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Ein Zeichen beeinträchtigten Denkens?

Marcus Knill

Bei Biden häufen sich Anzeichen kognitiver Altersschwäche. An einer CNN-Veranstaltung soll er mehrmals schwer verständliche, kaum übersetzbaren Texte gesprochen haben.

Auf eine Frage nach Impfungen bei Kindern antwortete er: «Die Frage ist, ob wir in der Position sein sollen, wo man – warum können Experten nicht sagen, wir wüssten, dieses Virus ist tatsächlich – wird sein – oder, Entschuldigung – wir wissen, warum all diese bewilligten Medikamente nicht temporär bewilligt sind, sondern permanent bewilligt. Das ist auch unterwegs. Ich erwarte, dass dies schnell passiert.»

Die meisten offensichtlichen Schwächen des Präsidenten beim Formulieren werden in den Medien meist ausgeklammert. Doch wer solche Sätze hört, macht sich schon Gedanken über den Gesundheitszustand Bidens.

Aber auch Dozenten können mit unverständlichen Formulierungen Studenten quälen. Ein Professor der Harvard Universität sagte mir jüngst: Wenn Wissenschaftler an Kongressen verständlich sprechen, sei dies suspekt. Kompetenz zeichne sich für sie wohl durch komplizierte, unverständliche Formulierungen aus.

Ein Beispiel aus dem Spiegel (Zitat eines Professors für Literaturwissenschaft): «Es stehen sich daher eine in die Breite und Tiefe gehende Wissensentwicklung, die idealiter die Historizität der Gegenstände und ihrer Konzeptionen, also die Fachgeschichte selbst, mit im Blick behält, und ein auf enge Innovationszonen bezogener Erkenntnisfortschritt, der auch das noch nicht Gewusste bereits als Aufgabe scharf umrissen hat, gegenüber.»

Alles verstanden?

Wahrscheinlich formulierte der Professor seine Thesen nicht klar und verständlich, weil sonst die Aussage banal klingen würde. Das Zitat könnte ohne grossen Aufwand verständlicher formuliert werden. Spiegel macht den Lesern einen guten konkreten Vorschlag: «Jedes Fach ist anders. Bei den Naturwissenschaften wird weniger diskutiert, bei den Geistes- und Sozialwissenschaften mehr. Deshalb klingen die Texte in den verschiedenen Fächern auch unterschiedlich.»

Komplizierte Sätze ermüden

Viele Wissenschaftler möchten sich vielleicht mit ihren komplizierten Texten vom Rest der Gesellschaft abgrenzen und ihre Zugehörigkeit zu einem exklusiven Zirkel beweisen. Und nicht nur sie, auch andere Gruppen, wie zum Beispiel Jäger, Segler, Mediziner oder Betriebswirtschaftler nutzen gern unverständliche Aussagen.

Sie wollen oft nur ihre Fachkollegen und Vorgesetzten beeindrucken. Leider hilft dies immer noch auf dem Weg zum Professorentitel oder Lehrstuhl, obschon komplizierte Formulierungen die Leser und Zuhörerinnen ermüden.

Nach meinen Erfahrungen haben wir mehr Erfolg, wenn Aussagen verständlich, einfach und klar auf den Punkt gebracht werden. Der Neuropsychologe Lutz Jäncke von der Universität Zürich zählt zu jenen Wissenschaftlern, die komplizierte Erkenntnisse und Verständlichkeit unter einen Hut bringen können. Das hat dazu geführt, dass er heute zu den gefragtesten Referenten zählt und im Ranking bei den Studierenden einen Spitzenplatz einnimmt.

Zurück zum immer häufiger auftretenden Wortsalat Bidens. Wirre Formulierungen sind nicht immer ein Zeichen kognitiver Schwäche, man erinnere sich an Bayerns Ministerpräsidenten Stoiber.

Alle sind gefordert, sich stets zu bemühen, adressatengerecht zu formulieren und vor jedem Auftritt zu kontrollieren, ob der Text gut verständlich ist. Es ist bekannt, dass Christoph Blocher schon vor Jahren seine Manuskripte einem «Otto Normalleser» gab, der ihm alle Passagen nennen musste, die unverständlich waren. Auch das führte dazu, dass er bei seinen Referaten stets mit einem grossen Publikum rechnen konnte.

«Kommunikationspapst» Paul Watzlawick, der dieses Jahr den 100. Geburtstag feiern könnte, wurde von den Wissenschaftlern zuerst nicht ernst genommen, weil er es verstand, Kompliziertes mit Vergleichen oder Geschichten verständlich zu machen.

Die Kunst bei Präsentationen liegt darin, Sachverhalte zu vereinfachen, ohne sie zu verfälschen.



Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik, Coach, Dozent und Autor von rhetorik.ch.

Dieser Text wurde nach dem Erscheinen nochmals überarbeitet und mit Quellenangaben ergänzt.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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