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Die Suisa beschädigt Radioprogramme

Roger Schawinski

Seit Jahren ist die Musikwelt in Aufruhr. Die Verkäufe von Tonträgern implodieren im- mer weiter, und dies hat Auswirkungen auf Bereiche, die weit über den Kreis der Kom- ponisten und Interpreten hinausreichen. Auch die Einnahmen der Urhebergesellschaften, die an den Umsätzen der Industrie partizipieren, sind drastisch eingebrochen. Deshalb müssen nun andere in die Bresche springen. So versucht die Suisa seit Jahren, die Schweizer Radiosender gründlicher abzukassieren. Seit Längerem sind deshalb aufwendige Gerichtsverfahren am Laufen, die noch nicht entschieden sind. Gerade für die privaten Radiosender stehen die Zeichen auf Sturm, weil die Suisa-Abgaben nach den Personalkosten bereits heute den grössten Kostenfaktor stellen können. Dies wird unter anderem auch durch die laufend härtere Auslegung gewisser Regelungen und Kontrollen durch die knallharte Suisa erreicht, die die Kosten für die Sender weiter in die Höhe katapultieren.

Aber es gibt auch grundsätzliche Probleme. So berechnet die Suisa die Urheberabgaben aufgrund der erzielten Einnahmen oder Kosten, je nachdem welche Summe die höhere ist. Als Bemessungsgrundlage dient dabei der Musikanteil am Gesamtprogramm in Prozenten, und dies gerechnet auf die ganzen 24 Stunden. Nun haben die Radiosender aber zwischen 24 Uhr und 6 Uhr kaum Hörer, keine Einnahmen und wenig Kosten, da das Abspielen der Nonstop-Musik vom Computer erledigt wird. Die Suisa ignoriert diesen Mechanismus. Für sie sind die Nachtstunden eine grandiose Einnahmequelle, weil dort der prozentuale Musikanteil bei 100 Prozent liegt und damit den 24-Stunden- Durchschnitt massiv anhebt.

Gegen diese Anomalie haben mehrere Sender kurios wirkende Massnahmen ergriffen. Wegen der Suisa-Regelung haben sie nämlich ihre Programme in der Nacht gezielt und bewusst verschlechtert, um so den Musikanteil von 70 bis 80 auf 60 bis 70 Prozent zu drücken. Radio Zürisee etwa sendet zwischen ein Uhr und vier Uhr wild zusam- mengeschnipselte Wortanteile aus dem Tagesprogramm. Radio Berner Oberland stellt auf klassische Musik um, die nicht Suisa-pflichtig ist. Und Radio FM 1 aus St. Gallen versendet Suisa-freie Mood-Dudelmusik, welche bei mehreren internationalen Anbietern erhältlich ist. Damit ersparen sich diese Sender Kosten von mehreren zehntausend Franken im Jahr. Bei grösseren Sendern bringt diese Massnahme gar Einsparungen in sechsstelliger Höhe, und das sind Beträge, die echt ins Gewicht fallen. Das heisst: Die Suisa wirkt wegen ihres starren methodischen Ansatzes als ein Programmgestalter von aussen, der Radioangebote unattraktiver macht. Dies ist das pure Gegenteil von dem, was in jeder Radiokonzession steht und das von Qualitätskontrollen bewertet wird, die vom Bakom periodisch angeordnet sind und von den Sendern bezahlt werden müssen. Die auf diese Weise gezielt unattraktiv programmierten Nachtstunden, so unwichtig sie auch sein mögen, verwässern nicht nur das Profil von Sendern, sondern sie beeinträchtigen auch die Nutzung durch benachteiligte Bevölkerungsgruppen, die aus beruflichen Gründen nachts arbeiten müssen. Diese Anomalie ist irrwitzig und müsste vom Bakom schon längst korrigiert worden sein. Aber selbst in den Entwürfen zur Revision des neuen Radio- und Fernsehgesetzes findet sich zum Schutz der Sender kein Wort. Dies empfinde ich als stossend.

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