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Zum Tod von Carsten Schloter

Sacha Wigdorovits

Wenn Musikstars wie Michael Jackson und Amy Winehouse oder Filmstars wie Heath Ledger ihrem Leben mit zu viel Drogen ein Ende setzen, dann nehmen wir dies in der Öffentlichkeit zwar ebenfalls mit einem gewissen Bedauern zur Kenntnis. Aber irgendwie können wir es auch nachvollziehen, dass jemand, der es schon in jungen Jahren zu Millionen Dollars gebracht und den Gipfel des Ruhms erklommen hat, danach in ein Loch fällt, aus dem er nicht mehr heraus findet. Zumal es in diesen Branchen von zynischen Managern, denen das Schicksal der ihnen anvertrauten Stars völlig egal ist, nur so wimmelt. Aber wenn ein gestandener Topmanager wie Carsten Schloter Selbstmord begeht, dann schockiert uns dies zu tiefst. Wie kommt es, dass jemand, der jahrzehntelang hart gearbeitet und unzählige schwierige Situationen mit zähem Willen und Ausdauer gemeistert hat, der beruflich erfolgreich ist, der das Ansehen nicht nur seiner Gleichgestellten, sondern auch seiner Mitarbeitenden geniesst, der sich keine finanziellen Sorgen mehr machen muss, so verzweifelt und so leer sein kann, dass er im Leben keinen Sinn mehr sieht? Diese Frage verunsichert uns zu recht. Doch der Tod von Carsten Schloter veranschaulicht uns auch, wie wenig wir in unserer medialisierten Welt eigentlich über jene wissen, die täglich für Schlagzeilen sorgen. Wir sehen sie zwar, wie sie an Sitzungstischen mit unbeteiligtem Gesicht weitreichende Entscheide verkünden, wie sie in ihrer raren Freizeit mutig steile Felswände empor klimmen, tief vornüber gebeugt auf Rennvelos ihre Ausdauer unter Beweis stellen oder auf einer Wanderung einige unbeschwerte Stunden geniessen. Aber mit all diesen Bildern sehen wir nur an sie heran, nicht in sie hinein. Dessen sollten wir uns bewusst sein, wenn wir uns das nächste Mal ein Bild von ihnen machen, sei es als Journalisten, die dieses Bild zeichnen, oder als Medienkonsumenten, die es beurteilen. Wenn wir uns dessen erinnern und dann mit unserem Urteil über diese Menschen etwas zurückhaltender sind, dann hat der traurige, tragische Freitod von Carsten Schloter ein ganz klein wenig auch Gutes bewirkt.   Sacha Wigdorovits war früher Journalist und ist heute Kommunikationsberater
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