01.03.2024

Mamibrennt

«Wir sind weder Medium noch Therapie-Ersatz»

Die frühere 20-Minuten-Strategiechefin Julia Panknin trägt das Thema Mom Burnout als Speakerin und Bloggerin in die Öffentlichkeit. Nun lanciert sie eine Plattform für berufstätige Mütter. Im Interview sagt sie, warum die Community zahlen muss und welche Ziele sie definiert hat.
Mamibrennt: «Wir sind weder Medium noch Therapie-Ersatz»
«1000 Nutzerinnen bis Ende 2024 wäre schön», sagt Julia Panknin, Gründerin der Plattform mamibrennt.com. (Bilder: zVg)

Julia Panknin, vor rund sechs Monaten haben Sie auf LinkedIn geschrieben: «Ich habe meinen letzten Job gekündigt, weil ich nicht mehr konnte.» Warum haben Sie sich entschieden, dies so öffentlich zu machen?
Ich hatte zuvor einen Post darüber gemacht, dass ich nach einer Auszeit einen neuen Job bei einem Start-up angefangen habe. Daraufhin haben mir etwa ein Dutzend Personen, insbesondere Frauen, private Nachrichten geschrieben, in denen sie mich alle das Gleiche fragten: «Wie hast du den Mut gefasst, deine sichere Corporate-Karriere für einen Job in einem Start-up aufzugeben?» Es war mir ein Bedürfnis, die Situation klarzustellen, um keinen falschen Eindruck zu vermitteln.

Sie waren bis zu Ihrer Kündigung im Mai 2022 Strategiechefin bei 20 Minuten und erst wenige Monate davor aus Ihrer Mutterschaftspause zurückgekehrt. Was hat das Fass am Schluss zum Überlaufen gebracht?
Ich war schon über ein Jahr zurück aus dem Mutterschaftsurlaub. Was genau bei 20 Minuten passiert ist, kann und möchte ich hier nicht ausführen. Das Thema ist für mich abgeschlossen, und es waren – wie bei vermutlich fast jeder Burnout-betroffenen Person – mehrere Faktoren, die bei meinem Zusammenbruch zusammenspielten.

Sie haben in den letzten Monaten als Speakerin oder Bloggerin die Debatte über die Doppelbelastung von arbeitenden Müttern vorangetrieben. Hätten Sie beim Absetzen Ihres Posts auf dem Karriereportal damals gedacht, dass er so viele Türen öffnet?
Nein (lacht). Nachdem ich während meines Heilungsprozesses täglich mit Therapeutinnen und Therapeuten, anderen Betroffenen und meinem privaten Umfeld über mein Mom Burnout und die Faktoren, die dazu führten, gesprochen hatte, war es einfach normal für mich. Dass es so eine Welle auslösen würde, hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Retrospektiv gesehen macht es aber natürlich Sinn, weil die unschönen Seiten der Mutterschaft leider bis heute tabuisiert sind.

«Ich glaube, die URL papibrennt.com ist noch frei»

Nun lancieren Sie mamibrennt.com, eine Plattform, auf der Sie arbeitende Mütter vernetzen und den Austausch fördern wollen. Was genau bietet das Portal?
Mit der Plattform möchten wir einen sicheren Ort für berufstätige Mütter schaffen, in welchem sie sich vernetzen und über alle Themen, die sie belasten, offen austauschen können. Online, aber auch im realen Leben. Deshalb gibt es unter anderem eine Funktion, die andere Member, die in der Umgebung wohnen, anzeigt. Es wird aber auch verschiedene On- und Offline Events sowie Webinare von verschiedenen Expertinnen und Experten für die Community geben. Ausserdem themenspezifische Untergruppen, zum Beispiel für Betroffene von narzisstischen Beziehungen, Bücher- und Podcast-Empfehlungen sowie eine Übersicht über Medienbeiträge zu Themen, die die Community betreffen. Mir ist der Wissenstransfer wichtig, weil ich selbst erst während meiner Heilung verstanden habe, wie sehr meine eigenen Prägungen, aber auch das bestehende System, der patriarchale Kapitalismus, in dem wir leben, zu meiner Erkrankung beigetragen haben.

Warum beschränken Sie sich auf die Zielgruppe Mütter? Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft ja auch immer mehr Männer.
Weil Mütter in heterosexuellen Beziehungen heute im Schnitt leider immer noch 50 Prozent mehr Care-Arbeit leisten als ihre Partner, im Arbeitsmarkt öfter diskriminiert und von der Gesellschaft geshamed werden. Deshalb leiden sie öfter unter Erschöpfungssymptomen und laufen Gefahr, auszubrennen. Das hat sowohl mit unserer Sozialisierung zu tun, als auch mit den Rahmenbedingungen und dem allgemeinen Mindset, die sich seit der Öffnung des Arbeitsmarkts für Frauen immer noch nicht angemessen weiterentwickelt haben. Ich würde es aber toll finden, wenn sich Väter zusammentun und ein ähnliches, auf ihre Bedürfnisse ausgerichtetes Angebot lancieren würden. Ich glaube, die URL papibrennt.com ist noch frei.

Wer zur Community gehören will, muss einen monatlichen Beitrag bezahlen. Warum dieses Finanzierungsmodell?
Viele Menschen haben heute leider das Gefühl, Projekte mit Social Impact müssten gratis sein. Wir denken aber, dass uns gerade solche auch monetär etwas wert sein sollten. Weil Menschen ihre Energie, Zeit und Geld investieren, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Aktuell gehen alle Beteiligten mit ihrer Arbeit in Vorleistung, finanzielle Investitionen tätige ich selbst über meine Ersparnisse. Irgendwie muss das refinanziert werden, wir sind ja alle keine Millionärinnen. Für das Abomodell haben wir uns entschieden, weil wir finden, dass andere Finanzierungsmodelle, wie zum Beispiel Online-Banner-Werbung oder Produktplatzierungen, nicht zum mamibrennt-Konzept passen.

«Online-Banner oder Produktplatzierungen passen nicht zum Konzept»

Es gibt bereits zahlreiche Portale, Podcasts oder Magazine für die Mütter- oder Elterncommunity ohne Bezahlschranke. Was ist Ihr Verkaufsargument?
Da haben Sie natürlich recht. Es gibt bisher aber kein Angebot, das sich spezifisch an Working Moms am Limit richtet. Und soweit ich weiss auch keines, das Community, Öffentlichkeitsarbeit, Wissensvermittlung und Webinare zu Themen wie Mental Health oder finanzielle Absicherung und Events unter einem Brand vereint. Neben den Community-Features, den Playlists oder den Buchempfehlungen sind zudem die Webinare und einige der kleineren Events für Member dafür kostenlos.

Der Preis liegt bei 9.90 Franken im Monat. Warum haben Sie auf dieses Pricing festgelegt?
Das mag jetzt nicht sonderlich professionell klingen, aber wir haben uns schlicht überlegt, was wir für ein solches Angebot zahlen würden. Der Preis für ein Mamibrennt-Monatsabo entspricht in unseren Breitengraden ein bis zwei Coffee to Go und damit weniger als ein Netflix- oder Spotify-Abo. Wir hoffen, dass sich das alle Interessierten leisten können.

Auf den ersten Blick dünkt mich der Betrag eher hoch. Aber es kommt natürlich immer darauf an, womit man vergleicht. Ein Blick+-Abo kostet ebenfalls 9.90 Franken im Monat, eine monatliche Sitzung bei der Therapeutin deutlich mehr. Wo ordnen Sie Mamibrennt ein?
In keinem von beiden (lacht). Wir sind weder Medium noch Ersatz für eine Therapie. Wir sind ein paar Freundinnen, die daran glauben, dass es ein Angebot wie Mamibrennt braucht, und die ihre Investitionen gerne decken würden.

Vor dem Start gab es eine Warteliste für Interessierte. Wie viele Nutzerinnen haben sich dort eingetragen?
Bis jetzt sind es um die 100. Diese sind vor allem über unsere organischen Postings auf den Mamibrennt-Social-Media-Kanälen auf die Liste aufmerksam geworden, das können wir anhand der Fragen in der Warteliste nachvollziehen. Die Warteliste ist noch immer geöffnet. Irgendwann im Laufe vom Freitagabend, sobald wir ready sind, geht dann eine Einladung zur Mamibrennt-Plattform an alle raus, die sich eingetragen haben. Damit startet dann auch der Ticket-Vorverkauf für die Launch Party am 7. März im Hive Club in Zürich.

«1000 Nutzerinnen bis Ende 2024 wäre schön»

Welche konkreten Ziele haben Sie im Businessplan definiert?
1000 Nutzerinnen bis Ende 2024 wäre schön. Vor allem, weil mit jedem Member die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich Frauen finden, die in derselben Gegend wohnen.

Welche weiteren Ertragsquellen sind angedacht?
Wenn es gut läuft, verdienen wir sicher mit den grossen Events. Alles andere wird sich zeigen.

Wer gehört alles zum Startteam, wie haben Sie die Aufgaben verteilt?
Mamibrennt läuft über meine Einzelfirma Julia Panknin. Ich habe zwölf tolle Frauen aus meinem privaten Netzwerk, einige davon ebenfalls ehemalige Mom-Burnout-Betroffene, ins Boot geholt, die das Core-Team ausmachen. Fast alle sind selbstständig mit ihren eigenen Firmen und unterstützen Mamibrennt sowohl mit ihren privaten als auch beruflichen Erfahrungen und Skills, weil sie an die Sache glauben. Darunter zum Beispiel eine meiner besten Freundinnen, Lynn Valance, die alle Illustrationen, Logos und Designs für Mamibrennt erstellt hat. Ausserdem haben wir bereits zwei Location-Partner für unsere Events: den Hive Club in Zürich und das ThalVie in Thalwil.

Die Lancierung von Mamibrennt nimmt wohl viel Zeit in Anspruch. Was hilft Ihnen nach Ihrer Burnout-Erfahrung, solche Stressphasen zu managen?
Ja, es ist aufwendig, es macht aber auch riesigen Spass, mit so vielen tollen Leuten an einem Projekt zu arbeiten, an das man glaubt. Ausserdem gibt es von allen Seiten liebe Unterstützungsangebote und Zuspruch, was uns alle anspornt. Und was mich angeht: Ich habe in den letzten zwei Jahren, also seit dem Beginn meines Burnouts, gelernt, gesunde Grenzen zu setzen und die Signale meines Körpers ernst zu nehmen. Deshalb achte ich heute in stressigen Zeiten zum Beispiel akribisch darauf, acht Stunden pro Nacht zu schlafen. Weil ich weiss, dass Schlaf einer der wichtigsten Faktoren für mich ist, um gesund zu bleiben.


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