11.05.2015

Lobbying

"Der Parlamentarier reicht die Vorstösse ein und zeichnet für sie verantwortlich"

Die Kasachstan-Affäre um FDP-Nationalrätin Christa Markwalder und die PR-Agentur Burson-Marsteller spitzt sich weiter zu. Andreas Hugi, Präsident des Bundes der PR-Agenturen der Schweiz BPRA, bedauert im Interview, dass die Kommunikationsbranche dadurch in ein schiefes Licht gerückt wird und stellt punkto Interessensvertretung eine Grundsatzfrage. Zudem spricht er über die rund 300 Lobbyisten in der Wandelhalle und den Verhaltenskodex, der grundsätzlich für sie gilt.

Herr Hugi, wie beurteilen Sie den aktuellen Fall um Kasachstan, Christa Markwalder und Burson-Marsteller?
Ich finde die ganze Geschichte sehr unangenehm, weil sie die Kommunikations-Branche in ein schiefes Licht stellt. Neben der Frage, wie und ob Parlamentarier und Lobbyisten professionell arbeiten, geht es doch um die Grundsatzfrage, ob wir professionelle politische Interessenvertretung, also Lobbying, als legitimen Bestandteil des politischen Systems betrachten, oder anders gesagt: ob wir Politik als Summe von Partikularinteressen verstehen. Wenn ja, haben Lobbyisten ihren legitimen Platz in der Wandelhalle.
 
Die PR-Agentur habe mit dem Auftraggeber gearbeitet. Sie selbst sei zu gutgläubig und vertrauensseelig gewesen, sagt Markwalder. Ihre Einschätzung: Was wusste die FDP-Politikerin und was nicht?
Ich will nicht spekulieren. Ich habe Christa Markwalder immer als professionelle, seriöse und für die Schweiz engagierte Politikerin erlebt.
 
Sie habe kein Geld erhalten, sagt Markwalder. Werden Politiker von Lobbyisten bezahlt?
Nein. Das wäre unredlich und würde sämtlichen Verhaltensgrundsätzen unserer Branche zuwiderlaufen. Wenn man schaut, wie der politische Prozess läuft, dann ist es auch offensichtlich, dass man Mehrheiten für politische Anliegen nicht mit Geld kaufen kann.
 
Die Rechnung der PR-Agentur im aktuellen Fall belief sich auf 7188.40 Franken. Wie ist dieser Betrag einzuschätzen?
Es ist normal, dass Dienstleistungen von Agenturen vergütet werden. Offenbar hat hier eine Agentur für Textleistungen Rechnung gestellt.
 
Aufgelistet in der Rechnung ist auch der Entwurf des Textes für die eingereichte Interpellation. Ist es die Regel, dass PR-Agenturen diesen Text im Namen von Politikern verfassen?
Die Arbeit von Lobbyisten besteht unter anderem darin, im Auftrag von Kunden das Gespräch mit Parlamentariern zu suchen. Agentur-Lobbyisten, Verbände, Gewerkschaften und andere Interessenvertreter liefern als Informationsbroker den Parlamentariern unter anderem Grundlagenmaterialien und Vorlagen, um Vorstösse oder Anträge zu formulieren. Aber am Schluss muss der Parlamentarier die Vorstösse einreichen und für diese verantwortlich zeichnen.
 
Ganz generell gefragt, wie gehen Lobbyisten in Bundesbern vor?
Zum Verhaltenskodex unserer Branche ("Kodex von Lissabon") gehört es, dem Gesprächspartner die Auftraggeber und deren Interessen transparent zu machen. Zudem müssen Zahlen und Fakten stimmen, mit denen Lobbyisten für ein Anliegen werben. Wer Mitglied im Branchenverband BPRA, im Lobbyistenverband SPAG oder Mitglied von prsuisse ist, bekennt sich zu diesen Grundsätzen. Im Übrigen ist unsere Arbeit gewöhnliches Kommunikationshandwerk: Wir definieren Botschaften und Argumente für ein Anliegen und schauen, welche Zielgruppe an welchen Argumenten allenfalls Interesse haben könnte.
 
In der Wandelhalle halten sich mehr Lobbyisten auf als Parlamentarier. Ist das Ihrer Meinung nach kein Problem?
Es sind schätzungsweise 300 Lobbyisten regelmässig im Austausch mit Mitgliedern der eidgenössischen Räte. Im Tagesgeschäft sind unsere Verbandsmitglieder akzeptierte "Informationsbroker“ und Brückenbauer zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Wer transparent und professionell ist und sich an die Regeln hält, stört den Ratsbetrieb auch nicht.
 
Ein Top-Lobbyist verdiene dreimal mehr als ein Bundesrat, schreibt die "Schweiz am Sonntag“. Stimmt das?
Ich weiss nicht, wie man auf solche Zahlen kommt. Kommunikationsagenturen mit Schwerpunkt Public Affairs zahlen Löhne im üblichen PR-Branchenschnitt.

Interview: Michèle Widmer

Bilder: Keystone/zVg.
 



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