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Was ist das Rolex-Erfolgsrezept?

Klaus-Dieter Koch

Liebe zu kleinsten Details, stoische Kontinuität, prägnante Leistungsbeweise und Verschwiegenheit. Dies führte Rolex zum Erfolg. Eine Würdigung zum 60. Todestags des Gründers Hans Wilsdorf, der Rolex 1905 gründete.

Wilsdorf, gebürtiger Deutscher, war weder Uhrmacher noch ein Genie für Mechanik. Er absolvierte eine Händlerlehre. Das prägte ihn: Er dachte von den Kunden und ihren Wünschen her. Also nicht vom Machbaren wie ein Uhrmacher, der erst etwas erfindet und dann vermarktet.

Was viele nicht wissen: Die Rolex-Gründung erfolgte in disruptiven Zeiten. Damals war eine Uhr eine Taschenuhr – und damit nur für Männer. Im ersten Weltkrieg waren Taschenuhren für Offiziere jedoch zu umständlich. Deshalb verlangten sie Uhren, die sie sich ans Handgelenk binden konnten. Das war die Geburtsstunde der Armbanduhr. Und Rolex war Antreiber dieser Entwicklung. Das nächste Kundenproblem, das Wilsdorf löste, war das Wasser. Zur Beweisführung, dass seine Uhren wasserdicht sind, sponserte er die Profischwimmerin Mercedes Gleitze, die mit einer wasserdichten Rolex Oyster den Ärmelkanal durchschwamm.

Von Anfang an konzentrierte sich Wilsdorf auf Herausforderungen bestimmter Berufsgruppen. Mit der Erfindung des Düsenjets wurden Ende der 50er Jahre Non-Stop-Interkontinentalflüge möglich. Damit entstand ein Problem für die Piloten: die Zeitzonen. Wilsdorf erfand für diese Zielgruppe die Master GMT: eine Uhr, die zwei oder mehr Zeitzone gleichzeitig anzeigen kann. Schnell avancierte sie zur Lieblingsuhr des aufkommenden Jetsets. Das Gleiche machte Wilsdorf für Rennfahrer (Daytona), Taucher (Submariner) und Ingenieure (Milgauss). Er schuf in der jeweiligen Kategorie Ikonen, die bis heute massgebend sind. Zwar war er nicht der Erste, der so vorging – aber er war der konsequenteste.

Bei der Namensgebung stellte Wilsdorf sein Ego hinten an. Gründungen trugen zu dieser Zeit fast ausnahmslos die Namen ihrer Erschaffer (zum Beispiel Patek Philippe, Audemars Piguet und Breguet). Er hingegen wählte mit Rolex eine Wortschöpfung, die in jedem Sprachraum gut verstanden wird und den Anspruch der Marke verkörpert.

Auch der Gründungsort war ein Statement: Kein entlegenes Tal im Jura oder die Uhrenstadt Genf, sondern London, die Hauptstadt des British Empire, das damalige Zentrum der Welt. Hier waren die Menschen und das Geld – aber auch der denkbar härteste Wettbewerb. Rolex legte von Anfang an einen globalen Massstab an, sei es in der Distribution, im Pricing, in den Standards für den Kundenservice oder in der massiven Werbung. Das hatte zur Folge, dass GIs mit einer Rolex am Handgelenk in den Vietnamkrieg zogen. Sie wussten: Mit einer Rolex als Tauschmittel kommst du immer raus aus dem Land.

Eine völlig zerkratzte, 50 Jahre alte Rolex-Stahluhr erzielt auf dem pre-owned Markt ein Vielfaches jenes Preises, der für ein aktuelles Modell im Laden verlangt wird. Wer sich schon mal gefragt hat, warum das so ist, bekommt eine Ahnung davon, warum Markenpflege mehr mit Kontinuität als mit Kreativität zu tun hat.

Die mit Abstand grösste Sammlergemeinde der Welt unterstützt Rolex in keinster Weise. Keine Sondermodelle, keine Events, nicht einmal Informationen aus den Archiven zu Modellnummern und Produktionszahlen. Alles muss mühevoll selbst recherchiert werden. Diese in allen Bereichen gelebte Distanz und die volle Konzentration auf ein perfektes Produkt treibt die Anziehungskraft der Marke ins Unermessliche.

So extensiv und geschickt Rolex Marketing betreibt, so konsequent hüllt sich das Unternehmen in Schweigen, wenn es um Personen geht. Jeder Mitarbeitende – inklusive CEO – hat hinter der Marke zurückzutreten. Rolex-CEOs geben traditionell keine Interviews. Besuche in den Produktionsstätten, bei den meisten Luxusuhrenmarken Standard, gibt es bei Rolex nicht. Nicht einmal für die einflussreichsten Journalisten.

Mangels Erben übertrug Hans Wilsdorf sein Lebenswerk in eine Stiftung. Das bewahrte Rolex vor dem Zugriff von Konzernen und vor kurzfristigem, Aktienkurs-getriebenem Denken und Handeln. Kein LVMH, kein Richemont, keine Swatch Group wird jemals Zugriff auf jene Marke bekommen, die sie alle seit Jahrzehnten dominiert und den Kurs vorgibt.



Der Luxusmarkenexperte Klaus-Dieter Koch ist Gründer und Managing Partner der Managementberatung BrandTrust.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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Kommentare

  • Wolfgang Winter, 06.07.2020 19:50 Uhr
    Lieber Herr Koch, eine sehr kompakte Zusammenfassung eines bemerkenswerten Schaffens. Es wäre jedoch zu erwähnen, dass es für ausgesuchte Journalisten Werkbesuche bei Rolex gab und gibt. Selbst fotografieren ist erlaubt. Kleines Beispiel - https://www.uhrenkosmos.com/rolex-uhrwerk-herstellung-und-rolex-werke-biel/. Und das die Rolex CEOs tendenziell eher schweigen, ist doch fast angenehm, finden Sie nicht? Viele Grüße ww
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