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Von der subversiven Kraft des Humors

Marcus Knill

Alle, die die Bevölkerung ängstigen wollen, hüten sich vor Humor. Für Machthaber, Autoritäten und Diktatoren ist Humor gefährlich. Spott und Satire zählen zu den schärfsten Waffen gegen jene, die Angst als Instrument nutzen. Deshalb verbieten Diktatoren Satire, Karikaturen und so weiter. Sie wissen: Wer lacht, hat keine Angst.

Komik befreit uns vom Fanatismus. Humor ist eine wichtige Voraussetzung zur freien Meinungsäusserung. Vor allem in der Faschingszeit zeigt sich, wie Tabubruch als Grenzüberschreitung wirkt. Man erkennt sofort, wie auch politisch unkorrekte oder sexistische Sprüche das Publikum zum Lachen animieren. Infantile, auch fremdenfeindliche Sprüche werden toleriert – wohl sogar gewollt.

Satire lebt von Zuspitzung, Verzerrung, Provokation und Übertreibung. Der Karneval ist eine verkehrte Welt ohne Hierarchien. Jedes Lachen geht mit einem kurzzeitigen Kontrollverlust einher. Jeder Tabubruch setzt Energie frei. Witze leben davon, dass sie grenzüberschreitende Inhalte thematisieren, die mit Moral wenig am Hut haben. Menschen lachen gerne zusammen mit anderen und auch gerne über andere. Um spontan lachen zu können, braucht es jedoch Distanz. Wir müssen über den Dingen stehen.

Es stellt sich die Frage: Darf Satire alles? Es gibt krasse Witze, bei denen das Lachen im Hals stecken bleibt. Unter dem Deckmantel der Satire dürfen beispielsweise nicht zu Gewalt aufgerufen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit verleugnet werden. Wer die rechtlichen Grenzen überschreitet, wird hierzulande mit Geld- oder Freiheitsstrafe belegt.

Anderseits sollten wir Tabubrüchen an Faschingsveranstaltungen nicht mit einer Sprachpolizei begegnen. Viele Witze haben eine Ventilfunktion, weil die Gender- und Woke-Sektierer mit ihrer Maulkorbpolitik zu viel Druck ausüben. Narren müssen geschützt werden. Narrenfreiheit darf nicht zu einer Hohlformel verkommen. Weshalb sollten wir am Fasching das Gesicht nicht schwärzen dürfen oder ein Indianerkostüm anziehen? Dürfen uns Sprachpolizisten die Freude an der Fasnacht vermiesen? Schwarzer Humor muss zulässig sein, wenn er rechtliche Grenzen nicht überschreitet.

Folgende Witze mit schwarzem Humor dürften wohl noch möglich sein: «Was ist das für ein Tier mit vier Beinen und einem Arm? Das ist ein Pitbull im Kindergarten.» Oder: «Ist es ethisch vertretbar, im Altenheim ‹Last Christmas› zu spielen?» Bei Grenzbereichen hängt es davon ab, wer den Witz erzählt. Die Haltung und Absicht des Erzählers ist mitentscheidend. Es spielt auch eine Rolle, wem der Witz erzählt wird. Die Aussage darf nur nicht gegen das Recht verstossen.

Wir sind offensichtlich in den letzten Jahren in der Wahrnehmung viel sensibler geworden. Humor lässt immer Raum für eine unterschiedliche Bewertung, ohne dass eine die richtige ist. Echter Humor lässt gegensätzliche oder verschiedene Ansichten zu. Schlimm wird es dann, wenn wir keinen Spass mehr ertragen. «Wer sich selbst zu ernst nimmt, den muss man nicht ernst nehmen», fand der niederländische Sänger Bruce Low sehr treffend.



Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik, Berater und Autor von rhetorik.ch.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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