir sind wieder ein Familienunternehmen»: Florian, Anna und Michael Wanner vor dem Leonardo, dem Sitz der Radio- und TV-Sender von CH Media. (Bilder: Alex Spichale)
von Matthias Ackeret

Die AZ Medien, die der Aargauer Verlegerfamilie Wanner in der fünften Generation gehört, kauft im ersten Quartal 2023 der NZZ 15 Prozent der Anteile des Joint Ventures CH Media ab und übernimmt mit 65 Prozent die Anteilsmehrheit (persoenlich.com berichtete). Zeitgleich übernimmt CH Media von AZ Medien die Mehrheit an der FixxPunkt AG, der Muttergesellschaft des Newsportals Watson.

Michael Wanner, Sohn von Peter Wanner, wird ab April 2023 neuer CEO. Bruder Florian ist Leiter der Regional-TV-Stationen, der Radios und der Today-Portale, Schwester Anna ist Co-Leiterin des Inlandteams der Mantelredaktion von CH Media und zukünftige Verwaltungsrätin. Verwaltungsratspräsident und Verleger bleibt Vater Peter Wanner.

Michael Wanner, wie ist die Befindlichkeit rund drei Monate vor der Stabsübergabe?
Michael Wanner: Die Vorfreude ist gross. Ich verspüre aber auch eine gewisse Demut. Mir ist durchaus bewusst, welche Verantwortung der neue Job mit sich bringt. Ich habe es ja bei meinem Vater hautnah miterlebt.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für CH Media in den nächsten Jahren?
Michael Wanner: Wir stehen an einem Wendepunkt. Die letzten vier Jahre waren geprägt von der Fusion und der damit verbundenen Hebung von Synergien sowie von grossen M&A-Projekten, insbesondere dem Kauf der 3+-Gruppe. Das bisherige Team hat hier einen tollen Job gemacht, und CH Media ist dadurch in einer guten Ausgangslage. Wenn ich aber auf die kommenden Jahre blicke, werden wir uns nicht allein durch Sparen oder weitere Akquisitionen in die Zukunft retten. Der Erfolg des Unternehmens wird davon abhängen, wie gut es uns gelingt, organisch zu wachsen und neue Umsatzströme zu generieren. Dies insbesondere im digitalen Bereich. 

Florian Wanner, Sie sind Leiter Elektronische Regionalmedien bei CH Media (persoenlich.com berichtete). Welches sind die grössten Herausforderungen, die Sie momentan haben?
Florian Wanner: Im Moment liegt der Fokus auf der Zusammenarbeit mit den sechs Regionalstandorten, auf dem Kennenlernen der neuen Mitarbeitenden von Radio Central, Sunshine und Eviva sowie auf der weiteren Optimierung der TV-Technik am neuen Standort Leonardo. Zudem gehen wir im ersten Quartal 2023 mit der sechsten Today-Plattform in Solothurn an den Start.

Anna Wanner, Sie werden nun Mitglied des Verwaltungsrates von CH Media. Was bedeutet dies konkret, und wo sehen Sie die Zukunft Ihres Unternehmens?
Anna Wanner: Wir sind ein Verlagshaus. Unsere Aufgabe ist Publizistik, also qualitativ hochwertigen Journalismus zu machen. Doch dieser muss einerseits die Menschen erreichen – und andererseits auch finanziert werden. Das ist eine grosse Herausforderung, die ich gerne gemeinsam mit meinen Brüdern angehen will.

«Die Führungsspanne ist in der Tat eine Challenge»

Michael Wanner, können Sie schon etwas zu Ihren Plänen bei CH Media sagen?
Michael Wanner: Ich habe drei Schwerpunkte definiert, an denen ich gemeinsam mit meinem Team zum Start arbeiten werde: Erstens möchte ich einen stärkeren Schwerpunkt auf Marketing und Sales legen und insbesondere auch übergreifende Angebote ermöglichen. In diesem Kontext ist die neue Stelle eines Chief Commercial Officer (Anm. d. Red.: besetzt durch Tarkan Özküpzu verstehen, der neu Teil der Unternehmensleitung ist. Zweitens möchte ich an der Unternehmenskultur arbeiten. Wir sind wieder ein Familienunternehmen, diese Stärke will ich nutzen, denn ich glaube, das ist eine unterschätzte Kraft. Und drittens müssen wir alles dafür tun, die digitale Transformation unserer Kerngeschäfte zu beschleunigen.

Normalerweise kommt ein neuer Chef und schaut sich ein Unternehmen erst einmal hundert Tage an, bevor er Ansagen macht. Geht das nicht alles etwas schnell?
Michael Wanner: Ich bin seit 2009 im Verwaltungsrat von AZ Medien, seit 2018 bei CH Media. Ich kenne das Unternehmen und die handelnden Personen also gut und komme nicht als Fremder von aussen. Auf der anderen Seite stelle ich jetzt auch nicht die Strategie auf den Kopf. Im Gegenteil, ich habe diese ja mitbestimmt. Ich setze einfach neue Schwerpunkte in der Umsetzung unserer Strategie.

Florian Wanner, ist geplant, dass Sie irgendwann den ganzen Entertainment-Bereich übernehmen?
Florian Wanner: Ich bin sehr zufrieden mit meiner neuen Rolle und auch gefordert. Diese Herausforderung möchte ich zusammen mit meinem Team anpacken. Über weitere Karriereschritte mache ich mir keine Gedanken. Ich nehme es Schritt für Schritt, das hat sich in den letzten sieben Jahre sehr bewährt. 

Sie verwalten momentan fünf regionale TV-Sender und neun Radiosender sowie die Newsportale Today, die Sie mitaufgebaut haben. Verliert man da nicht die Übersicht?
Florian Wanner: Verwalten wäre zu kurz gegriffen. Ich will die Sender gemeinsam mit meinem Team entwickeln, insbesondere auch digital. Die Führungsspanne ist aber in der Tat eine Challenge. Ich kann mich in jeder Region auf sehr gute Chefredaktorinnen und Programmleiter verlassen, die sehr eigenständig fungieren. Das hilft. 

«Hätte ich mich nach den Wünschen meines Vaters gerichtet, wäre ich heute Lehrerin»

Anna Wanner, Sie arbeiten als Journalistin im Bundeshaus und sind Co-Leiterin des Inlandteams. Wollten Sie immer im Verlag Ihres Vaters arbeiten? Ihre Schwester hat ja einen ganz anderen Weg gewählt.
Anna Wanner: Mein Weg war nicht klar vorgezeichnet. Hätte ich mich nach den Wünschen meines Vaters gerichtet, wäre ich heute Lehrerin.

Und das wollten Sie nicht?
Anna Wanner: Pädagogik interessiert mich erst, seit ich selber Kinder habe. Damals habe ich mich für Geschichte und Politologie entschieden, weil ich das spannend fand. So kam ich über meine Interessen zum Journalismus. Meine Schwester machte es übrigens ähnlich. Sie interessierte sich einfach mehr für fremde Kulturen, sie reiste viel und studierte Sinologie. Heute ist sie selbstständige Ärztin.

Michael Wanner, Watson ist Ihr Gesellenstück, nun wird es bei CH Media integriert. Was ändert sich dadurch? Treten Sie nun der Login-Allianz bei?
Michael Wanner: Watson soll journalistisch eigeständig bleiben und auch ein eigenes Managementteam behalten. Die Integration ist insofern eine administrative. Die Haltung zur Login-Allianz aus Sicht von Watson bleibt unverändert: Wir haben nichts gegen die Technologie, gestört hatte uns nur die Login-Pflicht, die ja aber jetzt anscheinend vom Tisch ist.

Wann haben Sie erstmals realisiert, dass Sie einmal Chef des Gesamtunternehmens werden?
Michael Wanner: Es gab nicht den einen Moment. Das Unternehmen war ja immer da und auch immer Thema am Familientisch. Wir Kinder sind damit aufgewachsen, haben alle Hochs und Tiefs miterlebt. Ich habe viele prägende Erinnerungen. An nächtliche Gespräche meines Vaters mit zum Streik bereiten Druckern erinnere ich mich genauso wie an die Lancierung neuer Produkte, wie etwa der Zeitung Sonntag (Anm. d. Red: heute Schweiz am Wochenende).

«Es wird keine Ego-Show geben»

War es immer klar, dass Sie als Erstgeborener diese Funktion übernehmen?
Michael Wanner: Auch hier gab es nicht den einen Moment. Ich möchte aber festhalten, dass es keine Ego-Show geben wird. Die Familie wird meine wichtigste Echokammer sein, insbesondere Peter, Anna und Florian. Ganz so einsam, wie Sie es skizzieren, wird es also nicht.

Spürten Sie einen familiären Druck, diese Position einzunehmen?
Michael Wanner: In jüngeren Jahren verspürte ich schon eine Erwartungshaltung. Mit zunehmender Erfahrung ist es dann gekippt in eine Ambition und eine Lust, Verantwortung zu übernehmen – gemeinsam mit meinen Geschwistern.

Florian Wanner, haben Sie nie gehadert, dass Sie nicht Gesamtchef von CH Media werden?
Florian Wanner: Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich sehr, dass Michael CEO wird. Für uns war immer wichtig, dass wir gemeinsam das Unternehmen vorwärtsbringen wollen. Wir pflegen einen ehrlichen und direkten Umgang miteinander, und das ist extrem wertvoll. Zudem verteilt sich die Verantwortung auf mehrere Schultern. Mir persönlich gibt das mehr Leichtigkeit.

Auf was freuen Sie sich am meisten, wenn Ihr Bruder am 1. April startet?
Florian Wanner: Auf eine neue Kultur. Es wird dem Unternehmen guttun, wenn wir wieder mehr Familienkultur leben. Das Thema ist zuletzt eindeutig zu kurz gekommen, ich sehe entsprechend grosses Potenzial!



Das ausführliche Interview erschien in der aktuellen «persönlich»-Printausgabe, in der auch ein Interview mit CH-Media-Verleger Peter Wanner zu lesen ist. Der Verwaltungsratspräsident äussert sich unter anderem zum vorzeitigen Abgang von CEO Axel Wüstmann.



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