08.02.2005

Communication Summit 05

Wie das Fernsehen Politiker macht

Die elektronischen Medien werden in der politischen Meinungsbildung immer wichtiger. Es sind nicht mehr die klassischen Printmedien, die bestimmen, wer politische Führungsfunktion übernimmt. Vielmehr hält inzwischen das Fernsehen eine Leader-Funktion inne. Ersetzen also Polit-Talkshows inzwischen die Parlaments-Debatten? Die Zürcher PR-Gesellschaft und der Zürcher Presseverein luden am Dienstagabend Rundschau-Moderator Reto Brennwald (Bild), Politjournalistin Esther Girsberger, SVP-Ständerat Maximilian Reimann, Christian König von Farner PR sowie Stocks-Chefredaktor Reto Lipp ein, um über die Macht des Fernsehens zu debattieren. "persoenlich.com" präsentiert einen Ausschnitt aus dem Podiumsgespräch:
Communication Summit 05: Wie das Fernsehen Politiker macht

Lipp: Herr König, der Gründer Ihrer Firma, Rudolf Farner, hat einmal gesagt, "gebt mir eine Million, und ich mach aus jedem Kartoffelsack einen Bundesrat". Kann man mit Geld einen Politiker machen?

König: Fahrner hat nicht gesagt, dass er aus jedem, sondern aus einem Kartoffelsack einen Bundesrat machen könne. Es kommt also auf die Sorte an. Die Frage ist aber, ob man mit Geld Politik machen kann. Es gibt ein berühmtes Beispiel: Das billigste Referendum, dass mir bekannt ist, war das ETH-Referendum. Das Budget betrug nicht mehr als 10 000 Franken. Die Studenten, die die nötigen Unterschriften sammelten, gewannen die Abstimmung. Es könnte in der Politik also auch um Argumente gehen.

Lipp: Frau Girsberger, wie oft haben Sie mit PR-Beratern zu tun, wenn Sie Politiker interviewen?

Girsberger: Gottseidank sind Politiker nicht Wirtschaftsführer. Denn wenn ich Manager interviewe, habe ich nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch während des Gesprächs mit Kommunikationsberatern zu tun. Da könnte ich oft aus der Haut fahren. Die Sprecher sind völlig überflüssig. Bei den Politikern ist diese Entwicklung noch nicht so offensichtlich. Gerade bei jüngeren, unerfahrenen Exponenten jedoch merkt man, dass sie Spindoctors besitzen, die ihnen erklären, wie sie sich am besten verkaufen.

Lipp: Dies ist vielleicht auch gar nicht so falsch. Denn wer ohne Spindoctors und vorgängiges Coaching bei Ihnen, Reto Brennwald, auf dem "heissen Stuhl“ Platz nimmt, begeht fast schon Selbstmord

Brennwald: Es gibt zweierlei Beispiele: Personen, die es kaum gewohnt sind, in der Öffentlichkeit zu stehen. Sie haben in der Tat grossen Respekt vor dem roten Licht. Bevor das Interview losgeht, rutschen sie nervös auf ihrem Stuhl hin und her. Es gibt aber auch Naturalente, die ganz bestimmt nie einen Berater hinzuziehen.

Lipp: Herr Reimann, wie viele PR-Berater haben Sie in ihrer Politkarriere schon beschäftigt?

Reimann: Ich besass immer bloss einen Berater: Mich selbst. Ich wüsste auch nicht, was ein professioneller Berater mir beibringen könnte. Meine Wahl ins Parlament hat man immer darauf zurückgeführt, dass ich zuvor beim Schweizer Fernsehen als Moderator gearbeitet habe. Dabei hat man immer vergessen, dass ich schon zuvor in der Politik stark verankert war. Ich war Gemeinderat und Vizepräsident der Bezirkspartei Laufenburg und schreibe seit 1980 jede Woche eine Kolumne über Geld und Vermögen So hat mich das Aargauer Volk persönlich kennengelernt. Aber natürlich hat mir auch geholfen, dass man mein Gesicht aus dem Fernsehen gekannt hat.

Lipp: Herr Reimann ist also eines dieser Naturtalente von denen Herrn Brennwald zuvor gesprochen hat. Aber abgesehen vom Fall Reimann, der die Ausnahme ist, die die Regel bestätigt: Wie gross ist der Anteil der Parlamentarier, die sich einen Parlamentarier leisten. Und wieviel kostet es, sich einen PR-Berater zu leisten?

König: Das Phänomen des Beraters ist offensichtlich ein Exotikum. Wer aber heute professionell Politik betreiben will, kann auf Berater nicht verzichten. Diese Aufgabe kann von einer Partei oder einer beliebigen Infrastruktur verrichtet werden, oder aber auch ausdifferenziert von Spezialisten. PR-Beratung unterscheidet sich dabei substanziell nicht von der Beratung in der Wirtschaft und ist weder gut noch schlecht. Vielmehr steht im Zentrum des Polit-PRs der Know-how-Transfer und die Ressourcenerweiterung.

Lipp: Was kostet ein Wahlkampf?

König: Es wird sehr oft der Fehler gemacht, dass die Systeme der einzelnen Länder verwechselt werden. Um es klar zu stellen: Es gibt in der Schweiz auf nationaler Ebene keine Wahlkämpfe, sondern nur auf kantonaler. Deshalb kommt es vor allem darauf an, wie gross der Kanton ist. Je nachdem variieren die Kosten für einen Wahlkampf von ein paar zehntausend Franken bis hin ein paar hunderttausend.

Lipp: Herr Reimann, wie wichtig ist es für Sie, im Fernsehen Präsenz zu markieren? Nehmen Sie sich jeweils vor, wie oft Sie jährlich in der Rundschau oder in der Arena auftreten wollen?

Reimann: Nein, natürlich nicht. Letztlich bestimmen die Sendeverantwortlichen, wer ins Fernsehen eingeladen wird. Ich hatte bisher lediglich einmal die Gelegenheit in der Rundschau Gast zu sein. Damals aber musste ich absagen, weil ich an einer Session in Lugano war. Für die Sendung nach Zürich und wieder zurück ins Tessin zu reisen, hätte einen zu grossen Aufwand bedeutet. Damit will ich jedoch nicht bestreiten, dass es mir als Politiker etwas bringt, auf dem Rundschau-Stuhl zu sitzen oder, besser noch, in der Arena.

Brennwald: Herr Reimann sagt, dieser Auftritt war ihm zu wenig wichtig. Die Plattform Rundschau wird seinen Stimmenanteil nur geringfügig anheben. Mein Eindruck ist jedoch, dass viele Personen, die wir einladen, eigentlich gerne in die Sendung kommen würden, aber schliesslich kalte Füsse bekommen, weil die Situation auf dem heissen Stuhl nicht sehr angenehm ist.

Lipp: Es soll auch Politiker geben, die lobbyieren für eine Einladung in einer TV-Sendung. Können Politiker sich selbst einladen?

Brennwald: Die Politiker selbst tun dies nicht. Wer sich aufdrängt, kommt bei Journalisten sehr schlecht an. Bei Bundesräten kommt es jedoch ab und zu schon vor, dass im Hintergrund signalisiert wird, dass eine Teilnahme erwünscht wäre. Bundesratssprecher etwa machen bisweilen diskret darauf aufmerksam, dass das Regierungsmitglied nun gewillt wäre, ein Thema zu kommunizieren. Wir begrüssen diese Hinweise zumeist, denn es ist schwierig, einen Bundesrat für die Sendung zu bekommen.

König: Ich finde es bezeichnend, was Herr Brennwald eben geäussert hat. Das ist genau das Spiel, welches die persönlichen Mitarbeiter, also die Pressesprecher der einzelnen Departemente pflegen. Eines der wichtigsten Elemente der Partnerschaft zwischen dem Politiker und den Medien ist die Availability. Wenn Herr Reimann Franz Jäger wäre, dann wäre er von Lugano nach Zürich zu Herrn Brennwald gefahren. So hat Jäger seine Karriere aufgebaut, nämlich dass er zu jeder Tages- und Nachtzeit, zu jedem Thema Stellung nahm. Wenn ein Politiker auf dieser Ebene zu spielen beginnt, wird er zu einem brauchbaren Medienpartner.



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