29.11.2020

Nein zur KVI

«Wir versuchten, einen kühlen Kopf zu bewahren»

Aggressiv und moralisierend wie kaum zuvor: Gibt die Konzernverantwortungsinitiative einen Vorgeschmack auf das künftige Schweizer Polit-Marketing? Andreas Hugi hat noch nie so heftige Angriffe erlebt. In die Hände gespielt habe ihm zudem etwas anderes.
Nein zur KVI: «Wir versuchten, einen kühlen Kopf zu bewahren»
Andreas Hugi ist CEO und Managing Partner der Agentur Furrerhugi. Sie verantwortete im Auftrag von Economiesuisse die Nein-Kampagne zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI). (Bild: Furrerhugi)
von Edith Hollenstein

Herr Hugi, herzliche Gratulation. Wie sehr haben Sie an diesem Abstimmungssonntag gezittert?
Coronabedingt haben alle unsere Komitees, die Verbände und die Parteien in ihren Büros den Abstimmungssonntag verbracht. Das war zu Beginn etwas trist, als aber nach 14 Uhr klar war, dass wir das Ständemehr gewonnen hatten, war die Erleichterung sehr gross, hatten wir doch monatelang sehr viel Zeit und Herzblut in diese Kampagne investiert.

Es war die Rede von einer sehr aggressiven Kampagnenführung auf beiden Seiten. Ist das der neue Stil?
Harte Abstimmungskämpfe gab es ja durchaus auch schon früher. Neu ist sicherlich die zunehmende Moralisierung, der klare Trend, dass es immer öfter nur noch um Gut gegen Böse geht. Viele Komitees scheinen es darunter nicht mehr zu machen. Dabei geht vergessen, dass es völlig normal ist, dass bei Abstimmungskampagnen – gerade bei Volksinitiativen – eine öffentliche Debatte stattfindet, wo beide Seiten ausgeleuchtet werden. Es ist nicht unredlich, eine andere Meinung zu einer Volksinitiative zu haben, die von Parlament und Bundesrat abgelehnt wird. Die KVI war sehr populistisch aufgezogen und von Anfang an «auf Kampagne getrimmt». Sie hatte aber klare inhaltliche Mängel. Unser Job war es, auf diese handwerklichen Mängel hinzuweisen. Leider gab es in der Schlussphase auch unschöne anonyme Filme gegen die NGO, von denen sich aber die Verbände und auch wir sofort distanziert haben.

Es gab auf beiden Seiten persönliche Angriffe. Wie gingen Sie damit um?
Wer Abstimmungskampagnen führt, darf nicht wehleidig sein. Wer die Hitze nicht aushält, sollte aus der Küche gehen, heisst das Sprichwort. Aber eine solche Intensität an persönlichen Angriffen auf uns als Agentur und auf Exponentinnen des Nein-Lagers habe ich in 15 Jahren Kampagnentätigkeit noch nie erlebt. Das schien Strategie gewesen zu sein. In der Schlussphase ging sie offenbar aber nicht mehr auf: Wir beobachteten, dass dieser Stil zunehmend kontraproduktiv wirkte.

«Die Intensität an persönlichen Angriffen habe ich in 15 Jahren Kampagnentätigkeit noch nie erlebt»

Warum wandten Sie sich nicht an den Presserat, die Lauterkeitskommission oder an juristische Instanzen?
Die Angriffe waren teilweise unter der Gürtellinie, aber wir wollten keine Energie auf den Rechtsweg verschwenden, weil wir ja wussten, dass dies Teil der gegnerischen Kampagnenstrategie war. Wir haben ganz bewusst nie auf die Provokationen reagiert, sondern versucht, kühlen Kopf zu bewahren und sachlich mit Fakten und Argumenten zu reagieren. Und es half, sich hin und wieder zu sagen, dass wir als Agentur ja kein politischer Akteur, sondern ein Dienstleister und Umsetzer im Auftrag unserer Kunden sind.

Im Vorfeld war von «einzigartig teuren Werbekampagnen» beider Lager die Rede. Stimmt es, dass die Gegner rund 5 Millionen Franken ausgegeben haben?
Zum Mandatsbudget kann sich nur unser Kunde äussern. Für mich sind aber die Schätzungen des Tages-Anzeigers, dass die Initianten knapp dreimal mehr Budgets hatten als unsere Seite, plausibel.

Was bringen solch grosse Kampagnen in den letzten vier Monaten vor der Abstimmung überhaupt? Kann man mehr als nur Wechselwähler im tiefen Prozentbereich überzeugen?
Solche Mobilisierungen in den letzten Monaten sind wichtig, geht es doch sehr oft um wenige Prozente, insbesondere wenn man auf das Ständemehr setzt. Und jede Kampagne versucht in der Schlussphase vor allem die Unentschlossenen zu überzeugen und die Überzeugten zu mobilisieren, tatsächlich abstimmen zu gehen. Aber natürlich wäre es wichtig, wenn man frühzeitig und langfristig einen kommunikativen Grundteppich legt. Die Tatsache, dass im September über die ebenfalls sehr dominante und emotionale Begrenzungsinitiative abgestimmt wurde, hat dies erschwert.

«Die grösste Stärke der Pro-Kampagne war das Engagement der Kirchen»

Welche Massnahme der Initianten erachten Sie als besonders gelungen? Oder anders gefragt, was hat Ihnen am meisten Kopfzerbrechen gekostet?
Die grösste Stärke der Pro-Kampagne war das Engagement der Kirchen. Damit sicherten sich die Initianten die moralische Luftüberlegenheit: Menschlichkeit als moralischer Imperativ eine der stärksten Kampagnenwaffen überhaupt. Das Engagement der Kirchen überbordete aber in der Schlussphase und hat aus Kampagnensicht mutmasslich eher kontraproduktiv gewirkt.

Und welche Ihrer Strategien hat im Rückblick gesehen besonders gut funktioniert?
Unser Ziel war es, möglichst sachlich auf die Schwächen des Initiativtextes hinzuweisen und den Leuten zu sagen: «He, das Anliegen mag zwar auf den ersten Blick sympathisch sein, aber es schwächt die Schweiz, unsere KMU und schadet dort, wo die Initianten helfen wollten.»

Generell machen Sie sich ja für Transparenz in Sachen Lobbying stark. Welche Auswirkungen hätte es, wenn Werbeausgaben bei Volkabstimmungen transparent gemacht würden?
Ich persönlich fände es eine grosse Stärke einer Kampagne, wenn proaktiv die Finanzen offengelegt würden. Wir haben das vereinzelt schon gemacht, entscheiden muss aber natürlich der Kunde. In der Umsetzung ist das zwar nicht ganz so trivial, aber machbar. Ich kann mir gut vorstellen, dass künftig bei zentralen Abstimmungsvorlagen beide Seiten einer neutralen Treuhandstelle ihre Bücher öffnen. Gerade bei der KVI-Abstimmung waren viele überrascht über die Höhe der Budgets, namentlich der Initianten. Da wäre generell mehr Transparenz auf jeden Fall wünschenswert und im Interesse der Stimmberechtigten.

Gefordert wird zu Teilen gar eine Deckelung der Werbeinvestitionen. Wäre das praktikabel?
Und wann ist eine Kampagne «zu gross» und wann «genau richtig»? Ich halte das für einen wenig ausgereiften Vorschlag.

Das Interview wurde schriftlich geführt.



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