Teure Uhren sind ein schöner Zeitvertreib – und im besten Fall eine Investition, die sich lohnt. Gerade gewisse Modelle von Rolex in Stahl behalten ihren materiellen Wert oder steigen sogar im Laufe der gemeinsamen Jahre im Preis.
Rolex weiss seit Jahrzehnten, wie man Begehrlichkeiten weckt, und führt die Liste der beliebtesten Uhrenmarken weltweit an. Nun hat das Unternehmen entschieden, die zum Konzern gehörende Marke Carl F. Bucherer einzustellen. Zur Erinnerung: Der Visionär Carl Friedrich Bucherer eröffnete 1888 ein Schmuck- und Uhrengeschäft in Luzern, in dem er vor allem seine eigenen Uhrenkreationen verkaufte. Sie verschmolzen einerseits auf überraschend anziehende Weise Goldschmiede- und Uhrmacherkunst und glaubten andererseits an Pionierideen, was die erste Kollektion von Damenuhren im 19. Jahrhundert und das Forcieren von Armbanduhren vs. die damals allgegenwärtigen Taschenuhren belegen.
Gefühlt war das auch schon die letzte Innovation der Marke Carl F. Bucherer, die bis heute den Durchbruch nicht geschafft hat. Dafür hätte es zuerst einen einprägsamen Namen gebraucht, nachdenken hätte man zum Beispiel über das Kürzel CFB können. Das grösste Versäumnis lag aber darin, kein ikonisches Modell wie die Daytona von Rolex, die Speedmaster von Omega, die Nautilus von Patek Philippe etc. zustande gebracht zu haben. Und von guten Brand-Stories war ebenfalls nichts zu hören. Im Gegenteil: Man erzählte gar keine Geschichte, abgesehen davon, dass die Uhr aus Luzern stammt und zum Untermalen der Heritage Klischeebilder in der Kommunikation einsetzte. Fast schon brechstangenartig wirkten die Versuche, die Uhr mittels Product Placement bekannter und beliebter zu machen. Beachtlich ist, dass die Uhr immerhin in sämtlichen John-Wick-Filmen, Rambo Last Blood und Atomic Blonde prominent auftaucht, jedoch die Rolle vorbei an der Zielgruppe spielt. Obwohl Carl F. Bucherer sich auch mal eine schöpferische Pause ohne neue Kollektionen gegönnt hat, schlug das mehrfache kreative Comeback fehl. Treuhänder und Sammler können darum nachvollziehen, dass Rolex diese Entscheidung trifft und die Marke verschwinden lässt.
- Nicht jede Marke hat es verdient zu existieren. Die Luxusindustrie klammert sich oft an ihr Erbe, aber Tradition allein ist kein Wachstumsmotor. Wenn Carl F. Bucherer eine starke Anziehungskraft gehabt hätte, hätte Rolex es für sinnvoll gehalten, den Brand zu behalten. Der Abschied deutet darauf hin, dass es den Carl F. Bucherer Uhren an einer sinnvollen Differenzierung auf dem Markt mangelt.
- Rolex hat Markendisziplin unter dem Credo: Einfachheit statt Komplexität. Rolex war schon immer ein Beispiel für Markenreinheit – wenige Modelle, langsame Weiterentwicklung, absolute Beständigkeit. Das Betreiben einer Untermarke wie Carl F. Bucherer würde zu einer Komplexität führen, die nicht zur Philosophie von Rolex passt.
- Sicherheit durch das Vertriebsnetz. Rolex hat Bucherer nicht gekauft, um ein House of Brands zu betreiben, sondern um den Vertrieb zu kontrollieren. An Carl F. Bucherer als eigenständige Marke festzuhalten, hätte die Strategie verwässert. Stattdessen stärkt Rolex seine klare, disziplinierte Markenposition und konzentriert sich auf den Kern und die Einzelhandelsmacht von Bucherer.
- Signalwirkung. Das Ende der Carl F. Bucherer Uhren ist einerseits ein Signal an die Luxus- bzw. Premiumanbieter der Mittelklasse. In einer Welt, in der nur die Stärksten die Preismacht innehaben, steht das mittlere Preissegment unter Druck. Wenn eine Marke wie Carl F. Bucherer mit einer starken Einzelhandelspräsenz ihre eigene Existenz nicht rechtfertigen kann, sagt das viel über die tristen Aussichten für die Konkurrenten aus. Andererseits signalisiert es generell Vorsicht bei Eigenmarken in der Luxusindustrie: Das Superbrands-Shopping auf dem Online-Portal Mr. Porter floriert, die Eigenmarke Mr P. lockt kaum jemanden zum Klick und Kauf. Ebenso wenig kann die Eigenmarke von Harrod’s mit den klingenden Namen im Luxuskaufhaus mithalten.
- Es geht hier um Kontrolle – nicht nur um Uhren. Rolex bestimmt bereits über die Verfügbarkeit und Wahrnehmung seiner eigenen Modelle. Durch die Kontrolle des Einzelhandels von Bucherer kann das Unternehmen nun das gesamte Kauferlebnis für Uhren gestalten. Carl F. Bucherer im Sortiment zu halten, hätte von diesem grösseren Vorhaben abgelenkt.
- Konzentration auf die Kronjuwelen. Auch andere mittelgrosse Uhrenmarken werden leiden, denn Konzerne wie Richemont, LVMH und Swatch werden ihre Strategie für Brands, die mehr Gefühl als Gewinn bringen, überdenken. Sogar Patek Philippe strafft sein Sortiment und wirft gewisse Modelle raus. Was in der Mode schon länger gang und gäbe ist (die mittelpreisigen Marken verschwinden nach und nach), hält nun bei den Uhrenunternehmen Einzug.
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Es gibt den richtigen Zeitpunkt, um sich von einer Marke zu verabschieden. In der Wirtschaftspsychologie wird dieser Moment mit dem «Sunk Costs Fallacy»-Effekt beschrieben. Wenn ein Unternehmen bereits sehr viel in eine Marke investiert hat, diese jedoch nicht entsprechend gut dasteht (seit der Gründung von Carl F. Bucherer sollen sich die Verluste auf 250 Millionen Franken summiert haben), neigt das Management dazu, sich gegenüber der früheren Entscheidung und dem Investment verpflichtet zu fühlen. Es ist wichtig, dann nicht zusätzliche Ressourcen heranzuziehen, sondern diesen Weg als ineffektiv oder sogar falsch anzuerkennen. Wie es Rolex nun mit Carl F. Bucherer gemacht hat.
Kill Your Darlings
Rolex zieht die Reissleine bei Carl F. Bucherer, dem Lieblingsengagement des Gründers, und verlässt sich stattdessen auf Markenklarheit und ein sicheres Vertriebsnetz. Dabei lässt man die Marke nicht emotionslos fallen, sondern anerkennt, dass sie weder im preiswerten Segment wie zu den Anfängen, noch in den letzten 20 Jahren in höheren Gefilden und mit Manufakturkalibern ausgestattet reüssierte. Zudem braucht Rolex neben Tudor kein drittes Standbein, das noch dazu instabil ist: Armbanduhren von Carl F. Bucherer werden auf dem Sekundärmarkt teilweise als Schnäppchen angeboten, was diametral zur Ideologie der Mutter Rolex steht und deren Renommée beeinträchtigen könnte. Ein smarter Schlussstrich.
Thomas Wildberger ist ADC-Präsident und Partner der internationalen Beratungsagentur Prophet. Er war Kreativchef und CEO von Publicis und Werber des Jahres.
Dieser Blog entstand in Zusammenarbeit mit Tosson El Noshokaty, ebenfalls Partner von Prophet.
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Time to say goodbye