08.08.2021

Swatch Group

«Jeder Brand hat seine ganz eigene Identität»

Nick Hayek ist der Patron der Schweizer Uhrenindustrie. Doch auch als gesellschaftskritischer Zeitgenosse hat sich der 66-Jährige einen Namen gemacht. persönlich hat ihn an seinem Firmensitz in Biel getroffen. Ein Gespräch über Pandemie, Branding und schlechte Medien.
Swatch Group: «Jeder Brand hat seine ganz eigene Identität»
«Wir waren immer offen gegenüber allen Medien und haben nie das Gefühl gehabt, dass wir besser wissen, wie man es macht», so Nick Hayek. In seiner Swatch-Gruppe vereinigen sich achtzehn Spitzenbrands. (Bild: Swatch Group)
von Matthias Ackeret

Herr Hayek, die Pandemie neigt sich dem Ende entgegen. Was ist Ihre grösste Erkenntnis aus den letzten eineinhalb Jahren?
Sie sagen, wir seien am Ende der Pandemie. Ich weiss nicht, ob das so stimmt. Es kommt darauf an, was uns die Politiker und Gesundheitsexperten der ganzen Welt in nächster Zeit noch alles überstülpen wollen. Seit Corona besteht vielerorts die Auffassung, dass das ganze Leben risikolos, planbar und virusfrei sein muss.

Was bedeutet das?
Gesund leben per Verordnung. Ich möchte das Ganze nicht verharmlosen, wir haben in unseren Unternehmen die Covid-Situation immer ernst genommen und uns natürlich an die Regeln gehalten. Wir hatten in der Swatch-Gruppe in der Schweiz tausend positive Fälle, aber glücklicherweise musste kein einziger Infizierter ins Spital. Am Anfang, und da sind wir uns alle einig, hat man gesagt, es sei eine schwerere Form der Grippe, die für ältere Leute – zuerst für solche über 65 Jahren, dann ging man altersmässig etwas hinauf – und Risikopatienten eine echte Gefahr darstelle. Dann hiess es, die Intensivstationen seien kapazitätsmässig am Limit, die müsse man entlasten. Man muss aber wissen, dass viele Spitäler ihre Intensivbetten in den vergangenen Jahren massiv abgebaut haben. Weshalb müssen dann jetzt alle jungen Menschen im Alter von 10, 12, 14 oder 16 Jahren geimpft werden, wenn Corona vor allem für ältere Menschen ein Risiko ist? Für die Jungen ist es kein Risiko, es ist eine Erkrankung, die natürlich lästig sein kann, und wenn man sich impfen lassen will, soll man sich impfen, wie man sich auch gegen die Grippe impfen kann. Für mich ist aber unverständlich, warum auch Kinder und junge Erwachsene jetzt unbedingt durchgeimpft werden müssen.

«Der Konsument entscheidet sich für eine Marke»

Sie haben 18 Marken, also auch 18 Brands. Wie funktioniert das?
Jeder Brand hat seine ganz eigene Identität. Omega hat eine Geschichte und eine Botschaft, Longines auch. Swatch war der einzige Brand, der keine Geschichte hatte, und deshalb war die Botschaft am Anfang so wichtig, als mein Vater die Marke Mitte der Achtzigerjahre lancierte. Alle anderen Marken hatten und haben eine sehr klare Identität. Kein Konsument auf der Welt muss wissen, dass beispielsweise Longines oder Hamilton zur Swatch-Gruppe gehört. Dies ist nur für die Journalisten und Händler wichtig. Der Konsument aber entscheidet sich für eine Marke. Bei uns funktionieren diese sehr autonom. Das heisst, jede Marke, und das betrifft nicht nur die Schweiz, verfügt über ihr eigenes Personal, ihre eigene Marketing-, Sales-, Finanz-, aber auch Customer-Service-Abteilung. Wir koordinieren nur zwischen den Marken. Dies kostet zwar viel, ist aber das A und O einer Marke. Heute mehr denn je. Der Konsument will immer häufiger wissen, was in jedem Produkt steckt. Das ist nicht nur bei Uhrenmarken wichtig, sondern auch bei Marken wie der New York Times, dem Journal du Jura oder der Financial Times. Das ist auch der Punkt, der mir bei der Betrachtung der Presselandschaft Sorgen macht.

Warum?
Wir alle wollen eine starke, vielfältige und qualitativ hochstehende Presse. Es geht aber nicht nur um die grösstmögliche Leserzahl, es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Titel, in denen wir Werbung schalten. Der Tages-Anzeiger, der Bund, die Berner Zeitung oder die Basler Zeitung sind gar nicht mehr unterscheidbar, denn sie bringen die gleichen Texte und die gleichen Inhalte. Das ist schade, da die Leser in Bern anders ticken als diejenigen in Basel oder gar Zürich. Ich habe mir immer die Frage gestellt, warum man dies macht. Wegen der Werbung? Für uns als Werbetreibende ist dies nicht attraktiv. Ich verstehe zwar, dass ein grosser Kostendruck vorherrscht und dass die Situation komplexer ist, aber der McKinsey-Approach mit dem Zusammenlegen der Redaktionen, um Kosten zu sparen, schwächt schlussendlich die Marken, weil deren einzigartiges Profil verschwindet.

Sie bedauern es also, dass immer mehr Medientitel in den Händen weniger Verlage sind?
Nein, das hat nichts mit der Anzahl Verleger zu tun, sondern das Problem entsteht, wenn, wie ich es vorher gesagt habe, McKinsey und Co die Strategie vorgeben. Ich finde es grossartig, dass es bei uns in Biel das Bieler Tagblatt und das Journal du Jura gibt. Fredy Bayard hat beide gekauft, Geld investiert und zwei Redaktionen mit zwei Identitäten behalten. Damit sind für uns diese beiden Zeitungen noch attraktiver geworden.

«Wir sollten nicht päpstlicher sein als der Papst»

Was sagen Sie zur Medienförderung? Ist sie notwendig?
Warum nicht? Aber man sollte differenzieren. Flächendeckend Geld auszuschütten, bringt nichts. Ich bin kein Anhänger der reinen marktkapitalistischen Philosophie, die glaubt, dass alles autonom funktionieren soll oder kann. Wir sollten nicht päpstlicher sein als der Papst.

Wollten Sie selbst nie in den Medien aktiv werden?
Nein, wenn es weiterhin gute Titel wie persönlich gibt, braucht es uns sicher nicht (lacht).

War wirklich nie die Versuchung da?
Nein, nie. Wir waren immer offen gegenüber allen Medien und haben nie das Gefühl gehabt, dass wir besser wissen, wie man es macht. Die Journalisten haben sich aber stark verändert. Was unsere Kommunikationsabteilung momentan von Journalisten für Anfragen bekommt, ist vielfach haarsträubend. Wir erhalten E-Mails mit Anfragen, die wir in wenigen Minuten beantworten müssen. Ein Dankeschön auf unsere Antworten kommt selten zurück. Auch hat die Kompetenz der Journalistinnen und Journalisten massiv nachgelassen. Viele Fragen werden in einer befehlshaften Tonalität gestellt. Es ist wirklich unglaublich. Mich ärgert auch, dass Quellen nicht mehr verifiziert werden.

Passiert dies viel?
Sie glauben nicht, wie oft wir intervenieren, wenn wir in Berichten Behauptungen finden, die nicht stimmen. Als viele namhafte Zeitungen, unter anderem die NZZ, 2016 geschrieben haben, dass die Swatch-Gruppe bald Kurzarbeit einführen werde, haben wir den Journalisten angerufen und ihm gesagt, dass dies nicht stimme, und ihn gefragt, warum er sich vorher nicht bei uns erkundigt hätte. Seine Antwort: Er hätte keine Zeit gehabt.



Das ausführliche Interview mit Nick Hayek lesen Sie in der aktuellen Printausgabe von «persönlich».

Bearbeitung Interview: Marion Loher



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